Nachrichten

Nach Eklat bei der Oscar-Gala: Die Geschichte der Ohrfeige

28.03.2022, USA, Los Angeles: Will Smith (r), Schauspieler und Sänger aus den USA, schlägt Moderator Chris Rock, Schauspieler aus den USA, auf der Bühne. Foto: Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

AKTUALISIERT – Nach einem Witz auf Kosten seiner Frau Jada Pinkett hat Hollywood-Star Will Smith mit einer Ohrfeige für den Komiker Chris Rock reagiert. Die Szene auf der Oscar-Gala hat nicht nur hitzige Diskussionen über Gewalt ausgelöst, sondern lässt auch an andere berühmte Schläge der Vergangenheit denken. Ein Überblick.

Erst am Wochenende sorgte eine Ohrfeige für Oliver Pocher für Aufsehen. Am Rande eines Boxkampfes schlug ein Angreifer – nach Zeitungsberichten ein Rapper – dem Comedian ohne Warnung ins Gesicht. Pocher hat nach eigenen Worten nun gesundheitliche Probleme mit dem Ohr.

Schon in der Bergpredigt sagt Jesus nach biblischer Überlieferung: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ Es ist das Symbol für christliches Leiden. Doch ein stoisches Hinhalten und schweigendes Ertragen liegt den meisten eher nicht. Pocher will seinen Fall vor einem Gericht geklärt wissen.

17.01.2013, Berlin: Oliver Pocher. Am Rande eines Boxkampfes verpasste ein Angreifer dem Comedian einen Schlag ins Gesicht. Foto: Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa

Ein Angriff auf die Autorität: Manchmal haben Ohrfeigen auch politische Hintergründe. Zum Beispiel bei Beate Klarsfeld, die mit einem Schlag 1968 weltweit bekannt wird: Sie griff den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wegen dessen früherer NSDAP-Mitgliedschaft an.

“Das war die Ohrfeige unserer Generation gegen die Nazi-Generation“, sagt die damals 29-Jährige später über ihr durch und durch politisches Statement. Ein Skandal: die Ehre eines der höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik wird in aller Öffentlichkeit in Frage gestellt.

Genauso wird die Ohrfeige für den damaligen Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack, als Attacke auf dessen Autorität auf dem Platz gewertet. Nach der Handgreiflichkeit von Stürmer Lukas Podolski in der WM-Qualifikation gegen Wales 2009 droht Bundestrainer Joachim Löw für den Fall einer Wiederholung der Disziplinlosigkeit mit dessen Rausschmiss aus der Nationalelf.

Berühmte Leinwand-Schellen: Im Film haben Ohrfeigen eher das Potenzial, die Handlung auszuschmücken. Rechts-Links-Hiebe plus einen auf die Zwölf etwa müssen Opfer von Bud Spencer („Vier Fäuste für ein Halleluja“) einstecken. Berühmt-berüchtigt ist sein mächtiger Schwung mit dem ausgestreckten Arm. Dabei steht der Italiener etwa dem beleibten Asterix-Kumpel Obelix in nichts nach, der in ähnlicher Manier den Römern im Comic auf harte Tour die Mores lehrt.

Serge Klarsfeld (l) und seine Frau Beate Klarsfeld stehen am 05.12.2017 in der Shoah-Gedenkstätte in Paris. Beate Klarsfeld verpasste 1968 dem deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wegen dessen früherer NSDAP-Mitgliedschaft eine Ohrfeige. Foto: Michel Euler/AP/dpa

Etwas weniger brachial verläuft es für Sean Connery. Als gefesselter James Bond bekommt er vom deutschen Bond-Girl Karin Dor in „Man lebt nur zweimal“ (1967) einen Schlag auf die Wange – um kurz darauf nach einer äußerst kuriosen Wendung einen innigen Kuss zu erhalten.

Wie es damals war: Das Wort Ohrfeige ist schon im Mittelalter bekannt. Aus dem Frühneuhochdeutschen am Ende des 15. Jahrhunderts ist „orfige“ belegt. Das spätere niederländische „oorveeg“ könnte als Anlehnung an „vegen“ (fegen, kehren, wischen) oder «veeg» (Streich, Hieb, Schlag) gelten. Doch auch die tatsächliche Feige spielt eine Rolle, da sich nach einem Hieb eine mit der Frucht vergleichbare Schwellung bildet.

„Schon in der Vormoderne war die Ohrfeige dabei vor allem eine Demonstration von Statusdifferenz, nicht zuletzt von Geschlechter- und Generationendifferenz“, schreibt Winfried Speitkamp in seinem Buch „Ohrfeige, Duell und Ehrenmord“. Geschlagen worden sei, um dem Gegenüber seinen niederen Rang deutlich zu machen: Adlige ohrfeigten Bürger, Meister ihren Lehrling, der Vater die Kinder und das Gesinde.

Spätestens im 19. Jahrhundert ist eine Backpfeife zwischen Bürgern – ob aus Emotion oder Kalkül – häufig die Vorstufe zu einem Duell.

Illustration: Shtterstock

„Die Ohrfeige galt als tiefste Demütigung“, so Speitkamp. „Sie traf das Gesicht, ließ den Gegner für einen Moment schutz- und ehrlos, stellte ihn vor der Öffentlichkeit bloß.“

Wie sich Ohrfeigen auswirken können: Heutzutage wird körperliche Gewalt von immer weniger Menschen als Mittel des Konflikts angesehen. Dennoch hielt es Ende 2020 in einer Umfrage des Uniklinikums Ulm zum Beispiel jeder sechste Befragte für angebracht, in der Erziehung ein Kind zu ohrfeigen.

Neben den Auswirkungen auf die Psyche können Backpfeifen je nach Härte auch beträchtliche körperliche Schäden hervorrufen. Trifft die Hand aufs Ohr, kann der Schalldruck das Trommelfell einreißen lassen. Krankheitserreger können eindringen. Es kommt dann zu plötzlichem stechenden Ohrenschmerz. Zudem kann Ohrenflüssigkeit auslaufen, das Gehör eingeschränkt sein oder Tinnitus ausgelöst werden. (dpa)

Oscars 2022: Tragikomödie „Coda“ gewinnt als bester Film – Geredet wird aber vor allem über eine Ohrfeige

Die Tragikomödie „Coda“ erzählt von einer gehörlosen Fischerfamilie. Nun gewinnt der Film den Oscar. Bei der Verleihung in Los Angeles sorgt Will Smith für einen irritierenden Moment.

27.03.2022, USA, Los Angeles: Eugenio Derbez (l-r), Sian Heder, Marlee Matlin, Troy Kotsur, Emilia Jones, Daniel Durant und Amy Forsyth, Gewinner des Preises für den besten Film für ihren Film „Coda“, zeigen im Presseraum der 94. Verleihung der Academy Awards in Hollywood ihre Oscars und das Gebärdenzeichen für „I Love You“ (Ich liebe dich). Foto: Jordan Strauss/Invision/dpa

„Coda“ hat den Oscar als bester Film gewonnen. Regisseurin Siân Heder erzählt darin von einem Mädchen, das in einer gehörlosen Fischerfamilie aufwächst. Der Film gewann insgesamt drei Auszeichnungen, wie die US-Filmakademie in der Nacht zum Montag in Los Angeles bekanntgab.

Erstmals hat damit ein Film eines Streamingdienstes den Oscar in dieser Kategorie geholt. Der Film läuft beim Anbieter Apple TV+.

„Coda“ ist ein US-Remake der französischen Komödie „Verstehen Sie die Béliers?“. Er handelt von der 17-jährigen Ruby, die als einzige in der Familie hören kann. Eines Tages wird sie vor die Wahl gestellt, ob sie ihre eigenen Träume als Sängerin verwirklicht oder die Erwartungen ihrer Familie erfüllt. Als bester Nebendarsteller wurde der gehörlose Schauspieler Troy Kotsur geehrt.

Die meisten Auszeichnungen gingen an das Sciene-Fiction-Epos „Dune“. Ausgezeichnet wurde der Film unter anderem für die beste Filmmusik und die besten visuellen Effekte.

Die Gewinner der 94. Oscar-Verleihung

  • Bester Film: „Coda“ von Siân Heder
  • Regie: Jane Campion für „The Power of the Dog“
  • Hauptdarsteller: Will Smith in „King Richard“
  • Hauptdarstellerin: Jessica Chastain in „The Eyes Of Tammy Faye“
  • Nebendarstellerin: Ariana DeBose in „West Side Story“
  • Nebendarsteller: Troy Kotsur in „Coda“
  • Internationaler Film: „Drive My Car“ von Ryusuke Hamaguchi
  • Kamera: Greig Fraser für „Dune“
  • Original-Drehbuch: Kenneth Branagh für „Belfast“
  • Adaptiertes Drehbuch: Siân Heder für „Coda“
  • Schnitt: Joe Walker für „Dune“
  • Filmmusik: Hans Zimmer für „Dune“
  • Filmsong: „No Time To Die“ von Billie Eilish and Finneas O’Connell
  • Produktionsdesign: Patrice Vermette, Zsuzsanna Sipos für „Dune“
  • Ton: Mac Ruth, Mark Mangini, Theo Green, Goug Hemphill, Ron Bartlett für „Dune“
  • Visuelle Effekte: Paul Lambert, Tristan Myles, Brian Connor, Gerd Nefzer für „Dune“
  • Animationsfilm: „Encanto“ von Byron Howard, Jared Bush
  • Animations-Kurzfilm: „The Windshield Wiper“ von Alberto Mielgo und Leo Sanchez
  • Dokumentarfilm: „Summer of Soul (…Or, When the Revolution Could Not Be Televised)“ von Ahmir „Questlove“ Thompson, Joseph Patel, Robert Fyvolent and David Dinerstein
  • Dokumentar-Kurzfilm: „The Queen of Basketball“ von Ben Proudfoot
  • Make-up/Frisur: Linda Dowds, Stephanie Ingram, Justin Raleigh für „The Eyes of Tammy Faye“
  • Kostümdesign: Jenny Beavan für „Cruella“
  • Kurzfilm: „The Long Goodbye“ von Aneil Karia und Riz Ahmed

Will Smith ohrfeigt Chris Rock auf Oscar-Bühne

Eklat bei der Oscar-Verleihung: Schauspieler Will Smith ist scheinbar wutentbrannt auf die Bühne gelaufen und hat seinem Kollegen Chris Rock eine Ohrfeige gegeben, weil dieser einen Witz über Smiths Ehefrau gemacht hatte. Dann kehrte Smith auf seinen Platz zurück und beschimpfte Rock.

Kurz darauf wurde Smith für seine Rolle in dem Tennisdrama „King Richard“ als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Während seiner emotionalen Dankesrede weinte er. Ohne den Vorfall direkt anzusprechen, entschuldigte er sich bei der US-Filmakademie und den anderen Nominierten – bei Chris Rock jedoch nicht. Er erhielt Standing Ovations der Gala-Gäste.

27.03.2022, USA, Los Angeles: Sean Combs (l-r), Will Smith und Tyler Perry unterhalten sich bei der 94. Verleihung der Academy Awards in Hollywood, nachdem Smith wutentbrannt auf die Bühne gelaufen war und seinem Kollegen Ch. Rock eine Ohrfeige gegeben hat. Foto: Chris Pizzello/Invision/AP/dpa

Der Komiker Rock, bekannt für scharfzüngige Witze, hatte sich in einer launigen Anmoderation an Smiths Frau Jada Pinkett Smith gewandt und mit Blick auf ihren kahlgeschorenen Kopf gewitzelt: „G.I. Jane 2 – ich kann es nicht abwarten, das zu sehen“ – eine Anspielung auf den Film „G.I. Jane“, in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasierte. Jada Pinkett Smith hatte in der Vergangenheit mehrmals über ihren krankhaften Haarausfall gesprochen, eine sogenannte Alopecia.

Zunächst lachte Will Smith noch darüber, während seine Frau das Gesicht verzog. Dann stand er von seinem Platz auf und ging auf die Bühne. Nach der Ohrfeige rief Smith von seinem Sitz aus in Rocks Richtung: „Lass den Namen meiner Frau aus deinem verdammten Mund!“ – dabei benutzte er zweimal das im US-Fernsehen verpönte Wort „fucking“, das in der US-Übertragung mit einem Piepton übertönt wurde.

Rock wirkte nach dem Vorfall leicht konsterniert, fing sich aber schnell wieder und witzelte noch: „Das war die größte Nacht in der Geschichte des Fernsehens.“

Nach dem Ende der Show veröffentlichte der US-Sender ABC eine Mitteilung der Polizei von Los Angeles, wonach diese von einem Vorfall bei der Verleihung wisse, bei dem eine Person eine andere geohrfeigt habe. Der Angegriffene habe es abgelehnt, den Vorfall anzuzeigen. (dpa)

14 Antworten auf “Nach Eklat bei der Oscar-Gala: Die Geschichte der Ohrfeige”

  1. In meinen Augen lieferte Chris Rock den irritierenden Moment des Abends. Seit wann macht man Witze über kranke Menschen? Wer austeilt muss auch einstecken, die Quittung folgte auf dem Fuße!

  2. Will Besser

    Alle Achtung, Will Smith hat Eier und Charakter… was fällt dem anderen Id…ten ein, ein kranke Frau zu beleidigen und das noch witzig zu finden? Und die Oscarheinis mahnen auch noch den falschen ab, wegen einer Ohrfeige die mehr als verdient war. Bin neu Will Smith-Fan!

  3. Robin Wood

    Dass der Moderator sich über kranke Leute lustig macht, ist nicht zu entschuldigen. Aber W. Smith hätte lautstark eine Entschuldigung fordern sollen, statt zuzuschlagen.
    Wo bleibt denn hier der angebliche Vorbildcharakter als Schauspieler, so wie der Vorbildcharakter damals von Sportler Kimmich gefordert wurde?
    Wenn die Ohrfeige keine Konsequenzen für Smith hat (der Moderator verzichtet wohlweislich auf eine Anzeige), scheint es ja so, als wäre es in Ordnung, jemanden zu schlagen, der einen beleidigt.
    Gut, dass wir nicht wissen, was passiert wäre, wenn ein schwarzer Moderator einen weissen Schauspieler bzw. dessen Frau beleidigt hätte und der Weisse hätte den Schwarzen geschlagen. Da hätte man von dem bösen Weissen sicher eine Entschuldigung verlangt und Tausende Menschen hätten sich hin gekniet ob der Brutalität des Weissen einem Schwarzen gegenüber. Verrückte Welt.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern