Gesellschaft

Papst erlässt weltweite Meldepflicht für sexuellen Missbrauch in der gesamten katholischen Kirche

24.02.2019, Vatikan, Vatikanstadt: Papst Franziskus (M) feiert eine Messe zum Abschluss des Gipfeltreffens der Katholischen Kirche zum Thema Missbrauch. Foto: Giuseppe Lami/ANSA/dpa

Der Papst will mit schärferen Gesetzen gegen sexuellen Missbrauch durchgreifen. Diese erstrecken sich erstmals auf die gesamte katholische Kirche. Es gibt allerdings auch Kritik – denn an einem entscheidenden Punkt hakt es.

Papst Franziskus hat erstmals für die gesamte katholische Kirche eine Meldepflicht für Fälle sexuellen Missbrauchs erlassen – und damit einen für viele überfälligen Schritt vollzogen.

Für Kleriker und auch für Ordensleute werde ab Juni die Verpflichtung eingeführt, innerhalb der Kirche Missbrauch und Vertuschung umgehend anzuzeigen, teilte der Vatikan am Donnerstag mit. Opfer kritisierten allerdings umgehend, dass eine Meldepflicht an staatliche Stellen nicht vorgesehen ist.

In dem apostolischen Schreiben namens „Vos estis lux mund“  (Ihr seid das Licht der Welt) heißt es, die katholischen Diözesen in aller Welt müssten binnen eines Jahres „ein oder mehrere dauerhafte und der Öffentlichkeit leicht zugängliche“ Anlaufstellen für Anzeigen einrichten.

24.02.2019, Italien, Rom: Opfer von sexuellem Missbrauch und Mitglieder des ECA (Ending Clergy Abuse) halten Schilder auf dem Petersplatz nach Abschluss des Gipfeltreffens der Katholischen Kirche zum Thema Missbrauch. Foto: Alessandra Tarantino/AP/dpa

Im Vatikan war die Rede von einem wichtigen Schritt. Während Meldepflichten „bis dato in einem gewissen Sinne dem persönlichen Gewissen überlassen war, wird sie nunmehr zu einer universell gültigen Rechtsvorschrift“, erklärte der redaktionelle Leiter der Kommunikationsabteilung des Vatikans, Andrea Tornielli.

Weitere zentrale Punkte in dem neuen Gesetz: Derjenige, der eine Anzeige mache, solle geschützt werden und keinerlei „Diskriminierung“ erleben. „Qualifizierte“ Laien – also nicht geweihte Personen – sollen zudem bei Ermittlungen helfen können. Obendrein weitete der Vatikan den Opferbegriff offiziell auf Ordensschwestern und Priesteramtskandidaten aus. Auch Machtmissbrauch gelte als Form des Missbrauchs, hieß es.

Zudem will Franziskus aufs Tempo drücken, die Verfahren in Rom und in den Diözesen vor Ort sollen sich nicht mehr ewig hinziehen. Deshalb hat er feste Fristen für Reaktionen auf Missbrauchsanzeigen angeordnet.

Die kirchlichen Stellen werden zwar angehalten, staatliche Ermittler zu unterstützen. Allerdings besteht keine Meldepflicht an zivile Stellen – ein heikler Punkt. Denn dies fordern Missbrauchsopfer seit langem.

„Ein gut gemeintes ist noch nicht ein gut gemachtes Gesetz“, sagte der Sprecher des Opferverbands „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Kirche darf nicht weiter versuchen, alles alleine ermitteln zu wollen, sondern sobald ein Verdacht glaubhaft besteht, müssen die Staatsanwaltschaften eingeschaltet werden.“

Die deutsche Justizministerin Katarina Barley betonte, dass „die schrecklichen Missbrauchstaten keine interne Angelegenheit der katholischen Kirche“ seien. Jeder Fall müsse von einem Strafgericht beurteilt werden, zudem müssten Staatsanwaltschaften die Chance bekommen, zu ermitteln. Barley mahnte, bringe die Kirche die Fälle nicht vor Gericht, bleibe die „Mauer des Schweigens“ erhalten, die den Missbrauch zuletzt jahrzehntelang verschleiert habe.

24.02.2019, Vatikan, Vatican City: Papst Franziskus (M, hinten) feiert eine Messe zum Abschluss des Gipfeltreffens der Katholischen Kirche zum Thema Missbrauch. Foto: Giuseppe Lami/ANSA/dpa

Der Vatikan argumentiert dagegen, dass vor allem in weniger demokratischen Ländern Ermittler nicht geeignet sein könnten, sich der Missbrauchsthematik anzunehmen.

Angesichts des Missbrauchsskandals steckt die Kirche deshalb seit Jahren in vielen Ländern der Welt in einer ihrer schwersten Krisen. Während des Pontifikats von Franziskus‘ Vorgänger Benedikt XVI. war ans Licht gekommen, dass sich Geistliche massenhaft an Kindern vergangen hatten und von Oberen gedeckt wurden. Franziskus stand nun stark unter Druck, seinen Worten von einer „Null Toleranz“-Politik endlich auch Taten folgen zu lassen.

Nach dem Anti-Missbrauchsgipfels, zu dem der Papst Ende Februar die Vorsitzenden aller Bischofskonferenz in den Vatikan geladen hatte, wurden diese Forderungen noch lauter. Zuletzt stellte Franziskus einzig für den kleinen Vatikanstaat – in dem kaum Kinder leben – entsprechende Regeln auf. Mit dem jetzt veröffentlichten sogenannten Motu proprio will Franziskus offenbar die Kurve kriegen.

Dass bei weitem nicht jeder auf Franziskus‘ Linie ist, zeigte sich erst letztens wieder sehr deutlich – ausgerechnet am Beispiel seines Vorgängers Benedikt. Der hatte in einem Schreiben die sexuelle Revolution der 1968er Jahre und die Säkularisierung der westlichen Gesellschaft für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der Kirche verantwortlich gemacht. Von der eigenen Verantwortung der Kirche oder von den Leiden der Opfer war dagegen kaum die Rede. Eine Denkart, die bisher vielerorts eine rigorose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle verhindert hat. (dpa)

28 Antworten auf “Papst erlässt weltweite Meldepflicht für sexuellen Missbrauch in der gesamten katholischen Kirche”

  1. ZumTeufel

    Ein guter Ansatz, aber im Endeffekt wird mal wieder Alles bleiben wie es ist. Man hat wirklich sehr viele grosse Besen im Vatican um Vieles unter die Teppiche zu kehren. Gerechtigkeit kann man leider nur vor einem öffentlichen Gericht erhalten, aber bestimmt nicht von dieser Kirche : ein weiteres Armutszeugnis…

  2. Marcel scholzen Eimerscheid

    Die wollen das intern regeln wie zB die Hells Angels, die ja auch Verstoesse gegen Verhaltensregeln selbst ahnden. Die katholische Kirche betreibt Selbstjustiz.

    Im Prinzip passt die Kirche nicht mehr in unsere Zeit und Gesellschaft, da sie diverse Grundrechte nicht achtet, zum Beispiel duerfen ein Teil ihrer Bediensteten (Priester) nicht heiraten, Frauen werden nicht als als gleichwertig betrachtet und Homosexualitaet noch als Suende abgesehen.

    • Jockel F.

      Sie sprechen von „unserer Zeit“, meinen aber Ihr Weltbild.
      Wo genau ist das Problem dabei, dass Priester nicht heiraten dürfen oder (praktizierte!) Homosexualität offiziell als Sünde betrachtet wird?
      Ihr Beitrag zeugt vor allem davon, dass Sie sich nicht im Geringsten für die katholische Kirche interessieren und mit den Aussagen und Taten des derzeitigen Papstes nicht beschäftigt haben.
      Diese seit Jahren vorgetragenen Allgemeinplätze des Kirchenbashings sind einfach nur peinlich und inhaltsleer.
      Es gibt Wichtigeres, das im Vatikan zurecht gerückt gehört.

      • Marcel scholzen Eimerscheid

        Sie reagieren wie die Greta Fans. Da macht es um so mehr Spass Contra zu geben.

        Nicht ich bin peinlich, sondern die katholische Kirche. Deren Verhalten ist gekennzeichnet durch Stillstand und Angst vor dem Neuen. Darum gehen auch viele nicht mehr in die Kirche. Denn fuer viele ist der Besuch einer Kirchfeier wie eine Reise in die Vergangenheit. Und da fuehlt man sich verloren und am falschen Platz.

        • Jockel F.

          Ich habe nicht Sie als peinlich bezeichnet, sondern die Allgemeinplätze des Kirchenbashings, die Sie oben raushauen.
          Ihre Vergleiche, ob nun meine Argumentation mit der der Greta-Fans oder der Kirche mit den Hells Angels, nun ja, da erübrigt sich eigentlich jeder Kommentar. Das hinkt nicht mehr, das kriecht im Bodensatz der Unsinnigkeit.
          Lieber Freund des zwangskollektivierten eigenen Standpunktes („man“, „viele“), ich verbleibe mit einem Rat. Sie gehen nicht gern zur Messe? Dann lassen Sie es doch einfach.

  3. Kritiker

    Das folgende Zitat besagt alles. Das reicht einfach nicht:
    „Ein gut gemeintes ist noch nicht ein gut gemachtes Gesetz“, sagte der Sprecher des Opferverbands „Eckiger Tisch“, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Kirche darf nicht weiter versuchen, alles alleine ermitteln zu wollen, sondern sobald ein Verdacht glaubhaft besteht, müssen die Staatsanwaltschaften eingeschaltet werden.“

    • Walter Keutgen

      Die Opfer sollen Anzeige erstatten. Da es jetzt Opferverbände gibt, sollen sie die nötige Hilfestellung geben und – wichtig – darauf achten, dass der Staat das nicht im Sande verlaufen lässt.

      • Eigentlich absolut einverstanden.
        Jedoch
        1) Sollten diese Opferbände mit einigen finanziellen Hilfsmitteln ausgestattet sein. Ob nun staatlich oder private Spendenmöglichkeit bleibt zu diskutieren. Letztendlich müssen die dazugehörigen Anwälte aber bezahlt werden.
        2) Als Einschränkung zum vorherigen Punkt. Auch im staatlichen Unternehmen des Unterrichtswesens gibt es Tatbestände und wurden auch Vertuschung notiert (Versetzung ).

  4. Der Rächer

    Was machen diese :“dauerhaften und der Öffentlichkeit leicht zugängliche Anlaufstellen“ mit den Anzeigen, die sie erhalten ? Werden diese Anzeigen an die jeweilige Staatsanwaltschaft weitergeleitet? Oder ermitteln diese Anlaufstellen auf eigenen Faust und kommen dann zu dem Schluss, dass nichts passiert ist ? So wie man die katholische Kirche kennt, wird letzteres wohl der Fall sein. Diese Anlaufstelle ist vielleicht eine gute Idee, muss aber mit geeignetem Personal besetzt sei, welches die Opfer begleitet, zur Polizei, zum Arzt, zum Psychologen usw.

    • Jockel F.

      Di Rupo, das halbe Königshaus, der ehemalige Polizeichef und die Staatsanwaltschaft grinsen gerade und ziehen noch einmal an ihren Zigarren, die in diesem Fall wohl nur bedingt solche sind.
      Bevor Sie so einen Unsinn in die Tastatur stampfen, befassen Sie sich doch bitte erst einmal etwas genauer mit den Hobbys „unserer“ geheiligten Demokraten.

      • … befassen Sie sich doch bitte erst einmal etwas genauer mit den Hobbys „unserer“ geheiligten Demokraten.

        @ Jockel F.

        Können Sie Ihre Anschuldigungen auch belegen oder bewerben Sie sich für den Laurent Louis Gedächtnispreis?

        • Jockel F.

          Anschuldigungen? Wo? Ich bin lediglich ein dummer, kleiner Verschwörungspraktiker, dem die damaligen Zwielichtigkeiten immer noch sauer aufstoßen. Nichts liegt mir ferner, als mich dem von Ihnen wohl so bewunderten demokratischen Sumpf auch nur zu nähern. Am Ende begehe ich noch Selbstmord oder sterbe bei einem Autounfall. Odin bewahre!
          Wünsche weiterhin wohl zu ruhen.

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