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EuGH verurteilt Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes von 1 Million Euro pro Tag – Droht der EU ein „Polexit“?

Foto: Shutterstock

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt. Grund für den Schritt ist nach einer Mitteilung des Gerichtshofes vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen.

Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.

Die Einhaltung der Anordnung vom 14. Juli sei erforderlich, um einen „schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden“ von der Rechtsordnung der Europäischen Union und der Werte, auf denen diese Union beruhe (…), abzuwenden, ließ der Vizepräsident des Gerichtshofs am Mittwoch mitteilen. Das Zwangsgeld solle bewirken, dass Polen die Einhaltung nicht hinauszögere.

19.10.2021, Frankreich, Straßburg: Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hält eine Rede im Europäischen Parlament. Foto: Ronald Wittek/Pool EPA/AP/dpa

Die Finanzsanktionen gegen Polen waren am 9. September von der für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständigen EU-Kommission beantragt worden. Sie werden nun so lange fällig, bis Polen den Anordnungen des EuGH Folge leistet.

„Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein“, hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals kritisiert. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sprach hingegen von einer „Aggression gegen Polen“ und von einem „juristischen hybriden Krieg“.

Zuvor hatte der EuGH Mitte Juli entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richter betreffen.

Polen weist Urteil zu Zwangsgeld als „Erpressung“ zurück

Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Sie arbeitete zuletzt aber weiter alte Fälle ab. Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Die Kammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.

10.10.2021, Polen, Krakau: „Wir bleiben, die Regierung geht!“ Menschen protestieren gegen das Urteil des Verfassungsgerichtes. Viele Bürger glauben, dass das Urteil ein Schritt in Richtung „Polexit“ ist. Foto: Shutterstock

Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turow an der Grenze zu Sachsen vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500.000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.

Polens Regierung hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro als „Erpressung“ zurückgewiesen. „Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett“, schrieb Vize-Justizminister Sebastian Kaleta am Mittwoch auf Twitter. Das Gericht überschreite seine Kompetenzen. „Das ist eine weitere Etappe der Operation, die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll. Das ist Usurpation und Erpressung.“

Wie sich Polen nach diesem Urteil verhalten wird, ist unklar. In der EU fürchtet mancher, dass nach Großbritannien das zweite Land die EU verlassen könnte. Das Wort vom „Polexit“ macht die Runde. Andere Stimmen weisen indes darauf hin, dass Polen und Großbritannien nicht miteinander zu vergleichen sind. (dpa/cre)

40 Antworten auf “EuGH verurteilt Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes von 1 Million Euro pro Tag – Droht der EU ein „Polexit“?”

    • Guido Scholzen

      Brüssel ist nicht nur Hauptstadt Belgiens sondern natürlich auch Sitz der EU-Verwaltung.
      Man stelle sich vor, ein „Belexit“ würde wahr werden, doch Brüssel bliebe weiterhin EU-Zentrale.
      😁😂🤣

    • deuxtrois

      „Wer schlau ist steigt jetzt! aus, bevor es zu spät ist.“

      Richtig, die Briten zeigen uns ja momentan, was sie davon haben. Da müssen sich die Befürworter beeilen, bevor noch jemand abgeschreckt werden könnte. :-)

      • Corona2019

        @ – Deuxtrois.

        Es wird ja jetzt schon alles daran gesetzt, um den Briten die Suppe zu versalzen, die eigentlich sehr gut schmecken könnte.
        Der Grund für das viele Salz, ist reine Nachahmer Panik.

      • Deuxtrois
        Die Briten haben die Rechnung bekommen, und die ist bis jetzt zu Hoch und Teuer, die EU hat auch Vorteile, sie haben jetzt ihren Boris er sagte alles wird besser viele Briten im Ausland gaben ihre Staatsbürgerschaft ab er hat sich auf Australien die USA und Asien verlassen, hier ist es etwas anders 1 Brite muß mehrere Jobs haben um zu überleben, überhaupt de Gaulle wollte sie nicht haben er wurde leider überstimmt

  1. „Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg.“

    Die EU denkt sie hätte das Recht den Mitgliedsstaaten ihren Willen aufzuzwingen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern hat Polen wenig Schulden, braucht sich also nicht erpressen zu lassen, und andere mögliche Verbündete, die sich nicht zwei Mal bitten lassen um einzugreifen. Wir werden sehen wie das endet. Polen verdoppelt schon die Anzahl Berufssoldaten, die Ketten rasseln.

        • Man soll nicht die Hand beißen, die einen füttert. Polen und die anderen Ostblockstaaten wären ohne EU so arm wie vor dem Eintritt. Deshalb werden die auch niemals damit drohen, aus der EU auszutreten. Deshalb lässt die EU diese Länder auch ein bisschen bellen. Beißen können die nämlich nicht.

          • Eine ganz einfache Frage: welchen Mehrwert hat die EU für Polen? Skurrile Produktstandards, hohe Umweltauflagen, diktierte Migrationspolitik, Anmaßung von Rechtshoheit, Erpressung, finanziellen Mitteln? Das können und haben die Russen auch! In der Union gibt es doch keine Einheit und wenn die politischen Entscheidungen sich gegen den Willen des eigene Volk richten, was bleibt dann noch übrig?

                • Wenn Polen leere Regale in den Supermärkten haben will wie die Briten, dann nichts wie raus aus der EU. Reisende soll man nicht aufhalten. Und die Ungarn und Griechen können die Polen gleich mitnehmen.

                  • Genau in diesem Bereich unterschiedlichen sich Polen und England. Die Polen waren und sind Selbstversorger und nicht auf Einwanderer angewiesen um LKW zu fahren. Ganz im Gegenteil, es könnte der deutschen Wirtschaft schwer schaden wenn die polnischen Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft nicht mehr kommen dürften.
                    Die Griechen hat über 200 % des BIP an Schulden. Die werden gar nichts machen, ausser natürlich die Hand aufhalten und das Geld der EU kassieren.
                    Ungarn hat wirtschaftlich viele Gemeinsamkeiten zu Deutschland. Im Gegensatz zu Deutschland hat Ungarn die eigene Kultur aber nicht angeschafft. Wie die sich entwickeln werden ist fraglich.

      • gerome raffarin

        na denn …. Belgien lebt von der eu. wem verdankt europa das kommunistenende? doch polen und ungarn. wo fing die freiheit denn an? auf der werfd von danzig und hatte den höhepunkt am wegreissen des ungarischen grenzzauns zu österreich. und solche freiheitsliebe, solchen mut wollen wir belehren und unter zwang stellen? …. böses träumen !

    • deuxtrois

      „Die EU denkt sie hätte das Recht den Mitgliedsstaaten ihren Willen aufzuzwingen. “

      Das was die EU will ist nichts weiter, als die Einhaltung der Verträge.
      Mit Vertragsbrechern würde jede Privatperson von uns auch vor Gericht handeln.

  2. Robin Wood

    Ich bin weiss Gott nicht mit allem einverstanden, was Polen da so durchsetzt im eigenen Land.
    Aber die EU hat nicht das Recht ihren Mitgliedstaatn ihren Willen aufzuzwingen. Oder wurde das in den Verträgen zur Beitritt zur EU vereinbart? Ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

    • Aluhut auf

      Das ist in der Tat so. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU kann man folgende Passage finden:
      17. Erklärung zum Vorrang

      Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.

      Darüber hinaus hat die Konferenz beschlossen, dass das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates zum Vorrang in der Fassung des Dokuments 11197/07 (JUR 260) dieser Schlussakte beigefügt wird:

      „Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates

      vom 22. Juni 2007

      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich dieser Grundsatz aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. Zum Zeitpunkt des ersten Urteils im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung (Rechtssache 6/64, Costa gegen ENEL, 15. Juli 1964 [1]) war dieser Vorrang im Vertrag nicht erwähnt. Dies ist auch heute noch der Fall. Die Tatsache, dass der Grundsatz dieses Vorrangs nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen wird, ändert nichts an seiner Existenz und an der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs.“

      https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A12012E%2FTXT

  3. Peter Müller

    So schauts aus, Drohen und Einschüchterung, dass kann die EU gut. Spielen wieder ihre Macht aus. Hoffentlich bleiben die Polen stark.
    Sollen mal lieber dafür sorgen das alle den Euro einführen. Es sind noch acht länder ohne, Schönes Europa.

      • Das Geld, das die EU verteilt, kommt hauptsächlich von den reichen Staaten. Und dazu gehört Polen definitiv nicht. Deshalb sollte Polen mal etwas kleinlauter werden. In der Asylfrage stellen Polen und die anderen Ostblockstaaten sich ebenfalls stur. Auch hier kochen sie ihr eigenes Süppchen. So läuft aber nicht die Wette. Fazit: Diese Länder wollen sich in Sachen EU-Mitgliedschaft lediglich die Rosinen rauspicken. Den Dreck und das Geldverdienen lassen sie andere machen.

        • Und die reichen Staaten investieren das Geld und nutzen Polen dann als Handelspartner, wodurch sie ihr Geld zurück bekommen. Und nebenbei wird das Geld noch dazu verwendet Behörden zu finanzieren, die man ohne EU nicht bräuchte. Die EU verschenkt das Geld nicht! Sie verteilt es mit einer Hand und nimmt es mit zwei Händen zurück.

        • karlh1berens

          @Logisch 27/10/2021 19:36

          Genau so hat man auch bei den Briten argumentiert.

          Die EU wird’s nicht mehr lange geben.

          Luxemburg macht das Licht (oder besser gesagt : Bläst die Kerze) aus.

          • deuxtrois

            „Die EU wird’s nicht mehr lange geben.“

            Das konnte man auch schon vor 20 Jahren überall lesen, noch öfters vor 10 Jahren. Wenn Sie sich nochmal um 10 oder 20 Jahre irren, kann ich Sie dann nochmal zitieren, Herr Berens?

            Die EU würden Sie doch am meisten vermissen, wenn in Wemperhardt wieder ein Zollhäuschen steht und Sie nicht illegalerweise mit dem Benzinkanister nach Hause dürfen. Sie können den Toyota aber auch teuer in Belgien betanken, eventuell tun Sie ja dann endlich mal etwas gutes für das belgische Land.

        • gerome raffarin

          recht so, der dreck! wen holen denn die reichen eu’ler zum drecksarbeiten? doch die polen …. einen waches volk, das sich für eu-euronen n i c h t prostituiert. polen ist nicht colonia-kongostan und die imperiale- von.der.leyen möchtegern’in leopold. machtansprüche solcher deutschen sollten seit der walpurgisnacht 1945 tot sein!

  4. Nicht die EU sondern der EuGh verurteilt ein Regelverstoß – der in diesem Fall auch stimmt.
    Ich weiss nicht was passiert wenn ein EU-Mitglied ein Urteil des EuGH nicht anerkennt.
    Mal sehen was die Polen so machen.
    Hat jemand ein „Präzedenzfall“?

    Der EuGH: Mächtige Waffe. Ob diese in unserem Sinne urteilt? Man könnte die Gewerkschaften fragen.

  5. Polen Reisender

    Die Polen werden das Geld einfach nicht bezahlen, die jetzige Regierung macht in ihrem Land genau was sie wollen. Sie kassieren Milliarden von der EU, sanieren ihr Land und halten sich an gar keine Regeln der EU. Wenn Polen die Eu nicht hätte wären sie arm dran. Ich persönlich war des öfteren in Polen vor dem EU Eintritt des Landes und kann nur sagen . Das Land war in einem erbärmlichen Zustand zu der Zeit. Jetzt haben sie Autobahnen Strassen Gebäude, alles saniert mit dem Geld von der EU.
    Das Land wird erst richtig aufblühen wenn die Enten Leute ( jetzige Regierung) weg sind.

    • karlh1berens

      @ besserwisser 28/10/2021 07:57

      Auch das mussten „die Europäer“ auf Druck der Amis machen – wie eigentlich fast ALLES.

      ABER : Frohlocket, das „amerikanische Jahrhundert“ neigt sich dem Ende zu.

      Und das wird ein Ende mit Schrecken !

      Aber nicht (wie bisher) ein Schrecken ohne Ende !

  6. Corona2019

    @ – besserwisser

    Ein Irrtum?.
    Nein, es war die größte Fehlentscheidung, die je in Brüssel getroffen wurde.
    Die Rechnung dafür, bekommt aber die Allgemeinheit in den nächsten Jahren zugeschickt.
    Kleiner Trost,- die Trinkgelder unsere Politiker, sind im Preis schon enthalten.-

  7. Frank Mandel

    Eine Schande, dass so miteinander umgegangen wird. Wer freut sich dafür? Wer außerhalb der EU klatscht Applaus oder denkt sich seinen Teil? Brüssel und dieses arrogante Vorgehen im Rahmen der Selbstscheinheiligkeit kann so weiterhin nicht mehr auftreten.
    Das glaubt doch keiner mehr.

  8. deuxtrois

    Die polnische Lebensrealität ist, dass viele Polen es nach dem 10. April 2010 mit der Angst bekamen als sie merkten, dass die einzige gesellschaftliche Mitte der Regierung mit dem Flugzeug abgestürzt ist und ein Land ohne politische Nachfolge übrig blieb. So sind viele Polen heute in der Situation, dass sie kaum noch Parteien finden, die ihre politische Bandbreite abdeckt und es keine guten Alternativen mehr gibt.

    Aus dieser politischen Krise ist Polen nie raus gekommen und die Haltung der Regierung zur EU lässt sich darin ablesen. Wir haben damals schon mit Touristenführern in Warschau gesprochen und dort gab es schon damals die Angst davor, dass rechtspopulistische Kräfte nun die Führung übernehmen würde. Die Leute hatten damit leider Recht.

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