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Selbst mit „Vivaldi“ gäbe es ein paar schiefe Töne: Kann man Belgien ohne Mehrheit in Flandern regieren?

Das Vivaldi-Denkmal in Wien. Foto: Shutterstock

Seitdem König Philippe am letzten Freitag Egbert Lachaert (Open VLD) und Conner Rousseau (SP.A) als „Vor-Regierungsbildner“ eingesetzt hat, sind viele Beobachter zuversichtlich, dass es wohl bis zum 17. September, wenn die Sondervollmachten für die amtierende Regierung von Sophie Wilmès (MR) auslaufen, eine „Vivaldi“-Regierung auf föderaler Ebene geben wird. So sicher ist das aber nicht.

Benannt wird eine „Vivaldi“-Koalition nach dem bekanntesten Werk „Die vier Jahreszeiten“ des Komponisten Antonio Vivaldi (1678-1741). Sie umfasst die vier politischen Familien Belgiens, nämlich die Sozialisten (PS und SP.A), die Liberalen (Open VLD und MR), die Grünen (Groen und Ecolo) sowie die Christdemokraten (in diesem Fall die CD&V).

Joachim Coens, Vorsitzender der flämischen Christdemokraten (CD&V), stellt Forderungen, die nicht leicht zu erfüllen sind. Foto: Benoit Doppagne/BELGA/dpa

Bereits am Samstag dämpfte CD&V-Parteichef Joachim Coens die Erwartungen, indem er gegenüber dem VRT-Sender Radio 1 betonte, dass es nach dem heutigen Stand der Dinge noch viele inhaltlichen Differenzen gebe. Außerdem wolle seine Partei, dass bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen die flämische N-VA in die Gespräche einbezogen wird, wenn es um das Thema Staatsreform gehe.

Die CD&V hatte bisher immer gefordert, dass eine föderale Regierung nur mit der N-VA gebildet werde und über eine Mehrheit in Flandern verfügen müsse, was bei einer „Vivaldi“-Koalition nicht der Fall wäre. Open VLD, Groen, SP.A und CD&V vertreten nach dem Ergebnis der letzten Parlamentswahlen von Mai 2019 nur 48 Prozent der flämischen Wähler.

Auch zu einer möglichen weiteren Staatsreform gäbe es Differenzen zwischen denjenigen, die noch mehr Zuständigkeiten vom Föderalstaat an die Regionen übertragen wollen, und anderen, die neuerdings von einer „Reföderalisierung“ sprechen, also von einer Rückübertragung von Befugnissen von den Teilstaaten an den Föderalstaat, etwa im Gesundheitswesen.

28.08.2020, Belgien, Brüssel: Egbert Lachaert, Vorsitzender der Open VLD, spricht nach einem Treffen mit König Philippe im Königspalast mit den Medien. Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa

Dann wäre auch noch das neue Abtreibungsgesetz, über das man sich innerhalb einer „Vivaldi“-Regierung einig werden müsste, was bei den vielen Vorbehalten seitens der flämischen Christdemokraten (CD&V) nicht einfach sein wird.

In der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik – nach Corona eine große Baustelle – gibt es fundamentale Unterschiede zwischen Sozialisten und Liberalen.

Das Grundproblem wäre aber, dass eine „Vivaldi“-Regierung keine Mehrheit in Flandern hätte. Mit den Nationalisten der N-VA und dem rechtsextremen Vlaams Belang in der Opposition würde der Norden des Landes Gefahr laufen, sich in institutionellen, politischen und gesellschaftlichen Fragen (z.B. Migration) weiter zu radikalisieren.

Selbst über die unwichtigste aller Fragen (siehe Kommentar unten), wer denn eine „Vivaldi“-Regierung als Premierminister(in) führen soll, könnte es Streit geben.

MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez macht sich dafür stark, dass „seine“ Sophie Wilmès Regierungschefin bleibt. Aber schon aufgrund der Tatsache, dass „Vivaldi“ in Flandern ein Legitimationsproblem hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Dirigent des Orchesters, welches „Die vier Jahreszeiten“ von Vivaldi spielen soll, ein Flame sein wird. (cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

12 Antworten auf “Selbst mit „Vivaldi“ gäbe es ein paar schiefe Töne: Kann man Belgien ohne Mehrheit in Flandern regieren?”

  1. Bankrott Verein?

    Der Bürger ist es Schlussendlich leid, euch allemal da Rumfummeln und -basten zu sehen! Ihr habt die Verantwortung und die Aufgaben unser Land zu regieren! Diese wurde euch vom Wähler angetragen!
    Dann seht auch das ihr die Enden zusammen bekommt! Bitteschön!
    Genug ist nun mal Genug!
    Einmal sollte Schluss sein mit den Fisematenten!
    Wenn bei uns der Schreiner sei ne Arneiten nicht fertig bekommt, bzw schiefe Fenstern liefert, dann wird der ganz einfach entlassen und nicht bezahlt!
    Was für ein Verein ist das denn?
    Schämt euch in den Boden rein! Aber ganz tief!
    Eine solche Frechheit gibt’s nur bei der Politik!
    Eine Niete auf die andere, und fetter Lohn dafür!?

  2. Fünfte Jahreszeit

    Eine in die Zukunft weisende, von De Wever und Magnette geführte Koalition wäre ein
    historischer Durchbruch für Belgien gewesen. Sie wurde von den (flämischen) Liberalen verhindert.
    Jetzt sollen ausgerechnet diese an die Macht. Das ist absurdes Theater, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“
    werden schräg gespielt. Unser König verlor den Taktstock, c´est la cacaphonie générale…

  3. Marcel Scholzen eimerscheid

    Besser so eine Regierung als keine. Egal wer nun ans Ruder kommt, es ist die „Regierung zur letzten Chance“. Gelingt es, die von der Coronakrise verursachten Probleme zu lösen, hat die Demokratie in Belgien eine Zukunftschance. Ansonsten hat die Demokratie versagt und eine autoritäre Regierung könnte die Folge sein samt Spaltung des Landes.

    • Andlerberg

      Eine Schande, dass Sie nicht in der Politik sind.
      Sie kommentieren hier und anderswo ALLES und wissen stets genau was Sache ist, was Schlecht und Gut ist. Leute wie Sie braucht das Land! Aber Sie versauern in Eimerscheid!

  4. So kann es nicht weiter gehen. Die Spitzenpolitiker müssen künftig stärker unter Druck gebracht werden. Z.B. Neuwahlen, wenn nach 6 Monaten keine Regierung zustande kommt. Davor haben die mehr Angst als der Teufel vor dem Weihwasser.

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