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Nach neuer Krawallnacht: Madrid erhöht den Druck auf katalanische Separatisten

18.10.2019, Spanien, Barcelona: Eine Frau überquert eine Straße voller Schutt und Trümmer nach Zusammenstößen zwischen der Polizei und katalanischen Unabhängigkeitsgegnern. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

AKTUALISIERT – Im katalanischen Unabhängigkeits-Konflikt verhärten sich die Fronten. Nach fünf Krawall-Nächten in Serie will Spaniens Zentralregierung nicht mit Regionalpräsident Quim Torra sprechen. Ein Ende der Demonstrationen und Unruhen ist nicht in Sicht.

Nach der fünften Krawall-Nacht in Serie im katalanischen Unabhängigkeitskonflikt hat die spanische Zentralregierung den separatistischen Regionalpräsidenten Quim Torra erneut zu einer klaren Verurteilung der Gewalt aufgefordert.

Auf den Vorschlag von Torra für ein Treffen mit dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez antwortete Madrid am Samstag, erst müsse das Gesetz respektiert werden, dann könne es auch einen Dialog geben. Torra hatte sich am Mittwoch zwar für ein Ende der Gewalt ausgesprochen, diese aber nach Ansicht der Zentralregierung nicht ausdrücklich verurteilt.

18.10.2019, Spanien, Barcelona: Polizisten stehen vor einer Polizeistation, umringt von Gegenständen die von Demonstranten auf sie geworfen worden sind. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

Wie die Regional-Behörden in einer jüngsten Bilanz am Samstag mitteilten, wurden am Freitagabend in ganz Katalonien 83 zum Teil minderjährige Demonstranten festgenommen. Unter den Festgenommenen war nach Medienberichten auch ein Fotograf der Zeitung „El País“.

Vor den nächtlichen Unruhen hatten nach Polizeischätzung allein in Barcelona rund 525.000 Menschen friedlich gegen die Verurteilung von neun Separatistenführern der abtrünnigen Region im Nordosten Spaniens sowie für mehr Selbstbestimmung demonstriert.

Proteste und Unruhen gab es am Tag eines von den Separatisten ausgerufenen Generalstreiks auch in anderen katalanischen Städten wie Tarragona, Lleida und Girona. 182 Menschen, darunter 22 Polizisten und zwei Journalisten, wurden nach Angaben der Regionalbehörden allein am Freitag in ganz Katalonien verletzt. Ein Polizist und ein Demonstrant wurden demnach schwer verletzt.

Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska reiste am Samstag nach Barcelona, um einige der Verletzten zu besuchen und mit seinem katalanischen Kollegen Miquel Buch zu sprechen. Anschließend sagte er dort vor Journalisten, die Polizei habe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit agiert. Die Regionalregierung war zuvor am Samstag zu einer Krisensitzung zusammengekommen.

Eine solche extreme Gewalt gab es noch nie

Nach übereinstimmender Einschätzung von Medien und Politikern wurde am Freitag die gewalttätigste Nacht seit dem Wiederaufflammen des Konflikts nach Bekanntgabe der Urteile am vorigen Montag registriert. Innenminister Buch sagte dem TV-Sender La Sexta in der Nacht zum Samstag, „eine solche extreme Gewalt“ habe es in Katalonien „noch nie gegeben“. Die Zahl der gewalttätigen Demonstranten wurde auf mehr als 4.000 geschätzt.

16.10.2019, Spanien, Barcelona: Ein Feuerwehrmann versucht, bei einem Protest ein Feuer auf der Straße zu löschen. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

Vermummte und dunkel gekleidete Antifa-Aktivisten, die in dieser großen Zahl erst seit kurzem an den Separatisten-Protesten teilnehmen, errichteten in Barcelona auch am Freitagabend brennende Barrikaden. Sie rissen Verkehrsschilder aus dem Boden, setzten Müllcontainer in Brand und bewarfen die Polizisten mit Steinen, Eiern und anderen Gegenständen. Die Polizei setzte unter anderem Gummigeschosse, Tränengas und erstmals auch Wasserwerfer ein. Der öffentlich-rechtliche TV-Sender RTVE sprach von einer «wahren Schlacht».

Das Oberste Gericht in Madrid hatte am Montag sieben ehemalige Politiker der Konfliktregion und zwei Anführer ziviler Organisationen des Aufruhrs für schuldig befunden hatte. Wegen ihrer Rolle bei dem illegalen Abspaltungsreferendum vom Oktober 2017 wurden sie zu Gefängnisstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Seither gibt es in Katalonien massive Proteste von Separatisten. Ein Ende der Unruhen ist nicht in Sicht. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

47 Antworten auf “Nach neuer Krawallnacht: Madrid erhöht den Druck auf katalanische Separatisten”

  1. Herbert G.

    In der EU dürfte es keine politischen Gefangenen geben! Hier werden neun Menschen von ihren Familien getrennt und sitzen für 9 bis 13 Jahre neben Mördern und Kinderschändern ein. Wo ist Herr Lambertz, der Mann der Regionen, wenn man ihn braucht? Was sagt Herr Junker, der große Europäer zu dieser unglaublichen Schweinerei?
    Eine Gefängnisstrafe soll doch theoretisch eine Resozialisierung der Gefangenen bewirken. Erwartet man, dass die eingesperrten Politiker nach neun Jahren aus dem Gefängnis kommen und sich Richtung Madrid verneigen? Werden sie von geschulten spanischen Nationalisten betreut und auf dem richtigen politischen Weg gebracht?
    Das Ganze ist eines europäischen Landes unwürdig und hat was vom Geruch eines Umerziehunslagers aus der düstersten Zeit Europas vor 80 Jahren,

  2. Pensionierter Bauer

    Die spanische Justitz hat mit diesem Urteil richtig viel Öl in die Glut geschüttet. Die Ideen der Gründungsväter der Europäischen Vereinigung waren da ganz sicher andere. Ich mache mir über das Auseinanderdriften der Menschen überall in Europa sehr große Sorgen.
    Man kann sich des Eindrucks nicht mehr widersetzen, dass einjeder seine Vorstellungen mit der Brechstange durchsetzen will.
    Das was gerade geschieht ist eine Beleidigung aller, die sich in der Nachkriegszeit daran gemacht haben, eine friedliche Wohlstandsgesellschaft aufzubauen und diese den nachfolgenden Generationen zu hinterlassen.
    Die von Ideologischen Ideen getriebenen Menschen, die gegenwärtig in der Verantwortung stehen und nachrücken, werden unseren weiteren Nachfahren mit einiger Sicherheit so etwas wie verbrannte Erde hinterlassen.

  3. Die Katalanischen Separatisten waren bisher weitgehendst friedlich. Es steht zu befürchten das dies, provoziert durch Spanische Nationalisten und undemokratisches Vorgehen, nicht ewig dauert.

  4. Herbert G.

    Genau so wie ich gegen Haftstrafen für Spalter bin, bin auch gegen die Spalter selber. Es zeugt nur vom Egoismus einer Ethnie, wenn sie sich durch Abgrenzung grösseren Reichtum erhoffen. Das wäre so, als ob die Flamen Belgien verlassen würden oder die Bayern Deutschland.

  5. Alfons van Compernolle

    Fuer die Proteste habe ich Verstaendnis , die sinnlose Randale allerdings sind massenhafte Dummheit.
    Richtig mit den auch fuer mich ungerechtfertigten Urteilen hat die spanische Justiz noch einmal so richtig einen Flaechenbrand mit Benzin ersticken wollen. Das wird kein gutes Ende nehmen , ich erinnere hier nur an die „ETA“ und ihre Bombenanschlaegen in anderen Landesteilen Spaniens !

  6. Müsste man dann nicht auch die ganzen Wähler, die sich für die Abspaltung entschieden haben, in den Knast stecken, wegen Mittäterschaft. Noch ein paar Jahre und wir haben die gleichen Verhältnisse in „Ostbelgien“

  7. Wenn ein Volk demokratisch seine politischen Vertreter ins Parlament wählt, wenn das Parlament demokratisch seine Regierung wählt, wenn das demokratisch gewählte Parlament dann seine demokratisch gewählte Regierung auffordert eine Volksabstimmung durchzuführen und wenn diese Regierung dies dann veranlasst, so muss ein Staat schon sehr seltsame Gesetze und ein Richter einen Virus im Kopf haben um diese Regierungsvertreter deshalb für 13 Jahre ins Gefängnis zu schicken.

    • Andere Länder, andere Sitten! Scheint aber sonst keinen zu stören. Ministerpräsident Rahoy hat ja immer Recht und wird solange Neuwahlen veranstalten, bis das Ergebnis der Wahl in Katalonien im gefällt! Die Anderen Staaten halten sich bedeckt, weil sonst andere Regionen Europas auch den Aufstand gegen ihre Regierung wagen könnten.

  8. Walter Keutgen

    Albert: aus Wikipedia: „Am 1. Juni 2018 verlor Rajoy sein Amt als Ministerpräsident durch ein Misstrauensvotum im Parlament. Am 5. Juni 2018 trat Mariano Rajoy als Parteivorsitzender der PP zurück.“ Er hat die Politik verlassen. Dann ist ein Sozialist Ministerpräsident geworden und vor Kurzem Neuwahlen gewesen. Von immerwährenden Neuwahlen in Katalonien weiß ich nichts. Ansonsten haben Sie im großen Ganzen Recht. Kaum ein Land würde eine Abspaltung eines Landesteils ohne Weiteres verdauen. Im Übrigen hätte die Volksabstimmung, wenn sie denn ordnungsgemäß veranstaltet und ausgezählt worden wäre, ein Resultat um die 50% wie die zur Unabhängigkeit Schottlands oder zum Brexit erhalten, was das katalonische Volk gespalten hätte. Die, die den wirtschaftlichen Erfolg Kataloniens erwirtschaften, wissen sehr wohl, was es bedeuten würde, das Hinterland zu verlieren. Die, die vor den Kameras und Mikrofonen so für die Unabhängigkeit waren, waren nicht solche, die im privatwirtschaftlichen Erwerbsleben stehen.

  9. Ob die Katalanen gut gestellt wären wenn sie mehr Autonomie von Spanien erhalten würden ist wahrscheinlich unumstritten, ob es gleich zur Unabhängigkeit kommen muss ist wohl eine Entscheidung die die Katalanen selbst treffen müssen.
    Darum geht es hier aber gar nicht. Es geht hier darum dass der spanische Zentralstaat den Katalanen die Meinungsfreiheit beschneidet und sie ihrer demokratischen Rechte beraubt. Jeder muss seine Meinung frei äussern können, auch in einem Referendum. Ob die Regierung in Madrid dieses Referendum als bindend ansieht oder nicht steht auf einem anderen Blatt. Hier sitzen aber seit 2 Jahren Menschen, Politiker (sind auch Menschen) , im Gefängnis die nichts anderes getan haben als ihren Wählern die Möglichkeit zu geben ihre Meinung in einem Referendum auszudrücken.
    Die Urteilsbegründung mit „Unruhestifter“ oder „Vergeudung öffentlicher Gelder“ sind lachhaft und rechtfertigen noch nicht mal einen Prozess, geschweige 100 Jahre Gefängnis.
    Die Richter in Madrid haben mehr Unruhe gestiftet und Steuergelder vergeudet als alle Katalanischen Seperatisten gemeinsam.

  10. Zaungast

    „Das wäre so, als ob die Flamen Belgien verlassen würden oder die Bayern Deutschland.“

    Auf Bayern träfe der Vergleich zu: Ein Bundesland, das früher vom Bund gepäppelt wurde, hat sich zum Geberland entwickelt. Gut so. Da es den Bayern momentan (kann alles wieder kippen, nichts ist ewig) besser geht, könnten die ja in die Versuchung kommen, sich unabhängig zu erklären, um die Früchte allein zu geniessen. Eine eigene Sprache und Kultur haben sie ja schon.

    Aber mit Flandern sieht das etwas anderes aus. Zwar war auch Flandern lange unterentwickelt und hat dank verschiedener Faktoren vor nicht allzu langer Zeit die Wallonie überholt, aber es wäre wohl der weltweit einzige Fall, dass sich die Mehrheitsregion von einer Minderheit abspaltet, nur um nicht solid

    • Zaungast

      Fortsetzung (falsch geklickt): … nur um nicht solidarisch innerhalb eines Staates sein zu müssen.
      Dabei ist ein solcher Finanzausgleich in allen Staaten üblich. In Deutschland ist das bekannt als Länderfinanzausgleich, in der Schweiz alimentieren 6 Kantone die 20 anderen.

      Das oben erwähnte Selbstbestimmungsrecht der Völker war und ist niemals als Freibrief für allerlei Sezessionen verstanden worden. Es war immer auch eine Machtfrage. Beste Beispiele: der amerikanische Sezessionskrieg, die Abspaltung der Provinzen Katanga im Kongo und Biafra in Nigeria. Die beiden letzten wurden unter dem Beifall bzw. der stillschweigenden Duldung der Staatengemeinschaft beendet.

      • Zaunkönig

        Der solidarische Ausgleich ist üblich, aber er ist nicht selbstverständlich! In einer Gemeinschaft muss jeder einen Mehrwert finden. Der Reichere will dann eben auch einmal was mehr Autonomie. Diesen Drang bremst man nicht mit Gefängnisstrafen!

        • Zaungast

          „Der Reichere will dann eben auch einmal was mehr Autonomie.“
          „Autonomie“ heißt das also jetzt?
          Warum wird hier eigentlich immer gejammert, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden?
          Gönnen wir den Reichen doch ihre „Autonomie“. Die Armen sind eh selbst schuld.

          • Zaunkönig

            Kennen Sie den Spruch: careful what you wish for, you just might get it (sei vorsichtig was du dir wünschst, du könntest es bekommen)? Last sie machen! Was sind die Katalanen denn allein? Wenn sie sich ordentlich auf die Nase gelegt haben und eingesehen haben, dass die Unabhängigkeit doch nicht so toll ist, dann ist Ruhe und SO stärkt man den Zusammenhalt! Nicht indem man ihn erzwingt sondern indem man die Ausreißer gehen lässt, damit sie geläutert zurück kommen. Die EU ist kein Kindergarten, behandelt die Leute also nicht wie Kinder!
            Wenn sie trotzdem Erfolg haben, dann hat die EU ein Problem, ein selbst verschuldetes!

  11. Demokratie

    Das was in Spanien zur Zeit passiert, erinnert mich an China, dem blutigen nieder Knüppeln von Demonstranten auf dem Platz des himmlischen Friedens.
    Nicht alle die in Spanien demonstrieren sind gewalttätig. Die spanische Polizei haut wahllos drauf. Das hat mit Demokratie nichts zu tun.
    Selbst in Hongkong geht die dortige Polizei nicht dermaßen brutal vor! Das mitten in Europa sowas toleriert wird, alle Politiker nur zu schauen, ist ein Armutszeugnis

  12. Spanienversteher

    Mal eine Frage in den Raum gestellt. Werden den Katalanen in Spanien die gleichen Rechte/Eigenständigkeiten eingeräumt wie etwa den Basken? Oder haben Basken dank ihrem Widerstand mehr Rechte/Vorteile/Eigenständigkeiten erhalten?

      • Spanienversteher

        @Joseph
        Danke, also werden nicht alle spanischen Regionen oder Provinzen gleich behandelt vom Zentralstaat Spanien. Warum also diese Ungerechtigkeit? Wenn ich richtig verstehe, müssen die Katalanen genau wie die Basken erst mal Bomben werfen um eine gleichwertige Anerkennung zu erhalten. In Spanien sind also bei weitem nicht alle Bürger gleich vor dem Gesetz! Die Basken haben vorgegeben, wie man so etwas ändern kann.

        • Leider ist es so. Die Separatisten in Katalonien versuchen diese politische Forderung allerdings friedlich und demokratisch durchzusetzen, ein unbedingtes muss wenn man eines Tages vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen will. Deshalb von den Katalanischen Separatistenparteien der Aufruf friedlich zu demonstrien, was einige katalanische jugentliche Hitzköpfe allerdings anders sehen. Obwohl die heutigen Demonstrationen nicht für die Unabhängigkeit sondern gegen die Willkürjustiz aufgeboten werden.

  13. Peer van Daalen

    Irgendwie kommt mir der Text unter dem ersten Bild mit den Trümmern auf der Straße eine wenig seltsam vor:

    „Eine Frau überquert eine Straße voller Schutt und Trümmer nach Zusammenstößen zwischen der Polizei und katalanischen Unabhängigkeitsgegnern.“

    Es waren zwar auch spanische Nationalisten auf Krawall aus und unterwegs aber das war die Schlacht zwischen Unabhängigkeits-BEFÜRWORTERN (!) und der Polizei in der Umgebung des Plaza Urquinaon und der Ecke an der Straße Carrer de Roger de Llúria.

    https://twitter.com/i/status/1185299183051464704 .

    Mögliche Unabhängigkeitsgegner hätten dort keine dicke Lippe riskiert..

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