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Krawatte im Niedergang: Relikt der Barockzeit fällt dem Wandel der Kleiderordnung zum Opfer

Die Lockerung der Kleiderordnung in Unternehmen weltweit zieht einen dramatischen Einbruch der Nachfrage nach Krawatten nach sich. Foto: Pixabay

Aus den Büros verschwindet ein Stück Kulturgeschichte: Mit der Krawatte fällt ein Relikt der Barockzeit dem Wandel der Kleiderordnung zum Opfer.

Die Lockerung der Kleiderordnung in Unternehmen weltweit zieht einen dramatischen Einbruch der Nachfrage nach Krawatten nach sich. „Wir befinden uns in einem äußerst schwierigen Fahrwasser, das wir in den letzten Jahren durch mehr Internationalität und durch höhere Diversifizierung meistern“, sagt Jan Moese, Chef des Krefelder Krawattenherstellers Ascot. Das auf hochwertige Krawatten aus Seide spezialisierte Unternehmen ist mit seiner Schwesterfirma Hemley nach Moeses Angaben der einzig verbliebene Hersteller, der noch in Deutschland produziert.

Auch die Arbeit im Heimbüro ist eine unerfreuliche Entwicklung für Krawattenhersteller, denn nur die allerwenigsten Männer legen daheim den gleichen Wert auf Chic wie vor den Augen der Kollegen im Büro. Der Trend zu Casualwear bei der Arbeit und im Homeoffice ist ungebrochen, Krawatten werden nur noch wenig getragen.

21.02.2024, Brandenburg, Meyenburg: Irena Berjas, Geschäftsführerin des Modemuseums Schloss Meyenburg, geht in der Ausstellung „Jetzt sind die Männer dran“ zu Krawatten und Bindern an Krawatten vorbei.
Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Markt für Krawatten ist weltweit schwierig, obwohl es natürlich nationale Unterschiede gibt. Für Ascot lohnt sich die Krawattenherstellung aber nach wie vor: „Richtig ist aber auch, dass der hochwertigere Markt zwar eine winzige Nische ist, aber aufgrund von Krawattenaficionados, die aus Leidenschaft Krawatte tragen, sowie Kunden, die für festliche Anlässe kaufen, für eine Manufaktur wie uns nach wie vor sehr lukrativ ist.“

Doch Dutzende anderer Krawattenhersteller haben in den vergangenen Jahrzehnten aufgegeben. Manche Fachleute machen die US-Technologieindustrie verantwortlich, deren Chefs in den 1970er Jahren auf Krawatten verzichteten und damit zu modischen Trendsettern in der Geschäftswelt wurden. Manchmal wird auch der italienische Modemacher Giorgio Armani zum Schuldigen erklärt, weil dieser den Anzug mit dem T-Shirt kombinierte.

Kulturgeschichtlich ist die Krawatte ein Überbleibsel der Barockzeit, der Name verweist auf das Herkunftsland Kroatien. Im 17. Jahrhundert übernahm zunächst der französische Adel die damals noch eher einem Halstuch ähnelnde Krawatte. Wie auf zahlreichen Gemälden vom 16. bis zum späten 18. Jahrhundert dokumentiert, pflegten sich wohlhabende Männer – insbesondere im Adel – ehedem ebenso farbenfroh und modisch zu kleiden wie Frauen. Mit der Französischen Revolution und dem Aufstieg des Bürgertums geriet pfauenartige Herrenkleidung außer Mode, als einziger Farbtupfer im Männerkostüm verblieb die Krawatte.

„Die Krawatte war beim dreiteiligen Herrenanzug seit der Zeit um 1700 integraler Bestandteil, denn die Hemden hatten in dieser Zeit keine Kragen. Folglich wurde der Hals mit der Krawatte bedeckt“, sagt die Historikerin Adelheid Rasche, Fachfrau für die Geschichte der Bekleidung am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. „Auch der im frühen 19. Jahrhundert entwickelte Anzug nach englischem Stil wurde immer mit Hemd und Krawatte kombiniert. Entsprechend trug jeder Herr in einer gewissen Position beruflich wie privat Krawatte.“

06.03.2024, Berlin: Die Krawatte von Bundesfinanzminister Christian Lindner liegt zu Beginn der Kabinettssitzung auf dem Kabinettstisch im Bundeskanzleramt. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Eine Besonderheit der Krawatte ist auch, dass sie in der seit Jahrzehnten üblichen Form keinerlei praktischen Nutzen mehr hat, auch wenn manche Befürworter argumentieren, dass sie füllige Bäuche kaschiere. Doch weder wärmen Schlipse ihre Träger, noch verhüllen sie nicht für den öffentlichen Anblick bestimmte Körperteile; eine Krawatte schützt auch nicht die Haut oder andere Kleidungsstücke.

„So ganz funktionslos war die Krawatte ursprünglich nicht“, sagt Rasche. „Sie war um 1700 ein Halstuch aus feinem Leinen, das in gewisser Weise geschlungen oder geknotet wurde. Leinen konnte gewaschen werden, somit diente das Krawatten-Tuch in gewisser Weise der Körperhygiene. Die Krawatte bedeckte und schützte außerdem den Halsbereich.“

Hätte die Krawatte ihre praktische Funktion behalten, wäre es heute jedenfalls schwieriger, auf sie zu verzichten. Zu den letzten Bastionen zählen Banken und Versicherungen, doch auch in der konservativen Finanzbranche greift die Krawattenlosigkeit um sich.

Sogar bei der 1880 gegründeten Munich Re – einer der feinsten und traditionsreichsten Adressen der europäischen Versicherungsbranche – wird Vorstandschef Joachim Wenning ab und an ohne Krawatte gesichtet. „Kollegen, einschließlich des Vorstands, handhaben es heute individuell und situationsabhängig, und damit eben auch mal mit und mal ohne ‚Binder'“, sagt ein Sprecher des Dax-Konzerns. (dpa)

6 Antworten auf “Krawatte im Niedergang: Relikt der Barockzeit fällt dem Wandel der Kleiderordnung zum Opfer”

  1. Peer van Daalen

    Vor etwa gut 40 Jahren konnte ich noch zwei oder drei Knoten binden. Das sollte reichen …

    https://www.trendhim.de/articles/223/wie-man-eine-krawatte-bindet-30-verschiedene-krawattenknoten

    An dem Balthus und dem Trinity bin ich gescheitert.

    Was solls, – man kann auch ohne Schlips elegant gekleidet sein. BRAX, HILTL, Boss, Bugatti … Damit kommt man in jedes Opernhaus.
    In Lüttich hab ich schon Leute mit Engelbert-Strauss-Klamotten in der Opéra Royal de Wallonie gesehen.

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