Politik

Noch 100 Tage bis zur Bundestagswahl: Hat Steinbrück schon verloren?

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Foto: dpa

Am Freitag waren es noch genau 100 Tage bis zur Bundestagswahl am 22. September 2013. Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, kann in den Meinungsumfragen nicht abheben. Seine Kontrahentin, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), ist nach wie vor obenauf. Auch kann sich Rot-Grün gegenüber Schwarz-Gelb nicht behaupten. Haben Steinbrück und die Sozialdemokraten die Wahl schon verloren?

Nur 14% der Deutschen glauben laut Emnid-Umfrage für das Magazin „Focus“, dass Steinbrück Bundeskanzler wird. 78% sind der gegenteiligen Meinung. 96% der Befragten gaben an, sie könnten keine drei Mitglieder von Steinbrücks Kompetenzteam benennen.

Auch unter den SPD-Anhängern schwindet der Umfrage zufolge die Zuversicht. Nur 22% von ihnen rechnen mit Steinbrück als künftigem Kanzler, 73% sehen das nicht so. Selbst bei den SPD-Anhängern gaben 95% an, sie könnten keine drei Team-Mitglieder nennen.

Angela Merkel mit leerer Notizblockseite

Der Kanzlerkandidat der SPD demonstriert trotzdem Zuversicht. „In 100 Tagen kann man das Chaos abwählen, das diese Bundesregierung angerichtet hat“, sagte Steinbrück am Freitag in Berlin. Am Willy-Brandt-Haus starteten 16 Transporter mit Werbeaufstellern, die unter der Überschrift „Merkels eingehaltene Wahlversprechen“ eine leere Notizblockseite zeigen.

Peer Steinbrück letzten Donnerstag als Gast von Maybritt Illner. Foto: dpa

Peer Steinbrück letzten Donnerstag als Gast von Maybritt Illner. Foto: dpa

Es sei bemerkenswert, wie nachlässig beurteilt werde, was Kanzlerin Merkel angerichtet habe, sagte Steinbrück nach dpa-Angaben mit Blick auf zunehmende Ressentiments in Europa gegen Deutschland. Zudem würden plötzlich SPD-Ideen einer Mietpreisbremse kopiert, nachdem Union und FDP erst ein Mietrechtsänderungsgesetz mit Nachteilen für Mieter verabschiedet hätten.

Das Kabinett sei eine „Chaosriege“. Er könne nur darüber lachen, wenn Frau Merkel von der erfolgreichsten Regierung seit der Wiedervereinigung spreche. „Das ist Kabarett und nicht Realpolitik“, sagte Steinbrück, der kürzlich seinen Sprecher Michael Donnermeyer entließ und den früheren „Bild“-Journalisten Rolf Kleine als Nachfolger engagierte. Ob das hilft?

Die Vorstellung seines Kompetenzteams beschäftigt derweil mehr die Kabarettisten als die Kommentatoren der großen Zeitungen.

Pressestimmen zu Steinbrück ziemlich verheerend

Kurzum, das Echo in der deutschen Presse 100 Tage vor der Wahl ist für Steinbrück ziemlich verheerend, wie folgende Auszüge belegen:

Es sieht nicht gut aus für ihn und die SPD: Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Foto: dpa

Es sieht nicht gut aus für ihn und die SPD: Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Foto: dpa

Kieler Nachrichten: „Immer wieder montags, so die Idee des SPD-Wahlkampfteams, sollte der Kanzlerkandidat Menschen für sein Kompetenzteam präsentieren, die für Gesprächsstoff sorgen – und Begeisterung in den Medien. Dass dieses Vorhaben nicht gelingt, war schon früh klar. Doch den Genossen ist das Kunststück gelungen, eine ohnehin schon misslungene Inszenierung mit einem Schlussakt zu beenden, der neue Maßstäbe im Wahlkampf-Versagen setzt. Wer die letzte Vorstellungsrunde mit der selbst produzierten Nachricht torpediert, dass er seinen Sprecher rausschmeißt, sendet eine simple Botschaft: Steinbrücks Team kann es nicht.“

Neue Osnabrücker Zeitung: „Steinbrück trägt selbst die Hauptverantwortung für die miese Lage. Er hat es an Sensibilität mangeln lassen und so der SPD geschadet. Und: Bis zur Wahl bleibt nicht mehr viel Zeit, aus der Defensive in die Offensive zu kommen. Steinbrück muss aber endlich zu alter Angriffslust zurückfinden und Klartext sprechen, ohne in Stolperfallen zu tappen. Ansonsten ist der Wahlkampf verloren. Eine Wende zum Besseren ist freilich nicht in Sicht, stattdessen geht es holperig weiter wie bisher.“

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (hier bei einem Treffen in Berlin im Januar 2012 mit Belgiens Premier Elio Di Rupo) kann 100 Tage vor der Wahl mehr als nur zuversichtlich sein. Foto: dpa

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (hier bei einem Treffen in Berlin im Januar 2012 mit Belgiens Premier Elio Di Rupo) kann 100 Tage vor der Wahl mehr als nur zuversichtlich sein. Foto: dpa

Die Welt: „Dass Steinbrück zunehmend mieser bei den treuen SPD-Milieus ankommt, ist das Ergebnis geopferter Authentizität. Der volkslehrerhafte, mittelschichtige, gutmenschliche Funktionärsbauch der Partei hat Steinbrück zur linken Operette gezwungen, und der gefallsüchtige Hanseat hat das mitgemacht. Das Herz der Partei schlägt nicht höher, wenn sie den Kandidaten reden hört, weil dessen neolinker Sound seelenlos und angelernt dröhnt. Der 150-jährige Kampf der Sozialdemokraten gegen jede Routine der Entfremdung macht nicht vor dem eigenen Kandidaten halt. Jeder Genosse kann googeln. Es ist ein falsches Spiel, bei dem am Ende Partei und Kandidat verlieren.“

Deutsche Presse-Agentur (dpa): „Rot-Grün hofft, dass sich der Nebel legt, je näher der 22. September rückt. Das große Oberthema beider Parteien trifft ja den Nerv vieler Bürger: zurück zu mehr Solidarität, mehr Umverteilung von oben nach unten. Allerdings – wenn ein rot-grünes Thema den Nerv der Bürger trifft, Stichwort Mietpreisbremse, gibt es die Höchststrafe: Lob von der Kanzlerin und ein – etwas verändertes – Plagiat der CDU. Steinbrück wirft Merkel deshalb vor, ‚Etiketten auf leere Flaschen‘ zu kleben. Nur: 2009 zog diese Strategie.“ (cre)

 

12 Antworten auf “Noch 100 Tage bis zur Bundestagswahl: Hat Steinbrück schon verloren?”

  1. Kommentator

    Die SPD hat sich total verhoben mit Steinbrück, aber auch mit Gabriel oder Steinmeier würde sie nicht viel besser dastehen. Trotzdem glaube ich, dass die Wahl noch nicht entschieden ist. Die Wähler legen sich erst spät fest. Mit Flut, Eurokrise usw. kann sich das Blatt schnell wenden.

  2. Vereidiger

    Seltsam, dass gerade in Meinungsumfragen so viel Wert auf den vermeintlichen Bekanntheitsgrad des „Kompetenzteams“ eines Kandidaten gelegt wird. Dabei ist doch sehr vorhersehbar, dass diese Leute gar nicht spontan von Otto-Normalverbraucher genannt oder erkannt werden. Um „Inhalte“ scheint es den Umfragern da überhaupt nicht mehr zu gehen…

  3. Zaungucker

    Die am Anfang des Artikels gestellte Frage kann man spontan und uneingeschränkt mit Ja beantworten.
    Wie die SPD so einen unsympathischen und arroganten Mann als Kanzlerkandidaten aufstellen kann, ist mir schleierhaft.
    Wobei die Antwort natürlich einfach ist: weil weit und breit kein anderer da ist…
    Außer vielleicht Hannelore Kraft.
    Das hätte dann ein Duell Mutti gegen Mutti gegeben.

    • Holger Scheel

      Wobei es auch bezeichnend ist, Frau Kraft als Alternative zu den Herren Steinbrück, Gabriel und Steinmeier zu nennen. Ein Übermaß an Kompetenz ist ihr ja nun wahrlich nicht vorzuwerfen. Sie lebt davon, als blonde Landesmutti sozialkompatible Sprüche zu klopfen, aber inhaltlich ist ihre Politik eine absolute Nullnummer. Bei jeder Gelegenheit betont sie, sie habe NRW im Herzen. Wäre schön, wenn sie es auch mal im Kopf hätte…
      Ich bin ja kein Freund der Sozialdemokraten, aber statt Schulden-Hanne würde ich mich dann noch lieber von Karl-Heinz Lambertz regieren lassen. Der polarisiert wenigstens noch richtig… ;-)

  4. Vizekanzler

    Es ist wirklich erstaunlich, wie schlecht eine Partei wie die SPD personell aufgestellt ist, um eine Alternative zu Frau Merkel zu bieten. Steinbrück hat dennoch eine Chance, da Vieles vom Abschneiden der kleineren Parteien, Grüne, Linke und FDP und ggf. den Piraten und der Alternative für D, abhängt. Die werden letztlich die Wahl bzw. die Regierungsbildung entscheiden. Womöglich ist die einzige tragfähige Mehrheit allerdings dann allein eine Große Koalition mit der SPD als Juniorpartner und Steinbrück als Vizekanzler.

      • Pirat auf sinkendem Schiff ...

        Kann nur hoffen, dass die Piraten wieder von der Bildfläche verschwinden. Ein Partei ohne jegliche Programmatik und Legitimation.
        Die Alternative für D schwimmt ein wenig auf der Europa- und Euroskepsis … Populisten wie … Vivant mit einfachen und einfältigen Lösungen für komplizierte Probleme

  5. guido scholzen

    70% aller Verordnungen werden von EU getroffen. In dem Sinne ist es doch pipp-egal, wer nationaler Regierungschef wird. Wenn Brüssel sagt „Geld her“, dann wird nicht gefragt, dann wird sofort gezahlt. Ohne deutsches Geld wäre die EU sowieso handlungsunfähig. Wenn nach Berlin wirklich mal ne Type käme, der in Sachen Geld einfach mal „NEIN“ sagen würde, dann würde ich mich auch für den BUndeswahlkampf interessieren. So aber ist’s im Grunde sch…egal.

    • Wer stellt denn mal den Scholzen G. aus Sch. ab? Auf ne einsame Insel! Ohne google! Der schreibt sich noch einen ab über alles und alles! Von Schreibstil gar nicht zu reden! Egoistisch beleidigend (das kann ich auch): In allen Foren, Gästebüchern, Leserbriefen ist er zu finden mit seinem Sch…! Schon als BIB-Student war er eine Nummer für sich und berüchtigt wegen seiner idiotischen Ideen; Wer über ihn in seinem Dorf nachfragt, erntet nicht nur Kopfschütteln. Scholzen, lass es einfach! Tu Ostbelgien einen Gefallen!

      • Guido Scholzen

        Ach, was lese ich denn da Schönes: Da meldet sich eine gewisse „Erika“, oder soll ich besser sagen, ein gewisser Herr aus S.? Ich bin lieber ein Mensch mit komischen Ideen, als ein hinterfotziger Spießbürger. Vielleicht sollte man gewisse Leute aus S. auf eine einsame Insel verfrachten; viele Eifler hätten bestimmt nichts dagegen.
        Meine Meinung zur Bundeskanzlerwahl kommt übrigens aus Deutschland, aber verklemmten Deutschhassern (ich will jetzt keine Namen mehr nennen) ist das sowieso egal.

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