Gesellschaft

Herr Schöpges, was haben Sie eigentlich mit Wladimir Putin zu tun?

Erwin Schöpges, Vorstandsmitglied der MIG und des EMB, auf der Verkehrsinsel in Battice, wo sich die Milchbauern am Dienstagabend wieder treffen wollen. Foto: OD

Erwin Schöpges ist in diesen Tagen wieder viel unterwegs. Am vergangenen Freitag warnte der Ameler bei einer Pressekonferenz auf der Landwirtschaftsmesse von Battice vor einer neuen Milchkrise. Verursacht wird diese durch den russischen Importboykott von Agrarprodukten aus dem Westen.

Nach der Pressekonferenz stellte sich Erwin Schöpges, Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft MIG und des European Milk Board (EMB), den Fragen von „Ostbelgien Direkt“.

OD: Was hat Erwin Schöpges mit Wladimir Putin zu tun?

Schöpges: Im Moment ist Wladimir Putin für uns auf jeden Fall ein interessantes Objekt. Er hat vor etwa einem Monat beschlossen, alle Importe von Agrarprodukten aus dem Westen nach Russland zu verbieten. Das bereitet uns natürlich große Sorgen. Anfang dieses Jahres hatte sich der Milchpreis gut erholt. Wir lagen bei einem Milchpreis von 37-38 Cent. Wegen der Liberalisierung ist der Milchpreis inzwischen wieder auf 32-33 Cent gesunken. Das war schon ein erstes Zeichen, dass der Markt enorm unter Druck steht. Die Bauern haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 5,3% mehr Milch produziert. Es gab also ohnehin schon eine große Überproduktion.

OD: Und dann kam auch noch Wladimir Putin hinzu?

Erwin Schöpges 2009 bei einer Bauernkundgebung vor dem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Foto: Belga

Erwin Schöpges 2009 bei einer Bauernkundgebung vor dem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Foto: Belga

Schöpges: Genau. 1,5% aller europäischen Milchprodukte gingen nach Russland. Wenn es also sowieso schon zu viel Milch auf dem Markt gibt und weitere 2,5 Milliarden Liter Milch durch den russischen Importboykott keinen Absatz finden, kann man sich leicht vorstellen, welche Auswirkungen diese neue politische Großwetterlage für die europäischen Milchbauern hat.

OD: Was schlagen Sie vor?

Schöpges: Beihilfen zu beschließen, bringt nichts, ist auch nicht möglich, weil die EU nicht das Geld dafür hat. Die Lagerhaltung wieder zu öffnen, macht auch keinen Sinn, denn die enorme Menge an Milch, um die es hier geht, kann man eigentlich gar nicht lagern. Außerdem würde diese überschüssige Menge an Milch längerfristig den Milchpreis unter Druck setzen. Exportsubventionen wären ebenfalls keine Lösung des Problems, denn dadurch würden zum Beispiel die bäuerlichen Strukturen in Afrika, die gerade dabei sind, sich langsam zu entwickeln, durch die Mengen an Milchpulver aus Europa sofort wieder zerstört.

OD: Also ein Problem, das nicht gelöst werden kann?

Nur mit einer vernünftigen Regulierung des Milchpreises lassen sich bäuerliche Betriebe erhalten, sagt Erwin Schöpges. Foto: Shutterstock

Nur mit einer vernünftigen Regulierung des Milchpreises lassen sich bäuerliche Betriebe erhalten, sagt Erwin Schöpges. Foto: Shutterstock

Schöpges: Das würde ich nicht behaupten. Wir fordern ganz klar einen freiwilligen Lieferverzicht. Die Bauern, die freiwillig darauf verzichten, einen Teil ihrer Milch zu produzieren, würden dafür eine kleine Entschädigung bekommen. Anstatt dieses Geld für eine unnötige und kontraproduktive Lagerhaltung auszugeben, könnte die EU diese Mittel direkt an die Milchbauern zahlen.

OD: Was ist, wenn dies nicht ausreichen sollte?

Schöpges: Dann wäre noch die beste Lösung, dass man die Milchproduktion europaweit für alle Bauern um 2% kürzt. Das würde kein Geld kosten, denn jeder Bauer wäre in der Lage, seine Produktion um 2% zu kürzen. Dadurch würde der Markt wieder ins Gleichgewicht gebracht, wir würden wieder ein normaleres Milchpreisniveau erreichen, was den Milchbauern wiederum zugute käme. Und dadurch könnten die bäuerlichen Strukturen bei uns erhalten bleiben.

OD: Was Sie sagen, fördert das Bild vom ewig klagenden Bauern, der nie zufrieden ist. Ist es nicht das Wetter, an dem er Anstoß nimmt, klagt der Bauer über den Milchpreis. Trotzdem gibt es den Milchbauern noch. Malt Erwin Schöpges den Teufel an die Wand?

Erwin Schöpges (3.v.l.) mit anderen Europakandidaten von Ecolo. Foto: OD

Erwin Schöpges (3.v.l.) mit anderen Europakandidaten von Ecolo. Foto: OD

Schöpges: Natürlich nicht, aber ich kann durchaus nachvollziehen, dass es in der Bevölkerung dieses Bild vom ewig klagenden und unzufriedenen Landwirt tatsächlich gibt. Man sollte aber wissen, dass viele Milchbauern nur deshalb mit Ach und Krach über die Runden kommen, weil sie Familienangehörige und Freunde haben, die ihnen bei der Arbeit helfen. Was auch kaum jemand sieht, ist diese enorme Verschuldung, der unsere Landwirte ausgesetzt sind. Es ist ein schleichender Tod, der für Außenstehende nicht sichtbar ist. Viele Betriebe sind ja auch schon längst gestorben. Wenn der Beruf des Landwirts so toll wäre, würden ja viele in diesen Job einsteigen, was aber nicht der Fall ist. In immer mehr Dörfern gibt es heute keinen einzigen landwirtschaftlichen Betrieb mehr.

Siehe auch Artikel „Erwin Schöpges mit Plastikkuh“

 

19 Antworten auf “Herr Schöpges, was haben Sie eigentlich mit Wladimir Putin zu tun?”

  1. Wir da nicht wieder versucht auf dem Rücken der Verbraucher Preisabsprachen zu tätigen? Ähnlich verhält es sich doch auch mit dem belgischen Obst. Während aufgrund von fehlenden Absatzmärkten (Russland) Hilfspakete für die Obstbauern geschnürt werden, wird Russland über die Hintertür China weiter eifrig mit belgischen Produkten beliefert. Das funktioniert zwar über dunkle Kanäle und mit Schmiergeldern, doch unter dem Strich bleibt ein Batzen mehr Geld übrig. Wenn die Landwirte und auch die Verbraucher nicht langsam sich für einen Warenbezug im Umkreis von max. 250 km aussprechen und dieser gesetzlich verankert wird, geht ohnehin alles den Bach runter. Es herrscht eine „globale Verschrottung aller Werte“.

  2. Mischutka

    Danke OBdirekt für dieses sehr interessante Gespräch.
    Aber wie war das noch vor einiger Zeit ? Waren es nicht die MILCHBAUERN, welche Unmengen an (guter) Milch planlos durch die Gegend schleuderten … über Wiesen, Strassen usw…. anstelle diese Milch an bedürftigen Menschen zu verteilen ??? (Wobei diese Leute den weissen Saft auch sicherlich noch abgeholt hätten ???)
    Und jetzt soll man Mitleid haben ???
    MfG.

  3. Ich finde es großartig, wie Herr Schöpges für seine Sache streitet. Statt Plastikkühe aufzustellen, sollte man Erwin Schöpges auf einer Verkehrsinsel in Ostbelgien ein Denkmal errichten. Er hätte es verdient.

  4. „Schöpges: Dann wäre noch die beste Lösung, dass man die Milchproduktion europaweit für alle Bauern um 2% kürzt. Das würde kein Geld kosten, denn jeder Bauer wäre in der Lage, seine Produktion um 2% zu kürzen. Dadurch würde der Markt wieder ins Gleichgewicht gebracht, wir würden wieder ein normaleres Milchpreisniveau erreichen, was den Milchbauern wiederum zugute käme. Und dadurch könnten die bäuerlichen Strukturen bei uns erhalten bleiben.“

    Aha, bis dato hieß es doch immer, dass die Landwirte eigentlich so viel wie möglich
    Milch produzieren müssen, um „zu überleben“, nach dem Motto : die Menge macht’s. Jetzt soll auf einmal weniger produziert werden und laut Schöpges
    wäre alles wieder gut……

  5. Joseph Meyer

    Herr Schöpges,
    wie wäre es, wenn Sie und Ihre Bauerkollegen Sich geschlossen dafür einsetzen würden, dass die Sanktionen gegen Russland SOFORT aufgehoben werden, oder anderfalls gehen Sie und die Bevölkerung massiv auf die Strasse und fegen unsere verrückt gewordenen Politiker aus ihren Ämtern…?! Kriegstreiberei gegen einen atomar gerüsteten Gegner und dann auch noch völlig zu Unrecht! Das schreit zum Himmel!
    Siehe auch:
    http://politik-im-spiegel.de/die-nato-kmpft-verzweifelt-um-einen-krieg/#more-19128

  6. 4701Kettenis

    Jahrelang darauf verlassen dass andere einem die Ware abkaufen, total gepennt…ja da muss ich nachher nicht weinen wenn billig Milch aus Polen den Markt nach Öffnung der Grenzen uberschwemmt…

    Dank EU dann wieder den Kahn rumgerissen und jetzt aufs Neue wieder weinen…ist Schlecht Wetter oder Hagel Schaden oder Ernte Ausfall…die EU bezahlt ja…und trotzdem wird immer noch gejammert.

    Klar ist es ein Mega harter Job, der viel Idealismus braucht…aber das sind andere Selbstständigkeiten auch…und da kommt auch die EU nicht und hilft jedesmal…

  7. verquirlte Milch

    Gaaaaaaaaaaaaanz einfach. Verarbeitet die überschüssige Milch zu Käse. Schon hat man kein Milch Problem. Das eventuelle Käseproblem ist ja leicht zu lösen. Verkauft ich als Schimmelkäse.

  8. Willy Münstermann

    Dumme Leute glauben noch an Erwin Schöpges.In der Landwirtschaft ist in guten und in schleten Zeiten mal mehr mal weniger Geld zu verdienen.Ein realitisch denkender Landwirt glaubt nicht mehr am Weihnachtsmann Erwin Schopges.

  9. Eggenberger Christian,CH

    Wir Schweizer werden mit der kommenden Milchkrise mitziehen.Die EU hat euch Milchbauern auch an der Nase rumgeführt, denn die erwartete Besserung für die Milchbauern , wird nach der Quotenauflösung ab 1.Jan.2015 bestimmt nicht eintreffen.Jetzt versucht die EU mit allen möglichen Mitteln den aktuellen Milchpreis bis Ende Jahr zu stützen, damit die Vollgasmelker noch bis Ende Jahr bei guter Melkerlaune gehalten werden können.Am ersten Januar 2015 kommt dann die Realität krass zurück.
    Einem Pferd muss man zwischendurch auch einen Zucker geben, damit es wieder zieht….Leute wie Erwin Schöpges hat es für uns Milchbauern leider viel zu wenig.

  10. Willy Münstermann

    Herr Eggenberger, schön wärs, leider hat sowohl Erwin Schöpges wie auch der BDM bis zum heutigen Tag absolut dreimal nichts vorzuweisen. Von 99,99 % der Landwirte wird er ausgelacht.Bleiben Sie doch mit denFüssen am Boden..Zu Ihrer Information, die Milchquoten laufen am 31.03.2014 aus. Gruss Willy Münstermann.

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