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1980 Belgien besiegt, 1983 bis 1985 in Belgien gespielt: „Kopfball-Ungeheuer“ Horst Hrubesch wird 70 Jahre alt

Horst Hrubesch (stehend, 2.v.l.) 1983 mit der Mannschaft von Standard Lüttich (u.a. mit Walter Meuuws, Jos Daerden, Simon Tahamata und Michel Preud‘homme). Foto: Belga

Horst Hrubesch war einer der zentralen Spieler in der erfolgreichsten Ära des Hamburger SV. Eines seiner Kopfballtore wurde der belgischen Nationalelf im EM-Finale 1980 zum Vehängnis. Von 1983 bis 1985 spielte er bei Standard Lüttich. Jetzt wird er 70.

Über sich selbst zu reden, ist Horst Hrubeschs Sache nicht. Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb macht die Sturm-Ikone des Hamburger SV auch kein Aufhebens um ihren 70. Geburtstag am Samstag. Mit der Familie werde er zusammensein und mit seiner Mutter telefonieren, verrät der einst als „Kopfball-Ungeheuer“  gefürchtete Hrubesch im HSV-Podcast über seine Pläne.

„Ich werde da kein Brimbamborium machen in der Form“, sagt der frühere Fußball-Nationalspieler und heutige Chef des HSV-Nachwuchsleistungszentrums. „Für mich ist das ein Thema, bei dem ich sage: Okay, nehme ich zur Kenntnis. Ich habe bis heute eine tolle Zeit erlebt. Hoffen wir, dass es so weitergeht.“

13.11.2018, Thüringen, Erfurt: Der damalige Bundestrainer Horst Hrubesch vor Beginn eines Spiels der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Foto: Robert Michael/dpa

Dabei steht einiges auf der Habenseite des gebürtigen Westfalen: 21 Länderspiele mit sechs Treffern, Gewinn des EM-Titels 1980 mit beiden Toren im Finale gegen Belgien (2:1 / siehe VIDEO unten), 221 Tore in 325 Pflichtspielen von 2. Liga bis Europacup, Trainer von U19-Europameister Deutschland 2008, Trainer der U21-Europameister 2009, Trainer der silbernen DFB-Olympia-Mannschaft 2016, Interimscoach der DFB-Frauen.

Aber vor allem war er der Mittelstürmer des damals europaweit großen HSV mit 132 Toren in 211 Spielen, mit drei Meistertiteln und dem Gewinn des Europapokals der Landesmeisters 1983. Seine Tore fielen oft nach einer der berühmten „Bananenflanken“ von Manfred Kaltz. „Manni Banane, ich Kopf – Tor“, lautete eines der bekanntesten Hrubesch-Zitate.

Das wohl ruhmloseste Tor seiner Karriere erzielte Hrubesch am 25. Juni 1982 mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Spanien beim 1:0 gegen Österreich. Das Spiel ging als die „Schande von Gijon“ in die Fußballgeschichte ein.

Nach Hrubeschs Treffer zum 1:0 für Deutschland tat sich nichts mehr, denn das Ergebnis genügte beiden Mannschaften zum Weiterkommen. Ein endloses und schändliches Ballgeschiebe war die Folge.

„Es hat riesig Spaß gemacht, in Lüttich zu spielen“

Noch vor dem Hamburger Finalsieg gegen Juventus Turin 1983 unterschrieb Hrubesch einen Zweijahresvertrag in Lüttich. „Ich hatte mit Ernst Happel, meinem Trainer in Hamburg, gesprochen. Er war ja von Lüttich nach Hamburg gekommen. Als ich das Angebot von Standard kriegte, hat er mir gesagt: ‚Das ist ein europäischer Spitzenklub, da kannst du hingehen‘. Ich bin in Lüttich dermaßen freundlich und herzlich aufgenommen worden. Es hat riesig Spaß gemacht, dort zu spielen. Es war auch eine richtig tolle Mannschaft mit Tahamata, Plessers, Vandersmissen und wie sie alle hießen, Walter Meeuws war dabei und Michel Preud’homme im Tor. Wir hatten schon eine richtig gute Truppe“, sagte er 2010 in einem Interview mit dem Grenz-Echo.

22.06.1980, Italien, Rom: Der deutsche Stürmer Horst Hrubesch (l) attackiert den belgischen Abwehrspieler und späteren Klubkamerad bei Standard Lüttich, Walter Meeuws. Die deutsche Nationalelf gewinnt am 22.06.1980 in Rom das Endspiel der Fußball-EM gegen Belgien dank zweier Tore von Hrubesch mit 2:1. Foto: dpa

Zwei Jahre (52 Spiele/23 Tore) spielte Hrubesch für die „Rouches“, ehe er nach einer Spielzeit bei Borussia Dortmund 1986 seine Profikarriere beendete.

Einen Titel konnte Hrubesch mit Standard Lüttich nicht gewinnen, 1984 verlor er das Pokalfinale gegen AA Gent. Infolge der Bestechungsaffäre zwischen Standard und Thor Waterschei 1982 wurden im Frühjahr 1984 zahlreiche Lütticher Spieler gesperrt.

Begeistert hat Hrubesch das Lütticher Publikum. „Es war zu meiner Zeit ein sensationelles Publikum, zumal fast alle Spiele ausverkauft waren. Wir haben immer oben mitgespielt. Es waren wie gesagt zwei tolle Jahre. Auch von den Leuten, vom Umfeld her. Ich habe oben neben dem Trainingsgelände auf Sart-Tilman gewohnt. Selbst wenn man in die Stadt kam, ist man immer herzlich aufgenommen worden.“

„Sensationell, was er für eine Karriere hingelegt hat – als Spieler und als Trainer“, sagt Hrubeschs einstiger Mannschaftskamerad Felix Magath (67). „Die Bedeutung von Horst ist mir als Mitspieler gar nicht richtig klar geworden. Die habe ich erst im ganzen Umfang erfassen können, als ich selbst Trainer war. Da habe ich gemerkt, wie wichtig solche Typen mit unglaublicher Zugkraft für die Mannschaft sind.“ Magath lobt an Hrubesch dessen grundsätzlich positive Einstellung, dessen Unerschrockenheit und Selbstbewusstsein.

Die Flanken immer voll auf die Birne

„Er hatte nie Angst. Vor keinem Gegner. Von ihm war nie gekommen, ein Unentschieden könnte reichen. Er hat der Mannschaft jegliche Verunsicherung genommen“, sagt Magath und legt sich fest: „Horst war der wichtigste Spieler in unserem Team.“

Für Bernd Wehmeyer, damals HSV-Abwehrspieler, sind Hrubeschs Charaktereigenschaften in Erinnerung: „Er ist ein aufrichtiger, geradliniger Kerl. Er ist immer geradeaus.“ Genauso führt Hrubesch beim HSV das Nachwuchsleistungszentrum. „Wenn man sieht, mit welchem Enthusiasmus, mit welcher Power er das auch im fortgeschrittenen Alter macht, dann reißt einen das mit»“, gesteht der 68-Jährige.

25.05.1983, Frankfurt-Archiv: Der HSV-Stürmer Horst Hrubesch (2.v.l.) gewinnt am 25.05.1983 in Athen ein Kopfball-Duell gegen den Italiener Sergio Brio (2.v.r.), während die Turiner Antonio Cabrini (l) und Michel Platini (r) die Aktion beobachten. Im Finale des Europapokals der Landesmeister schlug der Hamburger SV den italienischen Vertreter Juventus Turin mit 1:0. Danach wechselte Hrubesch nach Lüttich. Foto: dpa

Willi Reimann schwärmt noch heute davon, wenn er den in der Strafraummitte wartenden Hrubesch bediente. „Ein Genuss. Die Flanken immer voll auf die Birne, meistens war der Ball drin“, erzählt der Linksaußen und lobt Hrubeschs Rolle: „Ein echter Führungsspieler.“

Dabei war der damalige HSV-Manager Günter Netzer wenig von den fußballerischen Qualitäten überzeugt, als er Hrubesch 1978 holte. „Einen solch lausigen Fußballspieler habe ich auf einem Fußballplatz noch nie gesehen. Der konnte so gut wie nichts“, erinnert sich Netzer in einem Einspieler im HSV-Podcast. „Ich habe aufgrund seiner Charaktereigenschaften auf ihn gesetzt“, sagt der spätere Patenonkel von Hrubeschs Sohn – und sollte recht behalten.

Eine Karriere wie die von Hrubesch ist kaum mehr vorstellbar. Er wurde erst mit 24 Jahren Profi bei Rot-Weiss Essen. Davor hatte er in seinem gelernten Beruf als Dachdecker gearbeitet. Auch das prägte ihn. Er hat Bodenhaftung behalten. Dazu passt sein Hobby Angeln. Vor über 40 Jahren tat er sich auch als Co-Autor eines Buches hervor: „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“, hieß sein Werk.

Auf dem Platz stand er für ehrliche Arbeit

Auf dem Platz stand er für ehrliche Arbeit, übernahm Verantwortung. „Die können ohne dich spielen, aber du nicht ohne die. Das war der entscheidende Faktor bei der Geschichte“, sagt Hrubesch. Und dies machte er auch als Trainer seinen Spielern deutlich.

Nach Jahren als Trainer bei Vereinen fand er beim DFB sein ideales Arbeitsfeld als Nachwuchscoach. Hrubesch sei nicht nur „ein absoluter Fachmann und eine Führungspersönlichkeit, sondern auch einer der wundervollsten Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte“, schwärmt Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB. Er nannte Hrubesch „einen hervorragenden Botschafter des DFB und des gesamten deutschen Fußballs“.

29.05.1982, Hamburg: HSV-Torjäger Horst Hrubesch (M) zeigt am auf dem Hamburger Rathaus-Balkon bei der Meisterfeier einer begeisterten Menge stolz die eroberte Meisterschale. Foto: Werner Baum/dpa

Seinen Umgangsstil beschreibt Hrubesch wie folgt: „Ich habe meine Spieler immer gefragt: Was wollt ihr eigentlich? Wo wollt ihr hin? Was wollt ihr machen? Und dann habe ich sie an ihren eigenen Ansprüchen gemessen.“ Zu vielen Spielern hat er bis heute engen Kontakt und sagt ihnen auch noch mal, wenn ihm etwas missfällt.

Zum Abschluss seiner DFB-Zeit wurde Hrubesch 2018 interimsweise Frauen-Bundestrainer nach der unglücklichen Ära unter Steffi Jones – und hinterließ auch dort Eindruck. „Er ist ein toller Mensch und war wie ein Vater für uns“, sagte Nationalspielerin Leonie Maier. „Er hat uns mit seiner Erfahrung in der schwierigen Zeit extrem weitergeholfen und wieder in die Spur gebracht.“

Seit dieser Saison kümmert er sich um den HSV-Nachwuchsbereich. „Er brennt für diese Aufgabe, ist nah dran, sucht den Austausch mit Trainern und Spielern“, sagt Sportvorstand Jonas Boldt. Dass die jungen Spieler seine Enkel sein könnten, ist kein Problem für Boldt: „Horst ist authentisch, das Gesamtpaket kommt einfach gut an. Dass sich so viele ehemaliger Spieler auch heute noch ohne besonderen Anlass bei ihm melden, ist der beste Beleg dafür.“ (dpa/cre)

Unter nachfolgendem Link im VIDEO die drei Tore im EM-Finale von 1980 in Rom zwischen Deutschland und Belgien:

https://www.youtube.com/watch?v=homi–RbFoM

https://twitter.com/ndrsport/status/1383363599574257672?s=21

3 Antworten auf “1980 Belgien besiegt, 1983 bis 1985 in Belgien gespielt: „Kopfball-Ungeheuer“ Horst Hrubesch wird 70 Jahre alt”

  1. M der Block

    Habe den Horst mal bei einem Spiel mit Standard Lüttich in Eupen erleben dürfen. Wenn der über den Platz brüllte dann wackelte die Tribüne .
    Das waren noch Fussballer mit Carakter und Carisma .

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