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Deutschland: Nord Stream 1 ab diesem Montag ohne Gas – Warnung vor einer Rezession

08.07.2022, Mecklenburg-Vorpommern, Lubmin: Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung). Foto: Jens Büttner/dpa

Wie sicher ist die Gas- und Energie-Versorgung in Deutschland? Ab Montagmorgen wird Nord Stream 1, die zuletzt wichtigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland, für eine planmäßige Wartung abgeschaltet.

Unter anderem der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat akute Bedenken geäußert, dass Russland den Gashahn auch nach Abschluss der Wartung nicht mehr aufdrehen könnte. Wie würde es dann weitergehen – und was bedeutet die gedrosselte Gasversorgung schon jetzt?

Derzeit ist die Gas-Versorgung in Deutschland noch stabil. Selbst eine dauerhafte Abschaltung von Nord Stream 1 hätte wohl keine unmittelbaren Konsequenzen. Bei einer Mangellage wäre die Industrie aber als Erste von Abschaltungen betroffen. Als geschützt gelten hingegen private Haushalte, öffentliche Einrichtungen sowie die Gesundheitsbranche, etwa mit Krankenhäusern.

09.04.2010, Russland, Portowaja-Bucht: Ein russischer Bauarbeiter spricht während einer Zeremonie zum Baubeginn der Nord Stream-Pipeline in der Portowaja-Bucht, etwa 170 km nordwestlich von St. Petersburg. Foto: Dmitry Lovetsky/AP/dpa

Vor allem in der energiehungrigen Chemie- und Pharmaindustrie sind die Sorgen vor einem Gasmangel groß. Die Branche ist laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher. Sie braucht Gas als Energiequelle und als Rohstoff zur Weiterverarbeitung in Produkten – etwa in Kunststoffen, Arzneien oder Düngemitteln.

Die Preise für Gas seien „atemberaubend“ hoch, sagte VCI-Präsident Christian Kullmann. Um lieferfähig zu bleiben, stocke die Branche Lager auf, um Kunden im Krisenfall trotzdem weiter versorgen zu können.

„Wir bereiten uns für eine Drosselung oder sogar Einstellung der Gasimporte vor“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Die Unternehmen im Süden und Südosten Deutschlands würden wegen des Pipeline-Systems als Erstes leiden. Im Norden und Westen ist die Versorgung über Häfen hingegen einfacher.

Auch in anderen Unternehmen laufen längst Vorbereitungen für den Ernstfall. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet bei einem Totalausfall russischer Gaslieferungen allerdings trotzdem eine tiefe Rezession in Deutschland.

08.03.2022, Mecklenburg-Vorpommern, Lubmin: Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung). In Lubmin bei Greifswald endet die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, durch die seit 2011 russisches Erdgas nach Deutschland fließt. Foto: Stefan Sauer/dpa

Präsident Peter Adrian sagte der Deutschen Presse-Agentur, der DIHK schließe nicht aus, dass die Wirtschaftsleistung in einem solchen Fall in den Wintermonaten sogar um einen zweistelligen Prozentwert abstürzen könne. Adrian forderte die Bundesregierung zu Entlastungen auf, damit Firmen schneller Alternativen zum Gas einsetzen können.

Wie hoch ist die Gefahr eines Gasengpasses tatsächlich? Beim Blick auf vor kurzem veröffentlichte Berechnungen der Bundesnetzagentur konnte man durchaus in Sorge geraten, denn in immerhin drei von sieben Szenarien ergab sich dabei ein Gasmangel im kommenden Winter.

Eine jüngere Gemeinschaftsdiagnose von mehreren deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten kommt dagegen zum Schluss, dass selbst bei einem sofortigen Komplett-Stopp von Nord Stream 1 auch im ungünstigsten Fall dieses Jahr kein Gasengpass mehr drohe und im kommenden Jahr auch nur in eher ungünstigen Szenarien.

Die Wirtschaftswissenschaftler haben dafür 1.000 Kombinationen aus 26 Faktoren gerechnet, wie Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) erklärt. Dadurch simuliere man verschiedene Szenarien. In der Mitte der Prognosen sehen die Forscher keine Gaslücke mehr in diesem oder kommenden Jahr. Das liegt vor allem daran, dass sich die Speicher gefüllt haben. Völlige Entwarnung geben sie aber nicht. Bei einem kompletten Lieferstopp im Juli ergebe sich für kommendes Jahr im schlimmsten der 1.000 Szenarien eine Gaslücke von 157.600 Gigawattstunden. Nimmt man die Nummer 200 der ungünstigsten Szenarien, sind es aber nur noch 23.800 Gigawattstunden, die fehlen.

Doch was ist mit den hohen Energiepreisen? „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, sagte Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller dem Focus». Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr bedeuten. Da ist die nächste Urlaubsreise oder die neue Waschmaschine dann oft nicht mehr drin.“ Deutschland drohe eine „Gasarmut“. (dpa)

9 Antworten auf “Deutschland: Nord Stream 1 ab diesem Montag ohne Gas – Warnung vor einer Rezession”

  1. wir haben ja selber Nord Stream 2 gestoppt, Milliarden wurden im Sand (bezw. Wasser) gesetzt
    und jetzt haben wir den Salat. Danke den Entscheidungsträger,
    danke das ihr das eigene Volk bestraft.

  2. Hans Eichelberg

    „Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU), hat die Idee von „Wärmeinseln“ für Menschen zurückgewiesen, die im Winter wegen hoher Kosten ihre Wohnung nicht mehr heizen können. „Wärmeinseln für Ärmere bereitzustellen, das kann sicher nicht die Lösung sein“, sagte Klöckner der „Rheinischen Post“. „So weit sollten wir es in Deutschland nicht kommen lassen. Keiner sollte in seinen vier Wänden frieren müssen.“

    Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte angesichts der Gaskrise vorausschauende Maßnahmen für den Winter angemahnt. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg regte an, „Wärmeinseln“ oder Wärmeräume insbesondere für ältere Menschen vorzusehen.

    Das Krisenmanagement von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte Klöckner scharf. „Permanente Panikmache hilft uns allen nicht weiter. Und es mangelt auch nicht an der Beschreibung der Lage, jetzt geht es ums Handeln“, sagte sie. „Wir warten immer noch darauf, dass die Bundesregierung uns ihren Plan vorlegt, sollte das Gas von Russland aus nicht mehr fließen.“ (WELT)

    Der Hauptgeschäftsführer kennt diese „Wärmeinseln“ oder Wärmeräume von den Obdachlosen.
    Selbst die Römer bauten schon vor ca. 2000 Jahren Wärmeräume für ihre Soldaten.

  3. Erleuchtung Jean

    Die Fehlkalkulation des Westens, von Gabor Steingart heute:

    „Der Schuldner kann seiner Bank nicht drohen. Wenn er es trotzdem wagt, wird sie ihn vor die Tür setzen. Oder foltern. Dafür braucht sie keine Streckbank. Sie hat ja ihre Zinsen.

    Der Energiekonsument kann seinem Lieferanten nicht drohen. Wenn der Kunde nervt, dreht man ihm den Hahn zu. Dem bisherigen Abnehmer fehlen dann Warmwasser, Strom, Heizung und womöglich bald auch der Arbeitsplatz.

    Womit wir bei Wladimir Putin wären. Der Westen wollte ihn ökonomisch in die Knie zwingen (Joe Biden: „Die Gesamtheit unserer Sanktionen und Exportkontrollen erdrückt die russische Wirtschaft“) und plötzlich spüren wir den kühlen Lauf seiner Gaspistole an unserer Stirn.“

    ..und die wirtschaftspolitischen Praktikanten, sowie die Mangelwirtschaftler von der Grünen Fakultät bewegen sich jetzt wie Hühner im Hühnerstall, nachdem der Fuchs seinen Streifzug erfolgreich beendet hat.

  4. Ach Erleuchtung Jean

    Na ja, offensichtlich fehlt Ihnen schon die Energie für Ihre Erleuchtung. Sie verweigern sich ja Grundsätzlich zu erkennen, dass die Probleme alt hergebracht sind. Und, ja die Grünen müssen jetzt schnell Lösungen finden, für Probleme, die sie nicht verursacht haben. Auf billiges Gas war jeder scharf. Das hat den Despoten über Jahre stark gemacht und jetzt beschweren Sie sich. Mit welchem Recht? Sie wollen nicht bevormundet werden, gut, jetzt tragen sie ein Teil der Konsequenzen.

  5. Jetzt haben wir den Salat mit den Grünen! Wäre es nicht besser wir hätten uns mit unseren großen Nachbarn vertragen als dem aus weiter Ferne der letztendlich nur seine Geschäfte machen will und uns in den Ruin treibt! Also diese Kindliche Baerbock die zieht den Karren bestimmt nicht aus dem Dreck nein das Gegenteil ist der Fall wo hätte sie es auch gelernt? Nicht in den Hängematten bei ihren Eltern!

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