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Drei Monate nach Beginn des Angriffskrieges: Ein Sieg Russlands über die Ukraine ist immer weniger möglich

23.05.2022, Ukraine, Dmytriwka: Autos fahren an zerstörten russischen Panzern vorbei, die bei einem Gefecht gegen ukrainische Soldaten in dem Dorf Dmytriwka in der Nähe von Kiew eingesetzt wurden. Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa

Der am 24. Februar begonnene Krieg Russlands in der Ukraine hat seine Ziele nicht erreicht. Wie lange ist die Bevölkerung auch nach drei Monaten Krieg bereit, die Augen vor Gräueltaten zu verschließen und den absehbar noch hohen Preis zu bezahlen?

Drei Monate nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat Präsident Wladimir Putin sein Land in eine Situation militärischer und wirtschaftlicher Schwäche manövriert.

Es sind nicht nur die Misserfolge auf dem Schlachtfeld. Auch aus einem weiteren Blickwinkel wendet sich die Lage zur Ungunst Moskaus: Das Schwarze Meer ist für die Flotte praktisch blockiert, die Ostsee wohl bald schon ein Binnenmeer fast ganz umgeben von Nato-Staaten, die dann bis in den höchsten Norden an Russland grenzen. Und wird das machtbewusste China einem nach Alternativen suchenden und sanktionierten Russland noch Augenhöhe zugestehen?

08.05.2022, Russland, Moskau: Wladimir Putin, Präsident von Russland, nimmt im Anschluss an die Militärparade zum „Tag des Sieges“ an einer Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten teil. Foto: Anton Novoderezhkin/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Schon jetzt seien die Verluste Russlands in der Ukraine so hoch wie die der Sowjets in Afghanistan, schätzte der britische Geheimdienst am Montag – und geht davon aus, dass das bald auch die öffentliche Meinung in Russland beeinflussen werde.

Dazu kommen die Folgen für Betriebe und Staatseinnahmen in Russland. Der Verkauf von fossiler Energie garantiert keine stabilen Einnahmen mehr, auch wenn Öl und Gas auf den Weltmärkten zu Höchstpreisen gehandelt werden. Auch der „brain drain“ – der Verlust schlauer Köpfe aus den Technikbranchen – kann zum Problem für Russland werden.

Putin müsse für seine „Barbarei“ in der Ukraine einen hohen Preis bezahlen, forderte US-Präsident Joe Biden. Er könne die Ukraine nicht besetzen. „Ich glaube, Putin versucht, die Identität der Ukraine auszulöschen“, warnte der US-Präsident, der Milliardenbeträge für die Verteidigung der Ukraine bereitstellt. Moderne und schwere Waffen schicken auch die Europäer. Der ganze Krieg ist für das westliche Bündnis wie eine sicherheitspolitische Frischzellenbehandlung.

Moskau musste seine Ziele dagegen deutlich runterschrauben und forciert Angriffe auf Sjewjerodenezk und Lyssytschansk. Der Ballungsraum um die ehemaligen Großstädte ist der einzige Flecken in der Region Luhansk im Osten der Ukraine, den die kiewtreuen Truppen noch halten. 90 Prozent des Territoriums haben die prorussischen Separatisten mithilfe der Moskauer Truppen inzwischen erobert.

23.05.2022, Ukraine, Charkiw: Bestatter senken den Sarg des 32-jährigen ukrainischen Soldaten Oleksander Matyukhin in ein Grab ab. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

Zum Vergleich: Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine kontrollierten die Separatisten weniger als ein Drittel des Gebiets. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte am Freitag, die „Befreiung der Luhansker Volksrepublik“ stehe kurz vor dem Abschluss.

Und doch ist der Kreml von seinen Kriegszielen weiter entfernt als noch zu Beginn der sogenannten „militärischen Spezialoperation“. Genau definiert wurden die Ziele in der Öffentlichkeit nicht, auch um sich Spielraum offen zu lassen. Doch neben der Eroberung der Gebiete Donezk und Luhansk wurde auch offen mit dem Anschluss weiterer, vorwiegend russischsprachiger Regionen der Ukraine geliebäugelt – einem Gürtel von Charkiw bis Odessa – sowie die „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ der Ukraine deklariert. Diese Worte konnten nichts anderes als den geplanten Sturz der Regierung in Kiew bedeuten.

Folgerichtig zielte der russische Angriff von Anfang an auch direkt auf die ukrainische Hauptstadt. Mit dem erbitterten Widerstand der Ukrainer hatte in Moskau niemand gerechnet. Alexej Leonkow, Militärexperte des kremlnahen Journals „Arsenal des Vaterlands“, räumte Kiew am Tag des Überfalls zwei bis drei Tage bis zur Kapitulation ein.

Alexander Lukaschenko, Machthaber in Belarus, der den russischen Truppen bereitwillig sein Land als Aufmarschgebiet für den Angriff auf die Ukraine überließ, sprach noch vor dem Krieg im russischen Staatsfernsehen von drei bis vier Tagen, die so eine Auseinandersetzung im Fall des Falles dauern würde.

11.04.2022, Ukraine, Kiew: Dieses Videostandbild zeigt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, während einer Videobotschaft am Montag. Foto: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Geschafft wurde – aus russischer Sicht – wenig. Die Truppen vor Kiew musste der Kreml zurückziehen. Im Süden wurde mit Cherson nur eine einzige Gebietshauptstadt erobert. So muss schon die Eroberung der inzwischen völlig zerstörten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine, als größter militärischer Erfolg herhalten.

Nach dem Scheitern der Offensive vor Kiew ist Ernüchterung eingekehrt. Selbst in Moskau gibt es trotz allem nach außen hin demonstrierten Zweckoptimismus erste Eingeständnisse von Unzulänglichkeiten. Russlands ehemaliger Innenminister Raschid Nurgalijew, inzwischen Vizesekretär des nationalen Sicherheitsrats, sprach von „Schwierigkeiten“, Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow gar von „Fehlern“, die am Anfang der Operation gemacht worden seien.

Nach den russischen Geländegewinnen der ersten Woche ist die Front weitgehend erstarrt. Selbst die Fokussierung auf den im Osten der Ukraine gelegenen Donbass hat keinen Durchbruch gebracht. Wo die Russen den Ukrainern an Feuerkraft voraus sind, haben diese wiederum dank der Drohnen eine bessere Übersicht und höhere Trefferquote und können so Durchbruchsversuche von Infanterie und Panzern zumeist rechtzeitig stoppen. Die urbane Bebauung bietet den Verteidigern dabei deutliche Vorteile.

Für die Ukrainer ist das Stoppen der russischen Offensive ein strategischer Sieg. Kiew mobilisiert seit Monaten neue Truppen, während Moskau mit dem Schritt zögert, auch weil eine Mobilmachung den eigenen Erfolgsmeldungen und dem Standpunkt widerspricht, dass es sich um eine begrenzte „Spezialoperation“ und nicht um einen vollwertigen Krieg handelt.

22.05.2022, Ukraine, Mariupol: Ein Militärfahrzeug steht im Stahlwerk Azovstal. Am 20.05.22 hatten sich die letzten gut 500 ukrainischen Soldaten in Asovstal ergeben. Das Werk war das letzte Stück der strategisch wichtigen Stadt im Südosten der Ukraine, das bis dahin noch nicht komplett unter russischer Kontrolle stand. Foto: Victor/XinHua/dpa

Sicher scheint aber, dass Russland mit dem derzeitigen Kräfteeinsatz nicht in der Lage ist, noch wesentlich voran zu kommen. Ob die frischen und mit westlichen Waffen ausgestatteten ukrainischen Truppen eine Wende erzwingen können, bleibt abzuwarten.

Genau wird in den Nato-Staaten der Verlauf der Kämpfe beobachtet. Für detaillierte Lehren sei es zu früh, sagte der deutsche Heeresinspekteur, Generalleutnant Alfons Mais, der Deutschen Presse-Agentur. Die Fehler der russischen taktischen Führung seien zu dominant, der bisherige Kriegsverlauf in hohem Maße durch ukrainischen Stärken geprägt, die aus Sicherheitsgründen zu recht noch sehr zurückhaltend offen gelegt würden.

„Ich befürchte, dass wir kein schnelles, klares Ende dieses Konfliktes vor uns haben, sondern dass es in ein zähes Ringen, vielleicht in einen ‚frozen conflict’ mündet“, sagte Mais. „Insgesamt bleibt unter dem Strich: Vertrauen zu zerstören dauert einen Tag, es wieder aufzubauen dauert Jahre. Wichtig ist daher, dass wir im Bündnis zusammen halten!“ (dpa)

Zum Thema siehe auch folgende Artikel auf OD:

22 Antworten auf “Drei Monate nach Beginn des Angriffskrieges: Ein Sieg Russlands über die Ukraine ist immer weniger möglich”

  1. Das Gegenteil ist der Fall! Der Osten ist bald in einem Ausmass erobert, dass es den Plan B der Russen erfült. Dann wird doch ein Graben gezogen samt Mauer und Stacheldraht und die Ukraine ist nach 2014 erneut Territorium los auf nimmer Wiedersehen. Das war es dann. Fakten wären dann geschaffen und eine Offensive der Ukrainer mit unserem Geld und unseren Waffen, wohl der alte Schrott, würde als Reaktion weiteren Blutzoll erfordern, mitamt erneuter Niederlage.

  2. HEINZ P.

    Ich habe das Gefühl das der Ukrainische Präsident
    Die Europäer in den Krieg hinein ziehen will
    Wir täten zu wenig für sie : zu wenig Waffen , immer mehr Geld und und und
    Und die in Brüssel machen das Spiel mit
    Ich hoffe nur das das Gut geht

  3. Heinz.P
    So ein Schwachsinn hab ich noch nie gelesen, warum soll der Ukrainische Präsident die Europäer in den Krieg ziehen er kann ja nichts dazu das die Russen die Ukraine überfallen hat, genauso Brüssel ist nicht Schuld , Berlin mit Scholz und die SPD sind die Bremser,jeder blickt es wenn Putin die Ukraine hat geht er weiter die Nato und eu sind ihm Scheißegal einzig vor Finnland und Schweden hat er Angst, denn Finnland versagte Stalin schon vor Jahren Schweden hat eine Insel Gotland und die braucht er um die ganze eu zu überwachen, unsere Politiker haben bedenken mit Waffen bis er vor der Türe steht dann sagen sie wie Kaiser Wilhelm nach dem verlorenen Krieg das habe ich nicht gewollt,dann haute er ab nach Holland ins Exil

  4. der heilige josef

    Die meisten westlichen Medien sind einer gewissen Fantasierhetorik anheimgefallen wenn sie über die aktuelle Lage in der Ukraine berichten. Das ist nicht verwunderlich der Westen liefert Waffen der Westen bildet Soldaten aus und betreibt die Aufklärungsarbeit für die Ukraine. Da ist es doch nur logisch wenn sich der Westen auch an der Kriegspropaganda beteiligt, so weit ist es leider gekommen mit unseren Medien, es gibt keine kritische Berichterstattung mehr. Man erinnert sich dadurch zwangsläufig an den Krieg im Irak im Jahre 2003 und an den früheren irakischen Informationsminister Muhammad as Sahhaf den meisten allerdings als Comical Ali bekannt. Jede Pressekonferenz mit ihm war ein besonderes Ereignis wenn man auch in Kriegszeiten den Sinn für Humor nicht verloren hat. So sagte er unter anderem die US Soldaten begehen angesichts der irakischen Überlegenheit scharenweise Selbstmord in der irakischen Wüste oder als schon Geschützdonner im Hintergrund zu hören war, da sagte er das sind nur hohle Geräuschbehälter die von den Amerikanern abgeworfen werden.

  5. Hans Eichelberg

    New York Times, 20.05.22:
    „Die einflussreichste Zeitung der Welt fordert den US-Präsidenten auf, Selenskyj Grenzen aufzuzeigen. Krieg mit Russland sei nicht in Amerikas Interesse.
    Auch warnt die New York Times vor einem verfrühten Siegestaumel. Es sei verlockend, die verblüffenden Erfolge der Ukraine gegen die russische Aggression als Zeichen dafür zu sehen, dass die Ukraine mit ausreichender amerikanischer und europäischer Hilfe kurz davor stehe, Russland auf seine Positionen vor der Invasion zurückzudrängen. „Doch das ist eine gefährliche Annahme.“

    Ein militärischer Sieg der Ukraine über Russland, bei dem die Ukraine das gesamte Gebiet, das Russland seit 2014 erobert hat, also den gesamten Donbass und die Krim, zurückerobert, sei kein realistisches Ziel. Russland bleibe zu stark und Putin habe zu viel persönliches Prestige in die Invasion investiert, um einen Rückzieher zu machen.
    Die Vereinigten Staaten und die Nato seien bereits militärisch und wirtschaftlich stark involviert. „Unrealistische Erwartungen könnten sie immer tiefer in einen kostspieligen, langwierigen Krieg hineinziehen. Russland, wie angeschlagen und ungeschickt es auch sein mag, ist immer noch in der Lage, der Ukraine unsägliche Zerstörungen zuzufügen, und ist immer noch eine nukleare Supermacht mit einem verärgerten, unbeständigen Despoten, der wenig Neigung zu einer Verhandlungslösung gezeigt hat.“

    Die Inflation sei für die amerikanischen Wähler ein viel größeres Problem als die Ukraine, und die Störungen auf den globalen Lebensmittel- und Energiemärkten werde diese wahrscheinlich noch verstärken.“

  6. Wie sich halt die Propaganda ändert…
    2014 bis ca. 2017 waren die Zeitungen mit Berichten der ukrainischen „Asow“/“Azov“ Brigarde nicht gerade positiv…

    https://images.squarespace-cdn.com/content/v1/5c749248797f745a60b6fa20/1646400981115-S1QCB9R8FR7LB6VAFYSE/Azov_Battalion_Nazis.jpeg?format=1500w

    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/ukraine-deutsche-soeldner-heuern-bei-rechtsextremem-freiwilligenbataillon-an-a-1177400.html

    Jetzt sind es die Helden, die ein Stahlwerk verteidigen bzw. verteidigt haben.
    https://www.welt.de/politik/ausland/article238863083/Mariupol-Asow-Kommandeur-raeumt-erstmals-oeffentlich-Kapitulation-ein.html

  7. „Drei Monate nach Beginn des Angriffskrieges: Ein Sieg Russlands über die Ukraine ist immer weniger möglich“. Da ist aber jemand verdammt falsch informiert und desinformiert mächtig… Lesen Sie mal die Beiträge auf
    https://reseauinternational.net/
    Wenn die UK-Reine doch so sehr „gewinnt“, wieso bemüht sich plötzlich der General Milley um eine Waffenruhe?

  8. Jürgen Margraff

    Es wird falls nix passiert & die hiesigen Politiker mal nicht gelogen haben, im Endeffekt doch zur Lieferung westlicher Waffensysteme kommen müssen, ganz einfach weil das alte sowjetische Zeug das noch bei diversen NATO Mitgliedern vorhanden ist, so langsam zur Neige geht. Also sollten im Umkehrschluss ukrainische Soldaten hierzulande an hiesigen Waffensystemen ausgebildet werden und zwar jetzt schon, denn die alten T72, BMP1 und sonstige D30 werden zu Jahresende wohl nur mehr Schrottwert haben. Dann braucht es Lieferungen schwerer westlicher Waffensysteme… Die UA hat mobil gemacht, d.h. ein Haufen Rekruten werden zur Zeit darauf vorbereitet an die Front geworfen zu werden. Sobald das realisiert werden kann, sollte die Truppe die jetzt noch kämpft zum Anlernen auf unsere Waffensysteme hierher verlegen mitsamt ihrer Auffrischungstruppe, Ukrainische Piloten sollten jetzt bereits auf Rafale oder F16 bzw F/A18 angelernt werden, die kriegen nie mehr MIGs oder Suchois, es sei denn sie klauen den Russen einige, aber selbst das ist illusorisch. Wenn die Aussage das die Ukraine nicht verlieren darf, so stimmt, werden wir nicht daran vorbeikommen sie dementsprechend auszurüsten.

  9. Erleuchtung Jean

    „Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj fehlende Verhandlungsbereitschaft vorgeworfen.

    Wolodymyr O. Selenskyj hatte zuvor gesagt, er werde nur mit Kremlchef Wladimir Putin direkt verhandeln und das erst, wenn Russland sich auf die Grenzen vor dem 24. Februar zurückziehe. „Dass das nicht ernsthaft ist, muss man niemandem erklären und beweisen“, sagte Lawrow der Agentur Interfax am Donnerstag.“

    Am Sichersten ist es, die Aktion weiterlaufen lassen und Wodka trinken.

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