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Deutschland: Für Verfassungsschutz gilt die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ [Fragen & Antworten]

23.02.2025, Berlin: Alice Weidel, Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, reagieren bei der Wahlparty der AFD in der AfD Bundesgeschäftsstelle. Foto: Sören Stache/dpa-Pool/dpa

Der Inlandsgeheimdienst hat die AfD in Deutschland nach mehrjähriger Prüfung als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV, Inlandsgeheimdienst) teilte mit, der Verdacht, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet.

Mehrere Politiker nahmen das zum Anlass für Forderungen nach einem Verbot der Partei. Der noch amtierende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnte aber vor einem „Schnellschuss“.

Die Alternative für Deutschland (AfD) war 2013 gegründet worden, zunächst als Partei der Eurokritiker. Sie rückte im Laufe der Jahre weit nach rechts.

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

– Auf welcher Grundlage fällt so eine Entscheidung?

28.07.2023, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Dieses Logo steht für die Partei AfD. Foto: Carsten Koall

Der Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) in Deutschland ist als ein Element der wehrhaften Demokratie nicht nur für Spionageabwehr und die Aufklärung terroristischer Bestrebungen verantwortlich. Er soll auch eine Art Frühwarnsystem sein. Das bedeutet, er hat die Aufgabe, rechtzeitig Gruppierungen zu erkennen und benennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten. Dabei geht es um die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.

Außerdem wird betrachtet, welche Kontakte zu anderen extremistischen Gruppierungen bestehen. Wie aus der Mitteilung des Bundesamtes hervorgeht, stützt sich der Verfassungsschutz in seiner Neubewertung der AfD vor allem auf Äußerungen und Positionen, bei denen es um die Verletzung der Menschenwürde geht – etwa durch die Abwertung von Muslimen oder pauschal verwendete Begriffe wie «Messermigranten».

– Muss die Partei mit einem Verbot rechnen?

Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.

– Was steht in dem Gutachten?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat vor der Entscheidung ein rund 1.110 Seiten starkes Gutachten zu der Partei erstellt. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Es listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungsschutz als „fortlaufende Agitation“ gegen Geflüchtete und Migranten wertet. Entsprechende Äußerungen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in der internen Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie „Abschieben schafft Wohnraum!“bis zu Sätzen wie „Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel.“

– Wer bekommt das Gutachten zu sehen?

01.09.2024, Thüringen, Erfurt: Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat, geht durch den Landtag. Foto: Bodo Schackow/dpa

Das deutsche Innenministerium hat es erhalten, außerdem die Verfassungsschützer in den Ländern. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Das Gutachten, das der Verfassungsschutz vor der Einstufung als „Verdachtsfall“ erstellt hatte, war allerdings von dem auf digitale Freiheitsrechte spezialisierten Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht worden.

– Bald kein Geld mehr vom Staat?

Zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei NPD, die sich 2023 in «Die Heimat» umbenannt hat, scheiterten: das erste Mal, im Jahr 2003, weil sich herausstellte, dass der NPD-Führungsriege mehrere Informanten des Verfassungsschutzes – sogenannte V-Leute – angehörten. Das zweite Mal, im Jahr 2017, urteilte das Bundesverfassungsgericht, die NPD sei zwar eindeutig verfassungsfeindlich, politisch aber mittlerweile bedeutungslos. Im Januar 2024 gab das Bundesverfassungsgericht allerdings einem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung statt, der Partei „Die Heimat“ den Zugang zu weiteren staatlichen finanziellen Mitteln zu verwehren, durch den Ausschluss von der Parteienfinanzierung.

Seit einer Grundgesetzänderung von 2017 kann „Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“, die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.

– Neue juristische Auseinandersetzungen?

Wahrscheinlich ist, dass die AfD – wie bei früheren Einstufungen durch den Verfassungsschutz – auch diesmal wieder dagegen klagen wird. Die Gerichte müssen dann prüfen, ob und in welchem Maße die Partei gegen die Grundprinzipien der Verfassung verstößt.

– Wird das der AfD politisch schaden?

Das wird sich zeigen. In drei ostdeutschen Ländern – Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt – galt der jeweilige Landesverband bereits als gesichert rechtsextremistisch. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl hat das der Partei dort nicht geschadet. In westlichen Bundesländern mag das anders aussehen.

11.01.2025, Sachsen, Riesa: Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende, spricht auf dem Bundesparteitag ihrer Partei nach ihrer Nominierung zur Kanzlerkandidatin für die bevorstehende Bundestagswahl. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Die AfD hatte in Wahlumfragen in den vergangenen Wochen zugelegt und war an die Werte der CDU/CSU herangerückt, teils auch darüber hinaus. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union (27 Prozent) hingegen wieder mit deutlichem Abstand vor der AfD (23 Prozent).

Bei der Bundestagswahl am 23. Februar war die AfD mit 20,8 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet. Wie groß die Zustimmung für die Partei künftig sein wird, dürfte wahrscheinlich wesentlich auch davon abhängen, ob die neue schwarz-rote Koalition wie angekündigt positive Impulse für die deutsche Wirtschaft setzen, die Zahl der unerlaubten Einreisen reduzieren und dafür sorgen kann, dass Wohnen, Energie und Lebensmittel für alle bezahlbar sind.

– Sollte das Gutachten nicht schon 2024 kommen?

Der frühere BfV-Präsident, Thomas Haldenwang, wollte das aktuelle Gutachten zur AfD eigentlich schon im vergangenen Jahr fertigstellen. Durch die vorgezogene Bundestagswahl und Haldenwangs Ausscheiden im Dezember änderte sich der Zeitplan jedoch. Derzeit führen die Vizepräsidenten Sinan Selen und Silke Willems den Inlandsdienst.

Viel war zuletzt darüber spekuliert worden, ob das Gutachten womöglich zurückgehalten wurde, um einen politisch günstigen Zeitpunkt für die Neubewertung zu wählen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur erreichte das Dokument das deutsche Innenministerium am vergangenen Montag, als die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf Dienstreise in Österreich war.

Unter den Bundestagsabgeordneten der anderen Fraktionen hatte es in den vergangenen Tagen Diskussionen darüber gegeben, ob man Abgeordnete der AfD zu Ausschussvorsitzenden wählen solle oder nicht. Der designierte Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte unlängst eine heftige Kontroverse ausgelöst mit dem Vorschlag, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien.

– Was bedeutet die Entscheidung für einzelne AfD-Mitglieder?

Eine Mitgliedschaft in einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei kann Zweifel an der Verfassungstreue begründen. Allerdings ist die Mitgliedschaft allein noch nicht ausreichend für dienstrechtliche Konsequenzen bei Beamten, sondern der Einzelfall wird betrachtet. Das Gleiche gilt für den Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Jägern und Schützen. (dpa)

16 Antworten auf “Deutschland: Für Verfassungsschutz gilt die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ [Fragen & Antworten]”

  1. volkshochschule

    Eine rein wirtschaftsliberale Merz / Linnemann CDU / CSU in der die christlich sozialen Werte vernachlässigt werden und eine Sozialdemokratie die sich auf die Abschaffung des 8 Stunden Tags mit der Union zu Gunsten einer Regelung von bis zu 13 Stunden täglich verständigt die machen die Protestpartei AFD immer größer. Und nun wo man den Geist denn man selber rief nicht mehr gebändigt bekommt da will man einfach ein Verbot aussprechen.

  2. Wo war der Verfassungsschutz als Karl Lauterbach und Merkel in Zusammenarbeit mit Ursula von der Lüge das Volk mit der experimentellen Gentherapie/Biowaffe die menschliche DNA hat lassen veränderen? Wo war der Verfassungsschutz als die Nürnberger Gesetze von dieser Clique in allen Punkten übertreten wurde? Da war der Verfassungsschutz Kollaborateur mit diesem Verbrechen und began die AFD zu jagen weil diese gegen die Zwangsimfung war und gegen die Übernahme Deutschlands durch den WEF/EU und deren Immigration und Kriegspolitik.
    Ein solcher Verfassungsschutz erinnert einen an Gestapo und deren Praktiken und sollte die Menschen in der EU erwecken damit die Geschichte sich nicht wiederholt denn das Problem ist das gleiche in der ganzen EU. Deutschland mit der AFD, Frankreich mit LePen, Rumainien mit Calin Georgescu,…?Verfassungsschutz?

    • Joseph Meyer

      @R.G.
      Es ist gut zu wissen, dass es sich beim Verfassungsschutz um den Inlandgeheimdienst handelt, also um eine Instanz die gegenüber der Regierung weisungsgebunden ist, also keineswegs unabhängig, und die Beamten welche diese Beurteilung vorgenommen haben möchten ihre Anstellung ja nicht verlieren …
      Leider ist aber auch das Bundesverfassungsgericht nicht unabhängig, denn die Richter möchten ja auch nach Ablauf ihrer Amtszeit wieder ernannt werden!
      Das Ganze ist ein demokratisches Trauerspiel sondergleichen! Unsere Demokratie, mit Ausnahme der Schweiz- bisher noch-, ist eineinziges Trauerspiel, zwischen EU- Diktat und Regierungsdekreten bleibt die Herrschaft des Volkes auf der Strecke – „des Volkes“ ist wahrscheinlich schon völkisch und strafbar … .
      Ich bin kein Anhänger der AfD schon allein wegen ihrer Haltung zur erneuerbaren Energieversorgung -„Windräder der Schande“, aber in vielen zentralen Punkten haben sie recht, z.B. die Geiselung der Übergriffigkeit der Regierungen bei den Coronamassnahmen und den Coronaspritzen, der Forderung eines Stopps der Waffenlieferungen an die Ukraine und Friedensverhandlungen, der Forderung nach Beendigung der illegalen Einwanderung, der Forderung eines Endes des unseligen Genderwahnsinns, die Forderung die EU- Institutionen zurück zu stutzen und einen Bund souveräner Nationalstaaten aus ihr zu machen … .
      Wirtschaftlich-sozial ist diese Partei knallhart neoliberal, deshalb würde ich sie nie wählen, aber wie die anderen Parteien in Deutschland mit der AfD umgehen, außer das BSW, ist unterirdisch und zutiefst undemokratisch, finde ich

  3. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Ein Verbot der AFD bringt nichts. Ist nur eine oberflächliche Maßnahme. Es würde sich schnell eine Nachfolgepartei bilden. Man muss das übel an der Wurzel packen, dh die Ursachen beseitigen, die der AFD den Aufstieg ermöglicht haben. Nur ob die traditionellen Parteien das begriffen haben, wage ich zu bezweifeln.

    • Hugo Egon Bernhard von Sinnen

      Niemand wird einen Bürgerkrieg anzetteln, also wird es beim wichtig machen bleiben und die Sicherstellung der Arbeitsplätze, für Richter und Anwälte. Dass man wirklich so dumm ist, mit dieser Aktion noch mehr Wähler in die Arme der AFD zu treiben ist schon ein seltsames Spielchen, bestimmt wenn man bedenkt, dass die AFD in Deutschland jetzt schon beliebter ist, als die CDU unter der Führung von Friedrich Merz . Ob der Verfassungsschutz Friedrich Merz auf diese Art und Weise loswerden will, bevor er richtig angefangen hat?
      Dann könnte man ja dem Verfassungsschutz gratulieren 😁

  4. Wie armselig: Die Kartellparteien taumeln panisch durch den politischen Porzellanladen und glauben ernsthaft, sie könnten ihre eigene Unfähigkeit mit Verboten kaschieren. Die AfD soll weg – nicht etwa, weil sie argumentativ besiegt wurde, sondern weil sie zu erfolgreich ist. Demokratieverständnis à la Berliner Hinterzimmer: Wer unbequem wird, fliegt raus. Nicht per Wahlurne, sondern per Maulkorb und Gerichtsbeschluss.
    Aber Überraschung: Die Wähler lassen sich nicht auflösen wie ein Untersuchungsausschuss. Hinter der AfD steht längst ein gewaltiger Teil der Bevölkerung – nicht nur ein „Protestmob“, sondern Menschen, die sich von den Altparteien systematisch verraten fühlen. Und das aus gutem Grund. Die CDU? Hat sich schon so oft selbst entkernt, dass man sich fragt, ob da überhaupt noch Substanz war. Erst wird brav bei der AfD abgeschrieben, dann werden die Papierversprechen nach der Wahl elegant in den Papierkorb entsorgt. Hochstapelei in Sonntagsrede-Format.
    Und was kommt als Nächstes? Gesinnungsprüfung beim Betreten der Wahlkabine? Politischer TÜV für Bürger, ob sie auch „richtig“ wählen? Es ist ein verzweifelter Tanz ums Lagerfeuer der Macht, während der politische Boden unter den Füßen längst glüht. Wer meint, mit Repression eine Stimmung zu zerschlagen, die man selbst jahrelang gezüchtet hat, der hat nicht nur den Kontakt zur Realität verloren – der spielt auch mit dem Feuer.
    Man kann Parteien verbieten, aber nicht den Zorn der Leute, die sie gewählt haben. Und je mehr man drückt, zensiert, moralisierend belehrt, desto mehr platzt der Deckel. Wenn es Neuwahlen gäbe, würden die AfD-Stimmen nicht trotz der Verbotsfantasien explodieren – sondern genau deswegen. Denn nichts motiviert den Wähler mehr als der offensichtliche Versuch, ihm das Denken abzunehmen.
    Wer den Sturm säht, sollte sich nicht wundern, wenn ihm beim nächsten Wahlabend das Dach davonfliegt.

  5. Karli Dall

    Die Kölner AfD hat sich schon an US-Vizepräsident J.D. Vance gewandt:
    „Die deutsche Regierung missbraucht die Geheimdienste gegen die größte Oppositionspartei. Das ist keine Demokratie.“ („The German government is abusing the intelligence services against the largest opposition party. This is not democracy.“)

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