Politik

Einigung in letzter Minute: Brexit-Handelspakt steht

24.12.2020, Großbritannien, London: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, jubelt in der 10 Downing Street. Foto: Pippa Fowles/No 10 Downing Street/XinHua/dpa

Monatelang stritten Großbritannien und die EU, wie ihre wirtschaftliche Beziehung in der Zukunft aussehen könnte. Nun gelang die Einigung – kurz vor Toresschluss.

Nach extrem langwierigen Verhandlungen haben die Europäische Union und Großbritannien an Heiligabend doch noch einen Brexit-Handelspakt vereinbart. Damit ist ein harter wirtschaftlicher Bruch zum Jahreswechsel in letzter Minute abgewendet.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Premierminister Boris Johnson zeigten sich zufrieden.

Das Abkommen soll die Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent ab Januar 2021 neu aufstellen. Wichtigster Punkt ist, Zölle zu vermeiden, unbegrenzten Handel in beide Richtungen zu erlauben und Reibungsverluste so weit wie möglich zu begrenzen.

24.12.2020, Belgien, Brüssel: Michel Barnier, EU-Chefunterhändler für den Brexit aus Frankreich, und Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sprechen bei einer Pressekonferenz. Foto: Francisco Seco/Pool AP/dpa

Der Vertrag umfasst aber auch den Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen.

Da die Brexit-Übergangsphase bereits am 31. Dezember endet, war der Zeitdruck am Ende enorm. „Es hat gedauert, aber nun haben wir ein Abkommen“, sagte EU-Kommissionschefin von der Leyen. „Es war ein langer und steiniger Weg. Aber das Ergebnis ist gut.“ Das Abkommen sei fair und ausgewogen. „Und es war ein Gebot der Vernunft für beide Seiten“, fügte von der Leyen hinzu. Die EU habe sich in einer sehr guten Verhandlungsposition befunden und ihre Interessen voll gewahrt. Nun könne die Gemeinschaft den Brexit endlich hinter sich lassen.

In London äußerte sich Premierminister Johnson ähnlich. „Ich glaube, das ist ein guter Deal für ganz Europa“, sagte er. Und er fügte hinzu: „Wir werden euer Freund sein, euer Partner, euer Unterstützer, und nicht zu vergessen, euer Nummer-Eins-Markt.“

Aus Sicht seiner Regierung ist mit dem Abkommen alles erreicht, was die britische Öffentlichkeit mit dem Brexit-Referendum von 2016 wollte.

24.12.2020, Großbritannien, London: Der Anti-Brexit-Protestler Steve Bray schreit durch Megafon vor der Downing Street. Die britische Regierung hat die Einigung mit der EU auf einen Brexit-Handelspakt bestätigt. Foto: Victoria Jones/PA Wire/dpa

„Wir haben wieder Kontrolle über unser Geld, unsere Grenzen, unsere Gesetze, unseren Handel und unsere Fischgründe zurückgewonnen“, erklärte die Regierung. Zugleich gewähre das Abkommen Zollfreiheit und unbegrenzte Exporte in die EU.

Großbritannien hat die EU schon Ende Januar verlassen und ist nur noch in einer Übergangszeit bis 31. Dezember Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Dann kommt der wirtschaftliche Bruch. Ohne Abkommen wären Zölle und aufwendigere Kontrollen notwendig geworden. Wirtschaftsvertreter auf beiden Seiten warnten vor Verwerfungen und dem Verlust Zehntausender Jobs.

Die Verhandlungen hätten eigentlich schon im Oktober abgeschlossen werden sollen, doch sie zogen sich immer weiter in die Länge. Mehrfach standen sie wohl kurz vor dem Scheitern. Nun kann der Vertrag auf EU-Seite nicht mehr rechtzeitig ratifiziert, sondern nur noch vorläufig angewendet werden. Um die nötigen Vorbereitungen zu treffen, berief die deutsche Ratspräsidentschaft für Freitag eine Sitzung der EU-Botschafter ein. Auf britischer Seite hat die Regierung angekündigt, das Parlament zu befassen.

29.10.2019, Großbritannien, London: Ein Pro-Brexit-Demonstrant trägt bei einem Protest vor dem britischen Parlament einen Hut und eine Brille mit der Nationalflagge Großbritanniens. Foto: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa

Im Gegenzug für einen Handel ohne Zölle und ohne Mengenbegrenzung verlangt die EU faire Wettbewerbsbedingungen – das sogenannte Level Playing Field. Gemeint sind gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Die Frage blieb bis zum Schluss ein höchst komplizierter Streitpunkt. Gesucht wurde ein Weg, fairen Wettbewerb auch für die Zukunft sicherzustellen und anderenfalls gegensteuern zu können. Das sei gelungen, sagte von der Leyen.

Danach blieb noch ein allerletzter Knackpunkt: der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern. Die Klärung der letzten Einzelheiten zog sich über viele Stunden bis Donnerstagmittag hin. Schließlich fand man auch hier einen Kompromiss. Dieser sieht nun eine Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren vor, in der EU-Fischer in britischen Gewässern 25 Prozent weniger fischen dürfen. Anschließend soll dies jährlich festgelegt werden.

Zuletzt hatte die Zuspitzung der Corona-Pandemie in Großbritannien weiteren Druck aufgebaut. Nachdem eine mutierte Variante des Coronavirus entdeckt wurde, hatte Frankreich zeitweise seine Grenzen für Verkehr aus Großbritannien geschlossen. Deshalb stauten sich auf britischer Seite Tausende Lastwagen – aus Sicht von Kritikern ein Vorgeschmack auf die Lage bei einem No-Deal-Brexit.

24.12.2020, Großbritannien, London: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, trägt in der Downing Street bei der Pressekonferenz zum Durchbruch in den monatelangen Brexit-Verhandlungen eine dunkle Krawatte mit vielen kleinen Fischen. Foto: Paul Grover/daily telegraph pool/AP/dpa

Die britischen Wähler hatten 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Premierminister Johnson gewann 2019 die Parlamentswahl unter anderem mit der Ansage, den Brexit nun tatsächlich durchzuziehen. Als zentralen Punkt nannte er immer wieder, Souveränität und Kontrolle über die eigenen Grenzen und Gesetze wiederzuerlangen.

Der britische Premier Boris Johnson hat bei der Verkündung seines Brexit-Handelspakts mit der EU modisch an eines der am härtesten umstrittenen Verhandlungsthemen erinnert. Viele kleine Fische zierten seine dunkle Krawatte, als er am Heiligabend in London den Durchbruch bei den monatelangen Verhandlungen verkündete.

Bis zuletzt war der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern eines der umstrittensten Themen zwischen London und Brüssel. Bei einem Abendessen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit Johnson hatten kürzlich bereits die Brüsseler Köche Seitenhiebe aufs Thema Fischerei serviert: Zur Vorspeise gab es Jakobsmuscheln – um die im Ärmelkanal ein erbitterter Streit zwischen Frankreich und Großbritannien getobt hatte. (dpa)

24 Antworten auf “Einigung in letzter Minute: Brexit-Handelspakt steht”

  1. Marcel Scholzen eimerscheid

    Gut, dass die sich geeinigt haben.

    Muss dieses Abkommen auch noch ratifiziert werden durch das EU Parlament und die nationalen Parlamente ? Oder wie wird es in Kraft gesetzt ? Bis zum 31.12 ist nicht mehr viel Zeit.

    Wahrscheinlich war so ein Abkommen in letzter Minute beabsichtigt, um unnötige und unerwünschte Diskussionen zu vermeiden.

  2. Die britischen Wähler hätten 2016 ……………

    jedes Land bekommt die Regierung die es verdient.

    War man doch – wenigstens ich – bisher der festen Überzeugung, das sowohl die britische, als auch die amerikanische Regierung in einer demokratischen Wahl von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurden. Also kein Grund, jetzt in Mitleid zu verfallen.
    Oder wissen die „kleinen Leute“ nicht, ob sie einen Bestellschein von Amazon oder einen Stimmzettel ausfüllen?

  3. Friedrich Meier

    Die Dauer der Verhandlungen hat sich scheinbar wegen den Fischen in die Länge gezogen.
    Na dann können ja jetzt die Angler, die Jäger und auch andere Lügner sich glücklich schätzen.

    • karlh1berens

      Ich hab‘ den Typen ja nicht besonders lieb – aber das hat er gut gemacht.

      Und die Deutschen MSM (Zeit……) wollen das als Niederlage Johnsons verkaufen – kein Wunder, dass bald keiner mehr das (ab)kauft.

  4. Erfahrener

    Etwas anderes blieb Ihnen nicht übrig als sich zu einigen. Das ist doch alles nur eine Show was sich da abspielt. Wir werden doch nur für blöde gehalten, schrecklich für alle die LKW Fahrer die über Weihnachten in ihren LKW’s verharren mussten.

    • karlh1berens

      Wenn es nach Juncker, Macron und Barnier gegangen wäre, sollte GB hart bestraft werden damit ja kein anderesEU-Land auf solche Ideen kommt.
      Das ist gründlich in die Hose gegangen. Haha

  5. Es hat doch nun wirklich niemand was anderes erwachtet, oder doch? Eine dumme Show bei welcher die Medien die Protagonisten am Ende als die „Retter“ darstellen… und der Bürger glaubt diesen Mist dann auch noch

  6. Allen, die hier dumme Kommentare verfassen, rate ich an, die nächsten Monaten des „Zuhausebleibens“ zu nutzen, um sich die 2.000 Seiten des Vertrages zu Gemüte zu führen.
    Vielleicht wird dann bewusst, welche Vorteile uns der europäische Binnenmarkt -mit all seinen Schwächen- bringt.

  7. Corona2019

    Am Ende bleibt die Frage-
    -Was ist ein Brexit ?-

    Ein Brexit wurde vom Britischen Volk gewählt um Veränderungen im eigenen Land zu Schafen .

    Geschaffen wurde deshalb ein 2000 Seiten Dickes Buch , das weder Boris Johnson noch Ursula von der Leyen gelesen haben .
    Solche Dokumente werden von Dutzenden Rechts-Verdreher zusammen gestellt , um die Rechtlichkeit bei nachträglichen Reklamationen zu Nichte zu machen .

    Wichtig für Johnson und von der Leyen wahr nur das alles genau so bleibt, wie in den Zeiten ,als das Wort Brexit noch unbekannt gewesen ist .

    Eine Von Johnson beeindruckende schauspielerische Fähigkeit ,sein eigenes Volk zu verkaufen .

    Ebenso ist die Hauptrolle von Ursula von der Leyen auch nicht zu Verachten, sich nicht anmerken zu lassen ,das ihr Ziel es gewesen ist ,nur die Interessen der Spitze von Wirtschaft und andere Nutz niesser zu verfolgen und die Meinung der Brexit Befürworter mit Füssen zu treten .

    Bei Diesem hinterhältigen Theater Stück wurde die Corona Pandemie , sowie Tausende Fahrer dazu benutzt um am Ende noch Applaus zu erhalten ?

    Ob die Brexit Befürworter da mit machen wage ich zu bezweifeln .

    Schade das Medien und Presse auch von den Blender-Brexit Entscheidungen Profitieren
    Sonst dürfte auch von journalistischer Seite die Sache kritischer betrachtet werden .

    -Fazit –
    Wenn die Brexit Befürworter den Kampf jetzt schon verloren Haben, dann hat in wirklichkeit ganz Europa verloren .

    Wenn Entscheidungen gleich welcher Bevölkerung ,bei einer Abstimmung durch die Mehrheit mit Betrug und Verbrechen umgangen werden , dann weiss man nicht nur wie es in Zukunft um die Britische Bevölkerung bestellt ist , nein , für uns sieht es dann auch nicht besser aus .

    • Corona2019: Ihr zweiter Satz ist korrekt.
      Beim Rest vergessen Sie zu erwähnen, dass Frau VDL bereits in 2016 heimlich beauftragt wurde, das Virus zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass es am 23/12/2020 zu einer Sperrung der Grenzen kommt. Natürlich in Übereinstimmung mit den Briten, deren Wissenschaftler dann rechtzeitig im geheimen Labor unter Downing Street 10 das mutierte Virus schafften.
      Klasse Timing !

  8. Goodbye Belgien

    Hoffentlich wird der Brexit-Vertrag (1246 Seiten) auch auf Papier ausgedruckt, nicht daß die EU-Kommissionschefin noch „irrtümlich“ alle Daten wieder „löscht“ und die „Verhandlungen“ wieder von vorne beginnen müssen !!!

  9. besserwisser

    Schade, man hätte lieber diese Englischen Populisten in ihrer eigenen Sch… die Sie eingebrockt haben sitzen lassen.Nun machen andere Populisten ( Ungarn,Polen, Bulgarien, usw… )==denen nach und bekommen auch was sie wollen…. armes Europa?

    • Ob dieser Kompromiss zu befürworten ist bleibt abzuwarten. Grundsätzlich sind mir „Populisten“ (vermeintlich für das Volk sprechend) unsympathisch: sowohl die verlogenen selbstsüchtigen Brexiteers als auch die profilierungssüchtigen Polen und Ungarn (selbstverständlich gibt es von der Sorte auch in anderen Ländern).

      Warten wir aber mal ab, was denn nun wirklich im Text steht und was sich daraus ergibt. „The proof of the pudding is in the eating „.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern