Kultur

Jedermänner:innen mit satirischem Dreijahresrückblick

Die Kabarettgruppe „Jedermann“ beim Finale auf der Bühne des Jünglingshauses.

AKTUALISIERT – Es gibt in Ostbelgien noch eine Kultur, die auch ohne üppige Fördergelder durch die DG und ohne Belehrungen richtig gut funktioniert. Zum Beispiel die der Kabarettgruppe „Jedermann“, die im März und April im Eupener Jünglingshaus beste Unterhaltung bietet.

Zum 19. Mal treten die Jedermänner:innen auf. Im Gegensatz zu ihrem Publikum, das sich größtenteils aus Restbeständen der Grenz-Echo-Leserschaft zusammensetzt, ist die Gruppe selbst mittlerweile etwas verjüngt worden.

Edgar Paulus, alias „Häuptling Lapatsch“, ist immer noch dabei. Wie einst Dieter Hildebrandt beim „Scheibenwischer“, führt das Gründungsmitglied von „Jedermann“ mit humorvollen Einlagen das Publikum durch den Abend.

Der ehemalige Gerichtspräsident Rolf Lennertz (r) ist jetzt nicht mehr nur hinter den Kulissen aktiv.

Auch der bisher berufsbedingt nur im Hintergrund tätige ehemalige Gerichtspräsident Rolf Lennertz, der sich als Pensionär jetzt auch auf der Bühne zeigen darf, ist keiner, der das Durschnittsalter der Truppe zu senken imstande ist. Das können aber Christina und Verena Wünsche, die jetzt auch das machen, was ihre Mutter Renate schon seit vielen Jahren macht: Kabarett.

Das neue Programm ist coronabedingt ein satirischer Dreijahresrückblick, denn wegen der Pandemie war die Kabarettgruppe seit dem Herbst 2019 nicht mehr aufgetreten. „Wir sind wieder hier“ lautet denn auch der Titel der neuen Produktion in Anlehnung an einen Hit von Marius Müller-Westernhagen aus dem Jahr 1998.

Die meisten Pointen werden wir an dieser Stelle nicht verraten, damit für diejenigen, die noch die ausstehenden Vorstellungen von „Jedermann“ besuchen, die Spannung erhalten bleibt.

Ein Themenschwerpunkt war die Corona-Pandemie, welche den Alltag der Menschen in Ostbelgien während zwei Jahren geprägt hat. Warum sich die DG in dieser Zeit in Eupen und St. Vith ein „piekfeines Zelt“ leistete, wo man sich doch in der Wallonie mit Sportzentren oder anderen Hallen begnügte, war eine der Fragen, die aufgeworfen wurden.

Odilia Gielen (als Kehrmännchen) und Edgar Paulus (als Häuptling Lapatsch) in ihrer jeweiligen Paraderolle.

Erinnert wurde auch an die Pressekonferenzen im Anschluss an die Sitzungen des Konzertierungsausschusses in Brüssel, bei denen Ministerpräsident Oliver Paasch systematisch von der RTBF ausgeblendet wurde, sobald er an der Reihe war.

Die schwierige Finanzlage der Gemeinde Kelmis unter Bürgermeister „Lucky Luc“ (Frank) kam ebenso zur Sprache wie der Mehrheitswechsel in Raeren, ausgelöst durch einen „Mann mit Fliege“ (gemeint ist damit das grüne Gemeinderatsmitglied Ulrich Deller).

Die Gendersprache war ebenfalls ein Thema bei den Jedermänner:innen. Das dritte Geschlecht natürlich auch: „Der-Die-Das: Entscheidet die Grammatik über das Geschlecht oder das Geschlecht über die Grammatik?“

Amüsiert haben sich die Zuschauer, als Renate Wünsche die Erreichbarkeit bzw. Nicht-Erreichbarkeit des Eupener Krankenhauses auf die Schippe nahm, indem sie den Anrufbeantworter imitierte: „Wünschen Sie einen Arztermin in sechs Monaten, drücken Sie die 1. Wünschen Sie eine Geburt in Heusy, drücken Sie die 2.“

Natürlich bekam die Stadt Eupen mit ihrer Bürgermeisterin, die mit dem Emir von Katar telefoniert, und ihren vier Schöffen, die auch mal Karnevalsprinz waren, ihr Fett ab. Als die Unterstadt vom Hochwasser erfasst wurde, seien Bürgermeisterin Claudia Niessen und Schöffe Michael Scholl in Gummistiefeln erschienen – „aber nur beim Fototermin“.

Mitglieder der Kabarettgruppe „Jedermann“ bei einer musikalischen Einlage.

Auch Walloniens Umweltminister Philippe Henry, der sich nach der Flut vom 14. und 15. Juli 2021 um Kopf und Kragen redete, durfte wenigstens im Kabarett von „Jedermann“ nicht ungeschoren davonkommen, wenn er schon im Untersuchungsausschuss des Wallonischen Parlaments nichts zu befürchten hatte, obwohl „der grüne Minister beim Lügen rote Ohren kriegt“.

Das Besondere an der Gruppe „Jedermann“ ist, dass sie das ist, was die meisten Kabarettisten nicht sind und auch nicht sein wollen, nämlich pluralistisch und ausgewogen. Nicht nur „Querdenker“ werden auf die Schippe genommen, auch die „Gutmeńschen“ kommen nicht ungeschoren davon.

Noch gut gepasst ins Repertoire von „Jedermann“ hätten der erste Christopher Street Day in St. Vith, die erste Demo von Fridays for Future in Ostbelgien und die Klima-Kleber. Vielleicht Stoff für das 20. Programm im nächsten Jahr… (cre)

Das aktuelle Team von „Jedermann“: Christina Wünsche, Edgar Paulus, Fredy Bocken, Irmgard Kelleter, Marc Mentior, Odilia Gielen, Patrick Godesar (Gastautor), Renate Wünsche, Rolf Lennertz, Rudi Theissen, Verena Wünsche, Guido Emonts (musikalische Leitung), Guido Belleflamme (für das Gedöns drumherum).

Die noch ausstehenden Termine: 17., 19. März und 14., 16. April. Beginn freitags 20 Uhr, samstags und sonntags 19 Uhr im Foyer des Jünglingshauses, Neustraße 86 in Eupen.

Nachfolgend noch einige Fotos von der Aufführung der Kabarettgruppe „Jedermann“ im Foyer des Eupener Jünglingshauses (zum Vergrößern Bild anklicken):

10 Antworten auf “Jedermänner:innen mit satirischem Dreijahresrückblick”

  1. JEDERMANN ist eine von ganz wenigen Gruppen im ostbelgischen Kultursektor, die unabhängig sind und nicht dank massiver Unterstützung durch die DG „systemhörig“ ist wie Agora, Irene K., Chudoscnik Sunergia, IKOB u.a.

  2. Gottlieb

    Edgar Paulus wäre als „Madame Lapatsche“ auch nicht schlecht. Die Sticheleien gegen Agora und Irene K. sind nur Neid.
    Paulu (PFF und SI) sowie der sich versteckende Rolf Lennerz (CSP) waren selbst „systemhörig“ und wurden nur deshalb Schöffe und Staatsanwalt.

  3. Gottlieb

    Die entscheidende Frage ist doch, was Rolf Lennertz in seinem Amt als Staatsanwalt politisch betrieben hat. Bei „Jedermann“ kennt er sich offenbar im „Versteckspiel“ gut aus! Wo hat er das bloss gelernt? Da gab es doch einige Skandale, wo von ihm bei der Justiz nur im Flüsterkasten für gute Freunde etwas zu hören gab.

  4. Zaunkönig

    „Als die Unterstadt vom Hochwasser erfasst wurde, seien Bürgermeisterin Claudia Niessen und Schöffe Michael Scholl in Gummistiefeln erschienen – „aber nur beim Fototermin“.“

    Die Auftritte von Jedermann sind köstlich!
    Aber dieser Satz ist ungerecht und unverschämt und eine Frechheit. Was die beiden dort geleistet haben – und offensichtlich ohne Dank und Anerkennung, im Gegenteil, wie man sieht! – war unglaublich.
    Also an dieser Stelle:
    – Bitte an Jedermann, sorgfältiger zu recherchieren
    – Dank an die beiden zu Unrecht Verunglimpften

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern