Gerhard Palm, Mitbegründer der Partei der deutschsprachigen Belgier (PDB) und ehemaliger Bürgermeister von Büllingen, ist am vergangenen Samstag im Alter von 78 Jahren gestorben.
Gerhard Palm gehörte dem Gemeinschaftsparlamen fast 37 Jahre an. Er war damit einer der Pioniere der Autonomie des Gebiets deutscher Sprache, wenngleich er die meiste Zeit seiner politischen Laufbahn auf der Oppositionsbank verbrachte, nämlich von der Gründung des Rates der deutschen Kulturgemeinschaft (RdK) im Jahre 1973 bis zum Wechsel der PJU-PDB in die Mehrheit im Jahre 2004.
Ende 2010 zog sich Palm aus dem Parlament zurück. Seit 1977 war der Mürringer auch Gemeindepolitiker, von 1989 bis 2006 Bürgermeister von Büllingen.
„Ostbelgien Direkt“ bat Freddy Derwahl um einen Nachruf auf das politische Wirken von Gerhard Palm, das der Journalist und Schriftsteller lange Zeit als BRF-Redakteur beobachten konnte. (cre)
Gerhard Palm – Als Vordenker und Tribun mit Courage für seine Überzeugungen gekämpft
Von Freddy Derwahl
Die Einladung des Herausgebers von „Ostbelgien Direkt“, einen Nachruf auf Gerhard Palm zu schreiben, hat mich als etwas abstrakt überrascht, jedoch nach einem längeren Nachdenken zugleich provoziert und sogar inspiriert.
Gewiss verband mich in langen Jahren als Redakteur des BRF weder Zuneigung noch Freundschaft mit Gerhard Palm. Das Gegenteil war der Fall, aber es herrschte ein unausgesprochener Respekt. Er schmunzelte über die Verve des in den 1980er Jahren von Gerard Cremer gegründeten „Grenzland-Report“. Ein einziges Mal sprach er mich darauf an, nachdem ich dem in der PDB engagierten Dechanten von Eupen, Helmut Schmitz, eine Laudatio gewidmet hatte. Palm bedankte sich!
– Kein Pöstchen in der alten Post: Doch herrschte danach wieder dieser gegenseitige Argwohn. Als ehemaliger Presseattaché von Staatssekretär Willy Schins und den Innenministern Charles Hanin und Joseph Michel verdächtigte er mich des „Verrats“. In Brüssel fürchtete man in der PDB heimliche Trennungsstrategien, obwohl ich selbst mit Reiner Pankert, Klaus Baltus und Dr. Norbert Scholzen herzliche kontroverse Debatten führen konnte, was die Minister begrüßten. Sie sind unvergessen geblieben.
Palm hielt sich in der ersten Jahren im Rat der deutschen Kulturgemeinschaft (RdK) bescheiden zurück, obwohl man ihm ansah, dass es in ihm brodelte, wenn Albert Gehlen, Ferdy Dupont oder „der lange Fred“ Evers ans Rednerpult traten. Als er schließlich seiner rhetorische Begabung freien Lauf lassen konnte, erschien ein anderes PDB-Image. „Wallonische Stiefellecker““ war nicht seine Redensart, wenngleich er auch in einer grundsätzlichen Debatte der Wallonie „Kolonialismus mit ostbelgischen Nicknegerchen“ vorwarf.
Ja, Palm war in den Reihen der sich gerne duckenden und manchmal auch oft selbstbedienenden Mehrheit gefürchtet: Er wusste zu viel. Argumentativ konnten ihm bestenfalls Karl-Heinz Lambertz und Albert Gehlen das Wasser reichen. Doch mehr noch: Der bestens informierte PDB-Sprecher vermochte dies zugleich, wie mit dem Rechenschieber, ohne Redetext in geschliffener Sprache vorzutragen. Als er in einer stundenlangen Sitzung dem Saaldiener Peter Kremer seinen Zettel zur Kopie für die Presse vorlegte, standen darauf nur schwer verständliche Kürzel, die ihm als Gedankenhilfe dienten. Das hat ihm nur Lambertz auf einem Bierdeckel nachmachen können.
– Streit über Onkel Hermann Niermann: Zu einer harten Konfrontation mit ihm kam es für mich bei der Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zur Niermann-Affäre. Nachdem ihm der Vorsitzende Mathieu Grosch das Wort erteilt hatte, bombardierte er mich mit stürmischen Fragen bezüglich eines Narkosearztes in Düsseldorf, der nach einer Erklärung des Bozener Untersuchungsrichters als „Freiheitskämpfer“ am Mord von mehreren italienischen Soldaten an der Porzescharte beteiligt gewesen sein sollte. Gerhard Palm glaubte zu wissen, dass ich mit diesem Mann Kontakt gehabt habe, was aber nicht den Tatsachen entsprach.
Der Anschlag an der Porzescharte war ein terroristischer Anschlag am 25. Juni 1967, bei dem auf der Porzescharte, an der Grenze zwischen Tirol (Österreich) und dem Cadore (Provinz Belluno, Italien), vier italienische Soldaten durch eine Explosion ums Leben kamen. Die Urheberschaft des nicht aufgeklärten Anschlags ist umstritten. Nach offiziellen italienischen Angaben wurden sie durch Minen getötet, die von Mitgliedern des Befreiungsausschusses Südtirol gelegt wurden.– „Bosch in Belgien“ streng umstritten: In dieser Zeit befand sich das Verhältnis „Abgeordneter Palm-Journalist Derwahl“ auf einem eisigen Tiefpunkt. Als Ministerpräsident Lambertz ihm empfahl, meinen Schlüsselroman „Bosch in Belgien“ zu lesen und daraus sogar im Parlament zitierte, lehnte der tobende Gerhard Palm dies ab. Er lese die „poetischen Derwahl-Offenbarungen“ nicht, erwiderte er.
Nach dem Ende der PDB ist es um Gerhard Palm stiller geworden, wenngleich er von der Gemeinde Büllingen als Ehrenbürgermeister gewürdigt wurde. Seine ehemals virulente Kritik kam sehr moderat herüber, sogar positiv für die sich fortentwickelnde Autonomie.
– Palm-Forderungen abgeschrieben: Darin liegt auch sein politisches „Schicksal“. Das meiste von dem, was allmählich mühsam erreicht wurde, hatte er im stillen Studierzimmer mit akribischer Intelligenz vorausgedacht und gefordert. Somit ist er zu einer symbolischen Persönlichkeit geworden, der als Vordenker und Tribun an den politischen Schützengräben mit couragierter Demut für seine Überzeugungen kämpfte, ohne jemals dafür in der Verantwortung gelangt zu sein.
Für ein „Pöstchen in der alten Post“ kamen er und seine politischen Freunde wie Verbannte nicht in Frage. Sein einziger Trost: CSP, SP und PFF wollten lange Zeit nichts von ihm wissen, schrieben jedoch klammheimlich das Wichtigste von ihm ab. Gerhard Palm hat sich um seine ostbelgische Heimat verdient gemacht. (fd)
Das Einzige, was mir seinerzeit bei Gerhard Palm gestört hat, war sein Sinneswandel 2004, als seine PDB nach Jahren in der Opposition plötzlich in der Mehrheit und zum Teil gar nicht mehr wiederzuerkennen war, weil sie und ihr Fraktionssprecher Palm auf einmal ein ganz anderes Verhalten an den Tag legten. Als Oppositionsführer hatte Gerhard Palm immer wieder den jeweiligen Mehrheitsparteien die Leviten gelesen und viele hatten seine Hartnäckigkeit bewundert, mit der er die Pöstchenjäger von CSP, SP und PFF, die Verschwendung von Steuergeldern und die Arroganz der Regierungsparteien und ihrer Kabinette anprangerte. Davon war jedoch ab 2004, als die PDB eine Koalition mit PFF und SP bildete, nichts mehr zu hören. OD schrieb dazu vor einigen Jahren: „Quasi über Nacht wurde aus dem Angreifer Palm ein Defensivspieler. Plötzlich war es seine Aufgabe, die Regierung zu loben, statt sie zu tadeln.“ Treffender konnte man es nicht formulieren. Insgesamt aber verdient Gerhard Palm Respekt wegen der Arbeit, die er bis 2004 als Oppositionsführer geleistet hatte. RIP
All dies ist viel Wind und nichts dahinter. Wenn man sieht wo wir heute stehen, all die Loblieder sind verpufft, an denen lags nicht, nur die Zahlen sprechen Bände, und sind Realität!
Die Gemeindeebene war nicht unbedingt eine gute Ebene für Herrn Palm. Die Bürgernähe gelang ihm nicht immer. Es wurden immer sehr grosse Unterschiede zwischen Königsland und Treeschland gemacht. Ein Ministeramt hätte dem akribisch vorbereiteten Herrn Palm mehr entsprochen. Doch eins muss ich schreiben, verbal entgleiste der Altbürgermeister Büllingens nie.
Hervorheben sollten wir die Leserbriefe des Herrn Palm in den letzten Jahren. Der Altbürgermeister kannte sich bestens aus. Besonders hervorzuheben ist der Leserbrief zur Kapelle Krewinkel.https://www.grenzecho.net/107605/artikel/2024-06-02/kapelle-krewinkel https://www.grenzecho.net/art/d-20240517-H5D6QM
Vielen Dank Herr Palm R. I. P.