Gesellschaft

Trauer und Rätseln über das Motiv nach der Todesfahrt von Münster

08.04.2018, Münster: Eine Frau legt am Tatort Blumen nieder. Ein Mann war am 07.04. mit einem Kleintransporter vor der Gaststätte „Großer Kiepenkerl“ in der Altstadt in eine Gruppe von Menschen gerast und hat zwei von ihnen getötet. Foto: Marius Becker/dpa

AKTUALISIERUNG – Warum fährt ein Mann in Münster in eine Menschengruppe und erschießt sich dann selbst? Noch haben Staatsanwaltschaft und Ermittler keine Antwort darauf. Doch nach und nach werden die Puzzleteile zusammengesetzt.

Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster suchen die Ermittler weiter nach einem Motiv des Täters. Unter die Trauer in der Stadt mischte sich aber auch Lob – für die Bürger, die Rettungskräfte und die Medien.

Die Polizei gab am Sonntag außerdem bekannt, dass sie keine weiteren Täter suche. Es gebe keine Hinweise, dass noch weitere Verdächtige an dem Verbrechen beteiligt gewesen seien – man gehe von der Tat eines Einzeltäters aus, sagte eine Polizeisprecherin. Zunächst waren die Ermittler Zeugenaussagen nachgegangen, wonach zwei Menschen aus dem Auto gesprungen und geflüchtet sein sollten.

08.04.2018, Münster: (l-r) Markus Lewe (CDU), Oberbürgermeister von Münster, Horst Seehofer (M, CSU, Bundesinnenminister, und Armin Laschet (r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, legen vor dem Brunnen an der Gaststätte „Großer Kiepenkerl“ in der Altstadt Blumen nieder. Foto: Marcel Kusch/dpa

Einige der mehr als 20 Verletzten waren zunächst weiter in Lebensgefahr. Ihr Zustand hatte sich laut Polizei über Nacht nicht verändert. Die Ermittler suchen derweil weiter nach Motiv und Hintergründen für das Verbrechen. Nach dpa-Informationen handelte es sich womöglich um einen psychisch labilen Einzeltäter.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) traten am Sonntagmittag gemeinsam vor die Presse und sprachen Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl aus. „Wir hoffen inständig und beten dafür, dass die Verletzten wieder gesund werden“, so Seehofer. Er und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dankten Polizei und Sicherheitskräften – und auch den Medien, die sich verantwortungsbewusst verhalten und „sachgerecht“ berichtet hätten.

„Ihnen als Pressevertreter möchte ich sehr herzlich danken, dass sie die Bitte aufgenommen haben, nur das zu berichten was Fakt ist“, sagte Reul. Er bekräftigte auch die bisherigen Erkenntnisse: Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe ein Einzelner gehandelt, er sei Deutscher, es gebe keinen islamistischen Hintergrund. Seehofer und Reul betonten auch, dass es nie absolute Sicherheit geben werde. „Das geht nicht. Wir können nur das Bestmögliche machen“, so Reul.

08.04.2018, Münster: Bestatter verladen vor dem Kiepenkerl einen Leichnam in ein Fahrzeug. Ein Mann war am Nachmittag in Münster mit einem Kleintransporter in eine Gruppe von Menschen gerast und hat zwei von ihnen getötet. Foto: David Young/dpa

Laschet lobte die Besonnenheit und Solidarität der Münsteraner nach der Tat. Es würde sich wünschen, dass „diese besondere Münsteraner Erfahrung einer Friedensstadt“ auch diejenigen erreicht hätte, die „ganz schnell bei Twitter und anderswo wieder das Hetzen begonnen haben“. Für die Opfer sei die Religion der Täter egal, sie hätten einen Menschen verloren. „Und diesen Respekt sollte man immer im Blick haben.“

Die Leitende Oberstaatsanwältin von Münster, Elke Adomeit, sagte, dass der mutmaßliche Täter der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt gewesen sei. Es habe drei Verfahren in Münster gegeben und eines in Arnsberg aus den Jahren 2015 und 2016 – sie seien alle eingestellt worden. Es ging damals um eine Bedrohung, Sachbeschädigung, eine Verkehrsunfallflucht und Betrug. Man müsse den Sachverhalt der Verfahren noch aufklären.

„Aber auf den ersten Blick haben wir hier keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität, die wir bei dem Täter feststellen konnten“, sagte Adomeit.

Die Polizei durchsuchte insgesamt vier Wohnungen des Amokfahrers, aus denen sich keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv ergaben. „Wir haben seit gestern Nachmittag in der ganzen Nacht die Wohnungen des Täters durchsucht“, sagte Polizeipräsident von Münster, Hajo Kuhlisch. Zwei davon lägen in Ostdeutschland, zwei in Münster. „Die erste, doch schon etwas intensivere Durchsicht hat keinerlei Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben.“ Die Ermittler gingen daher davon aus, „dass die Motive und Ursachen in dem Täter selber liegen“. Das sei ein vorläufiger Stand, betonte Kuhlisch.

07.04.2018, Münster: Eine Aufnahme des Internetdienstes Google Streetview zeigt die außenstehenden Tische und Stühle des Lokals Kiepenkerl in der Strae Spiekerhof nördlich des Doms. Vor dem in der Straße gelegenen Lokal fuhr ein Lastwagen in eine Gruppe sitzender Menschen. Foto: Google/dpa

Um 15.27 Uhr am Samstag hatte ein Mann einen silberfarbenen Campingbus im Zentrum in eine Menschengruppe vor einer beliebten Gaststätte gefahren und sich danach im Wagen erschossen.

Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt erläuterte: „Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen handelt es sich bei dem Fahrer vermutlich um einen 48-jährigen Mann aus Münster.“ Nach Informationen von „faz.net“ stammt der Mann aus Olsberg im Sauerland. Er habe schon lange in Münster nahe dem Tatort gelebt.

Die Polizei identifizierte inzwischen auch die beiden Todesopfer. Demnach handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken. In der Uniklinik gab es außerdem mehrere Notoperationen. Insgesamt würden vier Schwerstverletzte behandelt, sagte eine Sprecherin.

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Amokfahrers fand die Polizei eine nicht brauchbare Maschinenpistole vom Typ AK47, wie es hieß. Die Beamten hätten eine Dekorationswaffe und Feuerwerkskörper gefunden. Auch unmittelbar nach der Amokfahrt hatten sich die Einsatzkräfte dem Campingbus mit großer Vorsicht genähert, da Beamte Drähte sahen, die ins nicht einsehbare Fahrzeuginnere führten.

07.04.2018, Münster: Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen in der Innenstadt, nachdem ein Kleintransporter in eine Menschenmenge gerast ist. Foto: -/dpa

Experten des Landeskriminalamts aus Düsseldorf hätten dann das Fahrzeug auf mögliche Gefahren ausgiebig untersucht und letztlich Entwarnung gegeben. Ermittler fanden im Wagen die Waffe, mit der sich der Täter erschossen hatte, sowie eine Schreckschusswaffe und rund ein Dutzend Feuerwerkskörper.

Auch die Polizei lobte das besonnene Verhalten der Menschen. „Die Polizei konnte die notwendigen Maßnahmen schnell und reibungslos treffen“, erklärte der Einsatzleiter, Polizeidirektor Martin Fischer. „Alle haben sich vorbildlich verhalten und den Tatortbereich sehr schnell verlassen.“

Bereits am Samstagabend versammelten sich Bürger, um gemeinsam zu trauern. Im Paulus-Dom in Münster gibt es am Sonntagabend einen ökumenischen Gedenkgottesdienst, den Bischof Felix Genn leiten will. (dpa)

41 Antworten auf “Trauer und Rätseln über das Motiv nach der Todesfahrt von Münster”

  1. TRUCKER bill

    Es zeigt sich ja dass wir die totale Sicherheit nie haben werden.
    Ob diese Tat nun von einem Ausländer , oder von einem einheimischen verübt wurde ist meiner Meinung nach nicht das Problem.
    Jede solche Tat nimmt unschuldige mit die weder für die persönliche Lage noch für politisch getroffen Entscheidungen was können.
    Mehrere Tote- vieleicht wieder eine Familie ohne Vater oder Mutter, Kinder die ihr Leben noch vor sich hatten……………
    Vielmehr sollte endlich mal versucht werden zu ergründen warum und weshalb solche Taten verübt werden da man uns nicht überall, egfal wann und wo schützen kann.
    Menschen brauchen Perspektiven und Zukunft , wird ihm dies genommen so sucht er nach Ursachen und macht andere mit für seine Lage verantwortlich und die Folgen sehen wir hier.

    • Rehaklient

      Das Problem ist so vielschichtig so das sie es nicht ergründen können. Religion, Frust, Neid, Depression, Drogenabhängigkeit, Enttäuschung, Rache, Mordlust, geistesgestört, Rassismus, ….

      • Islamismus ist im Gegensatz zum Islam keine Religion, sondern eine terroristische Ideologie, die auch von fast allen Muslimen strikt abgelehnt wird. Es gibt mehrere Terrororganisationen (DAESH/IS, Boko Haram usw.), die sich mit kleinen Unterschieden auf diese Ideologie berufen.

        In Saudi-Arabien, der Heimat des Islam, stehen die Zeichen der Zeit momentan hingegen in Richtung auf eine weltliche Öffnung, auf eine starke rechtliche Verbesserung der Rolle der Frau in der Gesellschaft, und nicht zuletzt steuert das Land auf eine Anerkennung des Staates Israel zu.

        Davon abgesehen:
        Ja richtig, es gibt soziale Spannungen wegen Unterschieden in der Religionsausübung, die einige zum Vorwand genommen haben, Anschläge auf zum Beispiel christliche, muslimische, jüdische oder heidnische Einrichtungen zu verüben. Zu so etwas gehört aber immer auch ein anderes eigentliches Motiv, in der Regel ein psychopathisches und/oder politisch-ideologisches.

  2. Polarlicht

    Man kann in psychisch kranke Menschen leider nicht hinein schauen…meist suchen sie selbst gar nicht nach Hilfe, weil sie sich schämen oder was auch immer.
    Schlimm auf jeden Fall, schockierend ja. Allerdings muss ich zugeben, dass auch mein erster Gedanke “ Terror Attentat“ war…

    • Ich kann Ihren ersten Gedanken nachvollziehen und finde es gut, dass Sie sich zu Ihren Gedanken bekennen.

      Andererseits:
      Wir leben in einer seltsam voreingenommenen Welt, in der die sozialen Medien unsere Gedanken beherrschen. Ich erinnere mich nur an ein einziges Autoattentat in Deutschland, und doch sind unsere Gedanken davon bestimmt. Und ich höre, dass die durchaus notwendige #MeeToo-Debatte Männer soweit verstören soll, so dass sie sich nicht mehr trauen, Frauen in den Mantel zu helfen; andere berichten ihren Therapeuten sogar, dass sie seitdem unter Erektionsstörungen leiden würden.

      Sascha Lobo hat mich darauf hingewiesen, dass die Verfolgung und Vertreibung der Rohingya durch Shitstorms auf sozialen Medien ausgelöst wurde. Insofern sehe ich auch die #MeToo-Debatte kritisch und mag eine Lynchjustiz-Komponente nicht ausschließen. Dieselbe Idee von Lynchjustiz habe ich im Zusammenhang mit Terrorakten.

  3. Vertuscht

    In den Medien wurde erst von 2 Männern berichtet, die das Terrorfahrzeug verlassen haben. Foto des Fahrers wird nicht veröffentlicht. Hat der Fahrer Selbstmord gemacht oder wurde er vielleicht erschossen,da er von jemanden unter Waffengewalt gezwungen wurde. Man liest immer mehr Ungereimheiten und davon, dass man vor der Bevölkerung wieder einiges vertuschen will. Hoffentlich kommt das alles mal raus, wer wirklich die Drahtzieher des Anschlags sind. Presse ist eh nur noch Lügenpresse.

    • Tom Jones

      Leider gibt es immer wieder solche Gerüchte.
      Manchmal wird sogar behauptet, dass Terroropfer von der Regierung bezahlte Schauspieler sind. Wenn solche Gerüchte erst in der Welt sind, sind sie kaum noch aufzuhalten, weil Verschwörungstheoretiker sie zu gerne glauben wollen. Da helfen dann auch keine Argumente oder Fakten mehr.

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