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Gericht stellt Putins Gegner Nawalny für Jahre politisch kalt – Dreieinhalb Jahre Haft

02.02.2021, Russland, Moskau: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny reagiert während einer Anhörung. Foto: Moscow City Court Press Office/TASS/dpa

Der Kremlgegner Alexej Nawalny wird wie erwartet durch ein Moskauer Gerichtsurteil für Jahre politisch kalt gestellt. Ein Gericht in Moskau verhängte am Dienstag dreieinhalb Jahre Straflagerhaft.

Der 44-Jährige habe mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen, teilte das Gericht am Dienstag mit. Deshalb wurde eine frühere Bewährungs- nun in eine echte Haftstrafe umgewandelt. „Ich war in Deutschland in Behandlung“, hatte Nawalny dazu im Gerichtssaal vor dem Urteil der vom Kreml eingesetzten Richterin Natalia Repnikowa argumentiert.

Womöglich wird ihm nach Darstellung seiner Anwälte ein früherer Hausarrest angerechnet. Dann müsste er zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager und käme im Oktober 2023 wieder auf freien Fuß. Der Richterspruch löste international Kritik aus.

02.02.2021, Russland, Moskau: Julia Nawalnaja (M), Ehefrau von Alexej Nawalny, nimmt an einer Anhörung. Foto: –/Moscow City Court/Sputnik/dpa

Der Gegner von Präsident Wladimir Putin hatte sich in Berlin und Baden-Württemberg fünf Monate lang von einem Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholt. Nawalny, der das Urteil still und mit rollenden Augen aufnahm, hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich deshalb nicht habe in Moskau persönlich melden können. Das Urteil löste international Entsetzen aus.

Die Anwälte des russischen Oppositionsführers kündigten Berufung gegen die Entscheidung an. Sein Anwalt Wadim Kobsew meinte, dass Nawalny am Ende de facto zwei Jahre und acht Monate im Straflager bleibe, sollte das Urteil in Kraft treten und eine frühere Strafe im Hausarrest anerkannt werden.

Während die Richterin im Eiltempo das Urteil sprach, malte Nawalny – mit Blick auf seine Frau – mit dem Finger mehrfach Herzen an die Scheibe in einem Glaskasten, in dem stand. Als klar war, dass er in ein Straflager soll, brach seine Ehefrau Julia Nawalnaja in Tränen aus. Sie nahm auch ihre schwarze Gesichtsmaske ab. „Bis bald. Sei nicht traurig. Alles wird gut“, konnte er zum Abschied noch sagen.

Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden. Am Montag wurde sie zu 20.000 Rubel (219 Euro) Geldstrafe verurteilt.

23.01.2021, Russland, Moskau: Zahlreiche Menschen versammeln sich auf dem Puschkin-Platz während eines Protestes gegen die Inhaftierung des Oppositionsführers Nawalny. Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Nawalnys Anhänger riefen zu spontanen Protesten auf. In Moskau sperrten Sicherheitskräfte das Zentrum samt Rotem Platz ab. Auch in St. Petersburg stellten sich die Behörden auf Proteste gegen die Inhaftierung des Oppositionsführers ein.

Nawalny nutzte seinen von Medien als „historisch“ bezeichneten emotionalen Auftritt vor Gericht für einen neuen Angriff auf Putin. Der Präsident werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die Geschichte eingehen, sagte Nawalny. Er erinnerte daran, dass er im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift überlebte.

Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das „Killerkommando“  soll seine Unterhose mit dem Gift benetzt haben. „Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten“, sagte Nawalny über Putin.

Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Anschlagsvorwürfe zurückgewiesen. Richterin Repnikowa forderte den Oppositionellen auf, vor Gericht keine Politik zu machen. Nawalny dagegen appellierte an die Menschen, ihre Angst zu überwinden.

Am Gerichtsgebäude agierte ein beispielloses Polizeiaufgebot. Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewachten das Moskauer Stadtgericht und sperrten es weiträumig mit Metallgittern ab, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Die Staatsmacht rüstete sich so gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Das unabhängige Portal ovdinfo.org berichtete von mehr als 370 Festnahmen am Dienstag. (dpa)

14 Antworten auf “Gericht stellt Putins Gegner Nawalny für Jahre politisch kalt – Dreieinhalb Jahre Haft”

    • marcel scholzen eimerscheid

      Das stimmt eigentlich. Putin ist dumm, Nawalny durch Gerichtsprozesse soviel Aufmerksamkeit zu schenken. Er wäre schlau, ihn irgendwo an die mongolische Grenze zu schicken in ein kleines Dort, wo er dann als Schalterbeamter der Post arbeiten kann.

      Ich frage mich, warum der Westen so einen Narren an Nawalny gefressen hat. Der Westen ist gut geraten, sich aus inneren Angelegenheiten Russlands herauszuhalten. Immer wieder hat der Westen irgendwelchen ausländischen Oppositionellen Asyl gewährt und als diese dann in ihr Land zurückkehrten, betrieben diese eine anti-westliche Politik. Ein gutes Beispiel ist Khomeni. Selbst wenn Nawalny an die Macht kommen sollte, so bedeutet das noch lange nicht, dass Russland eine Demokratie nach westlichem Vorbild wird. Die Russen haben noch immer die 90er Jahre unter Jelzin schlechte Erfahrungen gemacht mit „Demokratie“. Viele waren froh, als Putin an die Macht gekommen ist, und mal die Lage beruhigt hat. Und es ist schwer zu sagen, über wieviel Rückhalt Nawalny verfügt in der Bevölkerung.

      • BUNTE REVOLUTIONEN

        Die BUNTEN REVOLUTIONEN… Ist doch immer nur eins: Selbstdarsteller, finanziert durch Soros und co., auf einer großen Bühne. Timoschenko, Saakashviili, diese Braut in Weiß-Russland, usw.
        Wenn das alles keine Konsequenzen hätte, wäre es egal, aber der Westen treibt es so weit, vor allem direkt an den Grenzen zu und selbst in Russland, daß die Russen es irgendwann leid sind und dann knallt es.
        Dann haben wir, vor allem in Europa, ausgeschissen!

        • Rob-Otter

          „Dann haben wir, vor allem in Europa, ausgeschissen!“

          Wir im Westen haben die scharfsinnigsten Chefdiplomaten z.B. H. Maas, J. Asselborn und die EU-Chefin VdL ist auch nicht ohne, die werden im Konfliktfall die volle Verantwortung übernehmen.

    • Rob-Otter

      … weil er in Berlin im Koma lag konnte er seinen Meldepflichten nicht nachkommen.

      Nawalny könnte Schadensersatz von den Leuten verlangen, die ihn nach Berlin ausgeflogen haben und von den Ärzten, die ihn ins künstliche Koma gelegt hatten.
      Denn weit weg von Moskau und im künstlichen Koma kann Niemand sich irgendwo melden.

      Deshalb muss er jetzt eine Gefängnisstrafe absitzen, ist vorbestraft, hat seine bürgerlichen Ehrenrechte verloren und kann nie mehr Präsident einer lupenreinen Demokratie werden.
      Dies alles wegen seiner Freunde und der behandelnden Ärzte.
      Bei denen kann er sich herzlich bedanken.

  1. karlh1berens

    Navalny ist ein U-Boot des Westens und in RU bedeutungslos (unter 1 %).

    Der hatte bei den letzten Wahlen noch weniger Stimmen als ich bei irgendeiner Wahl in den letzten 40 Jahren.

    Und im Knast war ich auch schon !

    So what ?

  2. Von Größe und Gegnern

    Wieso hat Putin immer nur Gegner? Keine Rivalen, Mitstreiter, oder so, immer nur gegner?
    Ich stoße auf einen Artikel (aus dem Focus…) vom 17.9.2016:
    „Besuch bei Putins größtem Gegner. Der ehemalige Yukos-Oligarch Michail Chodorkowski…“
    (ist Chodokorswki echt so groß, über 2 m. ?)
    An der Rhetorik, also hier Lexik, der Mainstream-Medien erkennt man auch wie diese gleich geschaltet sind…
    Putin ist der Größte!

  3. Jemanden wegen Nichteinhaltung der Bewährungs-Meldeauflage zu verurteilen, der halb vergiftet krankheitsbedingt und weltbekannt zum ausländischen Krankenhaus unterwegs ist, dort medienwirksam behandelt wird und dann freiwillig zurückkehrt, ist eine Farce. Die Russische Föderation ist weder ein Rechtsstaat noch eine „lupenreine Demokratie“. Aber nicht jeder zu Unrecht Verurteilte muss deshalb eine politische Lichtgestalt sein. Nawalny ist nicht unbedingt sympathisch, im Georgienkrieg 2008 hat er sich als nationalistischer Kriegstreiber hervorggetan, der bedauerte, dass Russland nicht viel mehr Bomben auf georgische Städte warf.

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