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LESERBRIEF – Kritik an autoritären Schulmethoden: Gehorsam wichtiger als Denken

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Autorität oder Autonomie? Warum Schulen in der DG den Mut zur Veränderung brauchen.

In den Schulen der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) wird Bildung großgeschrieben. Aber welche Art von Bildung wollen wir wirklich? Während Reformpädagogik und Partizipation auf dem Papier betont werden, erleben viele Schülerinnen und Schüler im Alltag noch immer eine starre Schulstruktur, die stark auf Gehorsam, Leistung und Kontrolle setzt.

Was dabei oft übersehen wird: Kinder sind keine Maschinen. Sie brauchen Bewegung, kreative Impulse, Zeit zur Entfaltung – keine durchgetakteten Tage im Sitzen.

– Ganztagsschulen in der DG – Pflicht ohne Alternative: In der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens ist die Ganztagsschule gesetzlich vorgeschrieben. Alle Kinder verbringen den Großteil ihres Tages verpflichtend in der Schule – es gibt keine Wahlfreiheit für alternative Bildungsformen. Eltern, die sich ein flexibleres, familienfreundlicheres oder kreativeres Modell wünschen, stoßen auf eine geschlossene Tür.

Diese verpflichtende Struktur hat weitreichende Folgen: Kinder haben kaum noch Raum für ein Leben außerhalb der Schule. Musik, Theater, Sport im Verein oder einfach freies Spiel bleiben auf der Strecke. Die Ganztagsschule, wie sie derzeit praktiziert wird, dominiert das Leben der Kinder vollständig – und zwar auf Kosten ihrer ganzheitlichen Entwicklung.

– Sitzen statt wachsen: Ein typischer Schultag in der DG umfasst bis zu 8 Stunden, oft in geschlossenen Räumen und meist in passiver Sitzhaltung. Dabei zeigen entwicklungspsychologische Studien, dass die Konzentrationsspanne von Kindern nur 20 bis 40 Minuten beträgt. Danach braucht das Gehirn Pausen, Bewegung und Abwechslung. Trotzdem werden die Stundenpläne meist ohne ausreichend Pausen oder bewegungsorientierte Lernmethoden durchgeführt.

Bewegung ist kein Luxus, sondern eine Voraussetzung für gesundes Lernen. Das Gleiche gilt für kulturelle Bildung – Kunst, Musik und Theater sind keine Nebensachen, sondern elementare Ausdrucksformen, durch die Kinder sich selbst und die Welt begreifen können.

– Vom Gehorsam zur Gleichgültigkeit: Ein weiteres Problem ist das vorherrschende , das  Gehorsam statt Mitdenken belohnt. Wer die Regeln hinterfragt, wird schnell als Störer abgestempelt. Eigenständigkeit und Kreativität gelten oft als unbequem. So werden Kinder auf Konformität konditioniert – nicht auf demokratische Teilhabe.

Die Langzeitfolgen sind besorgniserregend: Erwachsene, die sich anpassen, statt Verantwortung zu übernehmen. Menschen, die schweigen, statt sich einzumischen – funktionierende Zahnräder, aber keine mündigen Bürger.

– Zeit für eine mutige Wende: Was wir brauchen, sind Schulen, die Verantwortung statt Unterordnung lehren, die kindgerechte Rhythmen respektieren, echte Mitbestimmung ermöglichen und Bewegung sowie Kreativität als Grundbedürfnisse anerkennen. Ein Bildungssystem, das Vielfalt und Wahlfreiheit zulässt – auch im Schulmodell.

Denn eines ist klar: Bildung darf nicht dazu dienen, brave Erwachsene zu formen, sondern freie, mutige, denkende Menschen.

04/05/2025 Pascale Baudimont Eupen, den 04/05/2025

Eine Antwort auf “LESERBRIEF – Kritik an autoritären Schulmethoden: Gehorsam wichtiger als Denken”

  1. Der Alte

    „Was wir brauchen, sind Schulen, die Verantwortung statt Unterordnung lehren“

    Verantwortung und Unterordnung gehen m.E. Hand in Hand. Wer Verantwortung trägt muss auch bereit sein sich unterzuordnen und zwar zumindest den Regeln, die das Zusammenlenben und das zusammen Arbeiten ermöglichen. Wer würde jemanden einstellen, der Kunden beleidigt statt zu bedienen, der nach Gusto würzt statt nach Rezept?

    „echte Mitbestimmung ermöglichen“

    Lassen wir die Kinder und Jugendlichen entscheiden ob 2 + 2 = 4 ist oder ob Algebra und Geometrie überhaupt nützlich sind um sein Leben zu meistern?

    „Denn eines ist klar: Bildung darf nicht dazu dienen, brave Erwachsene zu formen, sondern freie, mutige, denkende Menschen.“

    D’accord, aber freie und denkende Menschen kann es nur dann geben, wenn eine gewisse Menge an Wissen (Kenntnis von Sachgegebenheiten) und intellektuelle Fähigkeiten vermittelt worden sind, unabhängig davon ob in der Phase des Erwerbs des Wissens und der Fähigkeiten deren Bedeutung durch Schüler und Eltern anerkannt werden. Mit der Anwendung des Mottos „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ wurde der Gleichstrom-Generator entwickelt, das Herstellungsverfahren von Soda optimiert und der erste Kunststoff (Bakelit) erfunden um bei einigen belgischen Erfindungen zu bleiben.

    Zur Anregung der Dsikussion

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