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Charité: Hinweise auf eine Vergiftung von Nawalny – Kremlgegner leben gefährlich

24.08.2020, Berlin: Die Ehefrau des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, Julia, verlässt die Charité. Foto: Kay Nietfeld/dpa

AKTUALISIERT – Ärzte der Berliner Charité gehen davon aus, dass der Kremlkritiker Alexej Nawalny vergiftet wurde. Darauf wiesen klinische Befunde hin, teilte eine Sprecherin der Klinik am Montag in Berlin mit. Der Gesundheitszustand Nawalnys sei ernst, es bestehe aber keine akute Lebensgefahr.

Die konkrete Substanz sei bisher nicht bekannt. Die ersten Untersuchungen deuteten aber auf eine Substanz aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterase-Hemmer hin, hieß es. Nawalny werde nun mit dem Gegenmittel Atropin behandelt. Die Wirkung des Giftstoffs sei mehrfach und in unabhängigen Laboren nachgewiesen worden.

24.08.2020, Berlin: Mannschaftswagen der Berliner Polizei stehen vor der Charité. Hier wird der russische Oppositionelle Nawalny behandelt. Er liegt seit Donnerstag im Koma und wird künstlich beatmet. Seit Samstag wird er in der Berliner Charité behandelt. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der Ausgang der Erkrankung bleibe unsicher. Auch könnten Spätfolgen, insbesondere im Bereich des Nervensystems, zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, so die Sprecherin.

Der prominente russische Oppositionelle liegt seit Donnerstag im Koma. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Sibirien versorgt, am Wochenende aber in die Charité überstellt. Erst nach stundenlangem Hin und Her hatten die Mediziner in Omsk am Freitag ihre Bedenken gegen einen Transport nach Deutschland fallen gelassen.

Nawalny ist seit Jahren einer der bekanntesten Widersacher von Kremlchef Wladimir Putin und der führende Kopf der liberalen Opposition. Auf den Regierungskritiker hatte es schon mehrfach Anschläge gegeben. Der Aktivist hat sich mit seinen Recherchen zu Korruption und Machtmissbrauch viele Feinde gemacht. Nawalny spricht dieses Thema so deutlich an wie kaum jemand sonst in Russland.

Gift oder Patrone – Liste ermordeter Kremlgegner ist lang

Die Liste ermordeter, vergifteter und verletzter Kremlgegner ist lang. „Die Geschichte der Vertreter der russischen Opposition, die vergiftet wurden, ist so lang, dass es schon fast langweilig ist, sie aufzuzählen“, so die russisch-amerikanische Autorin Masha Gessen mit Blick auf den Fall Nawalny. Sie beschrieb einst in ihrem Buch „Der Mann ohne Gesicht: Wladimir Putin“, mit welchen Methoden in Russland und im Ausland angeblich Staatsfeinde ausgeschaltet werden. Sie hat sich inzwischen in die USA abgesetzt.

29.02.2020, Russland, Moskau: Alexej Nawalny, Oppositionsführer aus Russland, nimmt an einem Gedenkmarsch für den Kremlkritiker Boris Nemzow teil. Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Der Putin-Kritiker Alexander Litwinenko starb 2006 in London nach einem Anschlag mit dem Strahlengift Polonium 210. Tagelang siechte er unter den Augen der Weltöffentlichkeit dahin. Im selben Jahr wurde auch die regierungskritische Journalistin Anna Politkowskaja, die für die Zeitung „Nowaja Gaseta“ arbeitete, erschossen. Das war zwei Jahre, nachdem ihr – wie jetzt Nawalny – im Flugzeug schlecht wurde. Auch sie musste wegen einer schweren Vergiftung behandelt werden.

Auch der russische Kommentator Anton Orech schrieb mit Blick auf den Fall Nawalny: „Um in Russland zu leben und sich mit den Machthabern anzulegen, braucht es eine Gesundheit wie ein Pferd, eine Rüstung und ein Set an Gegenmitteln – sonst wird das nichts.“ Viele Menschen in Russland fühlten sich erinnert an jüngere Fälle.

Da ist Wladimir Kara-Mursa, der Journalist, der 2015 mit Nieren- und Lungenversagen dem Tode nah war. In seinem Organismus waren viele Schwermetalle gefunden worden – woher sie kamen, blieb unklar. Er hatte für den Oppositionspolitiker Boris Nemzow gearbeitet, der 2015 in der Nähe der Kremlmauern erschossen wurde.

Russlands Präsident Wladimir Putin hört sich am 10.02.2017 im Kreml in Moskau die Frage eines Journalisten auf einer Pressekonferenz an. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP POOL/dpa

Es gibt auch Beispiele, die vergleichsweise glimpflich ausgehen, wie bei der Menschenrechtsanwältin Karinna Maskalenko, die in ihrem Auto einmal Quecksilber fand, dessen Dämpfe giftig sind. Sie klagte über Unwohlsein und fand dann den gefährlichen Stoff.

Die Drahtzieher dieser Anschläge können sich meist sicher fühlen in Russland. Bisher ist kaum einer dieser Fälle mit weltweiter Beachtung aufgeklärt. 2018 musste der kremlkritische Aktionskünstler Pjotr Wersilow ebenfalls wegen Verdachts auf eine Vergiftung ins Krankenhaus – er war zuvor bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Polizeiuniform über das Spielfeld gerannt. Er machte direkt einen russischen Geheimdienst für den mutmaßlichen Anschlag verantwortlich.

Die Berliner Charité hatte damals erklärt, sie halte eine Vergiftung Wersilows für wahrscheinlich. Anders sei die Entwicklung der Symptome innerhalb der kurzen Zeit nicht zu erklären. Doch um welche Substanz es sich handelte, blieb unklar. (dpa)

23 Antworten auf “Charité: Hinweise auf eine Vergiftung von Nawalny – Kremlgegner leben gefährlich”

  1. Nichts ist so ,wie es scheint.

    Wer ist jetzt eigentlich böser??

    Trump oder Putin??

    Oder beide?

    Immer schön auf die beiden drauf hauen,dann noch mal den Orban beimischen und immer schön von den eigenen Problemen ablenken

  2. Seit Jahren lässt Putin seine innenpolitischen Gegner vergiften, was seiner Popularität bei den links/grünen Meinungsmedien aber keinen Abbruch tut. Statt dessen wird jeder Rülpser von D. Trump zum Skandal ausgewalzt, man muss nur SPIEGEL, ZEIT, WELT…. usw. aufrufen, Trump immer vorne dabei, die Toten von Putin werden, mehr oder weniger geräuschlos, medial beerdigt.

    • Guido Scholzen

      das stimmt nicht ganz.
      Bevor Trump das Hassobjekt der westlichen Lückenpresse war, bevorzugte diese Schreiberzunft den Mann im Kreml.
      man erinnere sich an die beiden SPIEGEL-Aktionen „Der Brandstifter“ oder „Stoppt Putin jetzt!“ oder „Wann Stoppt die Welt endlich Putin“ (Bild-Zeitung) aus dem Jahr 2014.

      • Alle Anti-Universalisten

        Alle, die gegen den Universalismus (Weltsozialismus zu Gunsten einer dünnen Elite mit Weltregierung), sind die Feinde. Auch ich, Furz…
        Trump, der größte Potus, VVP, der größte Staatsmann aller Zeiten, sind es, de facto.

    • DAX, glauben Sie wirklich diesen meist im Konjunktiv geschriebenen Müll? Woher haben Sie den Ihre intimen Kenntnisse über die „jahrelang durch Putin begangenen Vergiftungen? Aus gleicher Quelle wie der Artikel? Sollte es noch nicht zu spät sein, informieren Sie sich doch aus verschiedenen Quellen und machen Sie sich eigene Gedanken. Das erweitert den Horizont

  3. Marcel Scholzen eimerscheid

    Jetzt muss man zuerst mal die Diagnose abwarten. Erst dann kann man was sagen.

    Sollte es ein Anschlag gewesen sein, so bedeutet das noch lange nicht, dass Putin dahin steckt.

  4. volkshochschule

    So was hätte es bei dem früheren Top KGB Chef und späteren Generalsekretär der KPDSU, Juri Andropov nicht gegeben. Er würde jetzt Beweise ( Filmaufnahmen, Tonaufnahmen, Schriftstücke, Augenzeugen ) vorlegen das man versucht der Sowjetunion zu schaden mit Falschbehauptungen. Aber leider gibt es Andropov nicht mehr und die Sowjetunion auch nicht mehr.

    • volkskindergarten

      Leider gibt es die UDSSR nicht mehr? O je… Aber Sie waren das ja auch, mit der Indotrinierung von Kindern und der Manipulation des Volkes durch die RTBF. Schonmal von „Gulag“ gehört? Wissen Sie wie viele Hunderte Millionen der Kommunismus auf dem gewissen hat? Bestimmt, aber das interessiert Sie wohl nicht.

      • volkshochschule

        Schon beißt der erste an, schneller als man im schwarzen Meer einen Fisch fangen kann. Aber für Putin sind sie schon oder sind sie für Merkel und ihre Agenda, wäre mir neu. Und sagte Putin nicht, das der Untergang und Zerfall der Sowjetunion ein geopolitischer Fehler war.

        • volkskindergarten

          Ich antwortete gestern, daß Putin sehr wohl, ja, den Zerfall aus geopolitischen Gründen, nicht aus ideologischen Gründen. Putin nennt 3 Gründe-Vorraussetzungen für eine starke Nation: Ein starkes Militär (Russland ist inzwischen Nr 1), ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine starke Wirtschaft. Letzteres beweist, daß er der UDSSR nicht nachtrauert…
          Aber es ging nicht durch, wieso auch immer… Vielleicht weil ich hinzufügte, daß Putin der größte Staatsmann aller Zeiten ist?

          • Walter Keutgen

            volkskindergarten, am Ende Ihres ersten Satzes fehlt der Verb.

            Stalin hat in der UdSSR unbedingt eine starke Wirtschaft aufgebaut. Die Erbschaft der Zaren war dürftig. Ohne das hätte Russland sich nicht erfolgreich gegen Deutschland verteidigen können. Die russischen T4-Panzer waren besser als die deutschen. Dass er zu dem Zweck und wegen seiner scheinbaren Paranoia Greueltaten begangen hat, stimmt; aber an die hunderte Millionen, die Sie anführen, glaube ich nicht, das wäre doch die ganze Bevölkerung. Dass die kommunistische Wirtschaft danach nicht ein Wachstum vorlegte wie die marktwirtschaftliche, kann nicht geleugnet werden, trotzdem ist dort wohl niemand verhungert. Eher nach dem Einsturz des kommunistischen Regimes hat es viele Probleme gegeben. Zusatz zu Gulag, der übrigens schon unter den Zaren bestand: Wieviele sind denn im Zuge der Französischen Revolution unter die Guillotine gelandet; war wenigstens ein kurzer Schmerz.

            • Guido Scholzen

              Herr Keutgen,
              Sie haben leider einige sehr fatale falschkenntnisse über Russland:
              Große Straflagersysteme wie der Gulag gab es zur Zarenzeit nicht! Es gab Gefângnisse und Arbeitslager, aber die gab es überall; und zur Zarenzeit starben dort tausende, aber nicht millionen!
              Im „Schwarzbuch des Kommunismus“ ist nachzulesen und nachgewiesen, dass der Kommunismus im 20.Jahrhundert weltweit 80 Millionen Tote forderte! Davon bis zu 25.000.000 in der Sowjetunion. Der Hunger grosser Menschenmassen gehörte ebenfalls zur generellen Folterkammer Lenins und Stalins wie der Gulag. Man denke an den Holodomor.
              In der Sowjetunion war Mangelwirtschaft die prägenste Gesellschafts-Situation, dazu gehörte auch der Hunger. Man solle nicht vergessen, dass die USSR Getreide importieren musste, damit Russland nicht hungert. Und das ist noch nicht lange her. Alleine 1985 musste die USSR fast 10 Millionen Tonnen Getreide (!) aus allerlei Ländern importieren. Unglaublich ja, ich habe die Zahlen extra nachgeschaut.
              Im Jahr 2000 war ich in Russland in Urlaub, und dort sagte man uns, dass Russland im 1898 mehr Getreide produzierte als 1998; die Russen schämten sich, sie waren die groessten Lebensmittelimporteure Europas. Erst Putin machte Russland wieder zum Getreideexporteur wie zur Zarenzeit. Inzwischen ist Russland der groesste Getreideexporteur der Welt! Die meisten Russen waren in den 2000er jahren zufrieden mit seiner Politik, denn er brachte etwas, was viele Russen noch nie im Leben kannten: stabile politische Verhältnisse und wirtschaftliche Perpektive. Damals musste Putin keine Wahl fâlschen (oder nachhelfen), um als haushoher Gewinner dazustehen.
              Das Problem der Kreml-Politik besteht nicht nur darin, dass ALLES auf Putin zugeschnitten ist, sondern keiner weiss offiziell, was nach dem ewigen Putin kommt. Die Frage „Где Царевич?“ (wo ist der Zarewitsch?) geistert schon seit längerem über der russischen Innenpolitik wie ein Damokles-Schwert. Das fatale an dieser Situation ist, dass man schon als Putin-Kritiker gilt, wenn diese Frage gestellt wird.

      • Kindergarten:
        Wie viele „Hunderte Millionen“ der Kommunismus auf dem Gewissen haben soll, weiss ich nicht.
        Sollten Sie aber den Stalinismus und die Gulag Lager meinen, schätzt man zwischen 1,5 und 2 Millionen Todesfälle auf ca. 25 Jahre.

    • Dafür gibt es Sie ja noch, einen der letzten Aufrechten, Sie lieben auch sicher alle Menschen. Nur wollen die gar nicht geliebt werden, von Ihnen und ihren Brüdern im Geiste. Und wer nicht geliebt werden will bekommt eben seine Medizin, dann wird alles gut.

      • Nihilisten

        Nihilisten sind es, Dax, und ihnen kann es nur um eines gehen: Das völlige Auslöschen von allem, weil sie sich selbst so… hassen. „Wenn Gott tot ist, dann ist alles erlaubt“ steht bei Dostoievski. Die nehmen es verdammt ernst, die Nihilisten…

  5. Rob-Otter

    Was kümmern uns eigentlich Kremlgegner?

    Mit Putin können wir auskommen, wir wissen aber nicht, wer und was nach Putin kommt.
    Die Deutschen haben Nawalny nach Berlin geholt, warum weiß man nicht. Jetzt wird er von BKA-Beamten bewacht.
    Beim Volk der Dichter und Denker mag vielleicht noch etwas gedichtet, dafür aber kaum noch gedacht werden. In der Hauptsache hängt man sich in Themen rein, um von anderen wichtigen abzulenken. Man nennt das auch Legen von Fehlspuren.

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