Der deutsche Musikpreis Echo steht vor einem Scherbenhaufen. Am Dienstag kündigte auch Musiker Marius Müller-Westernhagen (69) an, nach den Antisemitismus-Schlagzeilen alle seine Echo-Trophäen zurückzugeben.
“Die Verherrlichung von Erfolg und Popularität um jeden Preis demotiviert die Kreativen und nimmt dem künstlerischen Anspruch die Luft zum Atmen. Eine neue Stufe der Verrohung ist erreicht“, erklärte er auf Facebook.
Der Veranstalter des Musikpreises entschuldigte sich und sprach angesichts des Echos für ein umstrittenes Rap-Album von einem Fehler.
Am vergangenen Donnerstag waren die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ ausgezeichnet worden. Es enthält Textzeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ und „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm‘ an mit dem Molotow“. Dass diese Musik beim Echo preiswürdig ist, hatte heftige Kritik und eine Debatte um Judenfeindlichkeit ausgelöst.
„Ich bin nicht der Meinung, dass die mit dem Echo ausgezeichneten Rapper Antisemiten sind. Sie sind einfach erschreckend ignorant“, schrieb Müller-Westernhagen.
Zuvor hatten sich bereits der Pianist Igor Levit, Dirigent Enoch zu Guttenberg und das Notos Quartett von ihren Preisen beim Echo Klassik distanziert. Das Management der 17-fachen Echo-Preisträgerin Helene Fischer äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht.
Bundesverband Musikindustrie: „Ein Fehler“
Der Musiker und Grafiker Klaus Voormann hatte den erst vor wenigen Tagen überreichten Echo für sein Lebenswerk zurückgegeben. Westerhagen sagte, er schließe sich seinem geschätzten Kollegen Voormann an. „Das schafft Platz bei mir zu Hause und in meinem Herzen.“
Der Bundesverband Musikindustrie nannte den Echo für das Rap-Album am Dienstag einen Fehler. Der Vorstandsvorsitzende Florian Drücke schrieb an die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch: „Wir entschuldigen uns ausdrücklich dafür – bei Ihnen und allen anderen Menschen, deren Gefühle wir verletzt haben.“
Knobloch hatte die Auszeichnung als „verheerendes Zeichen“ bezeichnet. Gerade erst entstehe in Deutschland die „ersehnte Sensibilität für den erstarkten Antisemitismus in unserer Gesellschaft, insbesondere an Schulen“.
Knobloch habe mit ihrer Kritik vollkommen Recht, so Drücke. „Wir als Vorstand haben das falsch bewertet und wollten uns an der falschen Stelle für die künstlerische Freiheit einsetzen.“ Das Geschehene sei nicht mehr rückgängig zu machen. „Wir können allerdings vermeiden, dass solche Fehler in Zukunft wieder geschehen.“
Der Präsident des Deutschen Kulturrats, Christian Höppner, zieht sich aus dem Echo-Beirat zurück. Das Gremium hatte sich gegen den Ausschluss eines umstrittenen Rap-Albums entschieden. Dies sei ein „Fehler“ gewesen, so Höppner.
Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis, eine Art deutscher Grammy. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text «nicht so wesentlich übertreten», dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre. (dpa)
Marius Müller-Westernhagen gibt seine Echos zurück. Für alle Musiker, die dies zukünftig auch vorhaben, gibt es hier das praktische Echo-Rückgabeformular zum Downloaden. #LateNightBerlin #Echo2018 pic.twitter.com/SZ8YpljJhl
— Late Night Berlin (@latenightberlin) April 17, 2018
Bravo Marius. Gut gemacht.
Denn die rasant um sich greifende Dummheit macht auch vor Rappern nicht halt. Mittlerweile wird offen zutage getragene Ignoranz mit Preisen belohnt. O heilige Einfalt! Mit derlei Geschwätz lässt sich Millionen machen. Wie weit müssen wir noch sinken, bevor mal einer die Bremse zieht?
@Suppenhuhn
Was die um sich greifende Dummheit und die Texte der genannten Rapper angeht,
gebe ich Ihnen recht.
Genauso nervt es mich aber auch, dass in letzter Zeit Musiker und irgendwelche Promis ihre Bekanntheit dazu nutzen, sich als Politiker aufzuspielen und uns ihre Weisheiten um die Ohren hauen.
Gut gemacht, Marius. Respekt. Hoffentlich folgen deinem Beispiel viele.
Genauso hoffe ich, dass man sich bei ähnlichen Preisen bei Preisverleihungen an linksextreme, Menschen verachtende Gruppen verhält. Extrem, ob links, ob rechts, Menschen verachtend geht gar nicht.
Den Schrott von Westernhagen kann ich mir aber auch nicht anhören.
Das ist die sogenannte Musik, die die Jugend sich heut zu Tage so “ rein zieht“. Da wundert einen dann nichts mehr!
Woher wissen Sie, was „die“ Jugend heute hört? Geht es nicht noch was allgemeiner? Bei Ihrer Aussage wundert mich auch nichts mehr. Vielleicht ist es auch das, was Herr Müller-Westernhagen mit ignorant meint – etwas zum Besten geben ohne zu wissen wovon man spricht.
Wie sagte Dieter Nuhr doch so treffend „Wenn man keine Ahnung hat, dann einfach mal die Fr… halten“.
@ Zuschauer
Es gibt Zahlen aus denen berechnet werden kann „was die Jugend heute hört“.
Verkaufszahlen von Tonträgern, Klicks im Internet und Zuschauer bei Konzerten und einschlägigen Fernsehsendungen.
Das da die Musikindustrie ihre „Helden“ auszeichnet um noch mehr Umsatz zu generieren verwundert nicht. Auch nicht das immer mehr junge Leute diese hirnlose Konfektionsware konsumieren.
Das man aber antisemitische, frauenverachtende oder gewaltverherrlichende Texte auch noch verteidigt hat eine neue Qualität und zeugt von der Ignoranz mit der mit Sprache umgegangen wird.
Der englische Schriftsteller und Politiker Edward George Bulwer-Lytton sagte einmal:“ Die Feder ist mächtiger als das Schwert.“ Er wollte damit zum Ausdruck bringen das man mit Worten mehr Schaden anrichten kann als miit Waffen.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht wird feststellen das dieser Satz, immerhin auch schon über 100 Jahre alt, immer mehr Bedeutung gewinnt. Den Rattenfängern läuft man nicht wegen ihrer Taten hinterher sondern wegen ihrer Worte.
Ich gebe ihnen recht. Meine Antwort auf das Geschreibsel ist die Verallgemeinerung der Jugendlichen und die „zeig-mit-dem-Finger-drauf“-Mentalität. Selbst habe ich drei Söhne zwischen 15 und 21 Jahrenund ihre Freunde gehen bei mit ein und aus. Da ist keiner, der sich den Schund von Musik anhört anhört und auch kein Antisemit bei.
Aber es ist einfach immer von „den“ Jugendlichen zu sprechen. Jugendliche haben eben keine Lobby.
Na dann brauchen Sie sich ja nicht so aufzuplustern. Wir haben Neffen U Nichten in der Verwandtschaft!
Wenn keiner mehr seine Musik hört muss man sich halt so ins Gespräch bringen, mehr ist das nicht.
Die Musik-, Medien- und Filmbranchen haben es geschafft, sich mit den selbstlobenden „Auszeichnungen“ ständig im Gespräch zu halten. Alles kommerziell und verkaufsfördernd angelegt.
An dieser Stelle möchte ich noch (bin gerührt) mich bedanken: bei meinen Eltern, meiner Partnerin, meinem Verleger, meinen Mäzenen, meinen Kollegen… Dank euch konnte ich die Welt wieder ein Stück besser machen. Mir fehlen die Worte. Danke. I love you all…