Gesellschaft

DG-Kneipenführer: „Das tollste Lokal bringt nichts, wenn der Wirt ein Kotzbrocken ist“

Radio-Contact-Geschäftsführer André Goebels. Foto: OD

Der Chef von Radio Contact, André Goebels, hat sich einen Traum erfüllt: Der 48-Jährige, der in einer „Gastronomie-Familie“ aufwuchs, hat einen „Kneipenführer“ für die DG herausgegeben. In einem Gespräch mit „Ostbelgien Direkt“ erläutert Goebels, was ihn dazu bewogen hat, ein Verzeichnis aller Kneipen in der DG zu veröffentlichen.

Am Mittwochabend wurde die Publikation in St. Vith in Anwesenheit von Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz (SP) vorgestellt.

„Locker vom Hocker“, so der Titel, ist zum Preis von 4,99 Euro in Eupen beim Grenz-Echo, bei Zeitschriften Creutz und in der Bücherei Logos sowie in St. Vith ebenfalls beim Grenz-Echo und in der Buchhandlung Thiemann erhältlich – und auch über Facebook (siehe Link am Ende des Artikels).

Nachfolgend das Gespräch, das „Ostbelgien Direkt“ am Donnetstag im Eupener „Ratskeller“ mit André Goebels führte.

OD: Was hat Sie dazu bewogen, diesen „Kneipenführer“ zu veröffentlichen.

André Goebels bei der Vorstellung seines Kneipenführers im Café Trottinette in St. Vith am Mittwochabend.

André Goebels bei der Vorstellung seines Kneipenführers im Café Trottinette in St. Vith am Mittwochabend.

André Goebels: Ich komme selber aus einer Gastronomie-Familie. Meine Eltern, und ganz besonders mein Vater, arbeiteten im Hotel Bosten Oberstadt. Dort bin ich auch von 1965 bis 1974 aufgewachsen, denn auf der zweiten Etage hatten wir eine kleine Wohnung. Doch abgesehen davon, halte ich die Kneipenkultur für ein ganz wichtiges Thema.

OD: Und warum ist das Thema so wichtig?

Goebels: Immer mehr Kneipen sterben, im Norden der DG genauso wie im Süden, obgleich aus unterschiedlichen Gründen. Im Norden gibt es immer weniger Wirtshäuser, weil es zu wenige Kunden gibt. Rauchverbot und 0,5 Promille haben diesen Trend weiter verstärkt. Im Süden ist es so, dass die meisten Wirte keinen Nachfolger finden. Dass die Kneipen in der Eifel mehr Zulauf haben als im Norden, liegt nicht zuletzt auch daran, dass im Süden viele Lokale über eine Kegelbahn verfügen und schon deshalb ein aktiver Teil des Dorf- und Vereinslebens sind.

OD: Wie sind Sie für dieses Verzeichnis konkret vorgegangen?

Goebels: Ich hatte das Glück, auf die Hilfe einiger Mitarbeiter zurückgreifen zu können, um diesen Führer zusammenzustellen. Wir haben dann recherchiert. Alle Kneipen habe ich zwar nicht persönlich besucht, aber etliche schon. Allerdings erheben wir nicht den Anspruch der Vollständigkeit, denn die Kneipenlandschaft verändert sich sehr schnell.

OD: Was ist eine Kneipe genau? Wie definiert man ein Lokal als Kneipe?

Wirt Marc Grosch am Zapfhahn in seinem Haeserhof in der Eupener Unterstadt.

Wirt Marc Grosch am Zapfhahn in seinem Haeserhof in der Eupener Unterstadt.

Goebels: Bei einer Kneipe handelt es sich nach meiner Definition um ein Lokal, in dem man was trinken kann und das eine Theke hat. Die Theke ist das Herzstück.

OD: Gibt es etwas, was Sie bei Ihren Recherchen über die Kneipenwelt in der DG an Neuem erfahren haben?

Goebels: Zunächst einmal habe ich als Eupener die Kneipenszene in der Eifel entdeckt. Das war für mich sehr bereichernd. Einige Kneipen in der Eifel haben sogar ihre Spezialitäten. Bei Aachen-Couturier in Aldringen wird zum Beispiel der Eierlikör selbst gemacht. Interessant ist auch das Lokal „O Schulmarjanne“ in Crombach, das geschlossen werden sollte, weil die Betreiber in Rente gingen. Daraufhin haben sich alle Vereine im Ort zusammengetan, um die Kneipe mitsamt Saal und Kegelbahn in Eigenregie weiterzuführen. In Bütgenbach fällt auf, dass drei Kneipen problemlos parallel existieren können: „Escobar“, „The Pub“ und „Töpferkeller“. Jede dieser Kneipen hat ihr eigenes Konzept. Das ist entscheidend.

OD: Die moderne Kneipe heißt Facebook, oder?

Wirtin Maria im Café Aachen-Couturier in Aldringen mit dem selbstgemachten Eierlikör.

Wirtin Maria im Café Aachen-Couturier in Aldringen mit dem selbstgemachten Eierlikör.

Goebels: Das sehe ich etwas anders. Bei Facebook kann man keine Runde schmeißen, es fehlt die Geselligkeit. Es ist doch schöner, wenn man sich beim Diskutieren gegenüber sitzt und sich jemand, der an der Theke sitzt, in die Diskussion einbringt. Vor allem kommt man mal raus, statt ständig vor dem Computer zu sitzen.

OD: Was macht einen guten Wirt aus? Welche Fähigkeiten muss er mitbringen?

Goebels: Er muss vor allem sympatisch rüberkommen. Das tollste Lokal bringt nichts, wenn der Wirt ein Kotzbrocken ist. Ein guter Wirt muss kommunikativ sein und trotzdem wissen, wann er den Mund halten sollte. Er muss verschwiegen sein. Dazu kommen noch Anforderungen, was die Qualität von Infrastruktur, Service und Angebot betrifft. Er sollte natürlich auch innovativ sein, aber das ist nicht einmal das wichtigste Kriterium. Schließlich sollte der Wirt auch in der Gegend verwurzelt sein. Ein Eupener wird es schwer haben, in der Eifel eine Kneipe zu führen, und umgekehrt, auch wenn Ausnahmen die Regel bestimmen.

OD: Gibt es in jeder Altgemeinde in der DG noch eine Kneipe?

André Goebels mit dem Kneipenführer "Locker vom Hocker".

André Goebels mit dem Kneipenführer „Locker vom Hocker“.

Goebels: In jeder Altgemeinde schon, nicht aber in jeder Ortschaft.

OD: Welches sind die Hauptgründe des Kneipensterbens?

Goebels: Einige Gründe wurden vorhin erwähnt: Raucherverbot, 0,5 Promille und das veränderte Freizeitverhalten. Hinzu kommen die Anforderungen der Brauereien, die zumeist Egentümer des Lokals sind. Das hat zwar Vorteile. Die Brauerei stellt zum Beispiel das Inventar und macht noch eine Reihe von Zugeständnissen. Das hat aber auch Nachteile. Die Wirte sind von der jeweiligen Brauerei abhängig. Man bekommt ganz bestimmte Produkte vorgeschrieben und kann nicht allen Wünschen der Gäste entsprechen. Ein Wirt, der Eupener Bier ausschenkt, muss auch alle anderen Produkte der Brauerei Haacht anbieten. Will der Gast jedoch ein Leffe haben, dann bekommt er das nicht. Darüber hinaus sind die Forderungen der Brauerei, was die Pacht betrifft, sehr hoch. (cre)

Hier gelangen Sie zur Facebook-Seite von „Locker vom Hocker“

 

12 Antworten auf “DG-Kneipenführer: „Das tollste Lokal bringt nichts, wenn der Wirt ein Kotzbrocken ist“”

  1. Vielleicht sollte man nicht unerwähnt lassen, dass das Kneipensterben auch daher kommt, dass bei Otto-Normal das Geld nicht mehr so locker sitzt. Wenn man mittlerweile in vielen Kneipen fast 2 Euro für 3 Schlücke Bier (von einem Spezialbier mal abgesehen) bezahlen muss, überlegt man es sich drei mal, ob man seinen Abend in der Kneipe verbringt.

  2. eupen 95

    Anmerkung für Herr Cremer

    Der Link am Ende des Artikels sollte vieleicht bearbeitet werden, sodass man nicht auf m.facebook.com (Mobile Version) umgeleitet wird, sondern auf die normale facebook.com.

  3. Ex Belgier

    Der Titel ist richtig! Aber: Aussnahmen gibt es immer! In der Nähe von Düren gibt es eine Kneipe – F104 genannt – da ist der Wirt ein Kotzbrocken … trotzdem ist der Laden genial! PS.: Bei Paul Panzer ist er der Dachdecker … Das ist nicht gespielt :-)

  4. Réalité

    Ja!so ändern sich die Zeiten!Vor 30-50 Jahren,da ging man noch gerne ab u zu ein Bierchen trinken,jedoch danach kamen einige Faktoren,die den Wirten den Hals zedrehten:Alkoholproben,Rauchverbot,Steuerämter mit Kontrollen,Stress an Arbeitsplatz,Überangebot von Veranstaltungen,Schützen-u Sporhallen,Fussballkantinen,Mangel an Übernehmer usw….!
    Also,ganz normal,dass diese Branche am Boden liegt!
    Eigentlich schade!?

  5. Habe mir das Heft heute gekauft … bin enttäuscht!
    Nach dem Interview mit A. Goebels mit OD, hatte ich mehr hintergründiges und Anektoten zu Wirten und Kneipen erwartet.
    Es ist nichts anderes als ein Branchenindex zu Wirtschaften.
    Schade

    • Kotzbrocken

      Peter, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Der André Goebels hat doch viel Interessantes über die Kneipen in der DG zu erzählen, wie das OD-Interview zeigt. Aber warum tut er es nicht? Wirklich schade. 2-3 Artikel zur Kneipenlandschaft hätten dem Verzeichnis gut getan. So aber ist es wirklich nur eine trockene Auflistung.

  6. carsten sölter

    Ich bin in Hannover groß geworden,und lebe nun seid 9 jahre hier.Ich habe lange zeit in der Erlebnis-Gastronomie gearbeitet und konnte dort viele positive erfahrungen sammeln.Hier fehlen einfach ideen etwas inovatives umzusetzen,vobei der Gezetzgeber natürlich auch seinen Teil dazu tut.Ich selber habe mir schon oft Gedanken gemacht etwas eigenes auf die Beine zu stellen.Zu meiner Erfahrung kommt das meine Freundin selber viele Jahre als köchin gearbeitet hat.Ich denke das teilweise einfach der mut fehlt etwas neues zu machen.Wir suchen nach geeigneten lokalitäten um unser vorhaben voran zu Treiben.Vieleicht kann es in geraumer Zeit ein weiteres „etwas anderes Lokal“ in der Eifel geben.Wenn uns nicht zu viele Steine in den weg gelegt werden.Mfg

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