Nachrichten

Deutschland: Jamaika mehr als nur ein paar inszenierte Balkonbilder?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht am 18.10.2017 in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin mit Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und mit Grünen-Chef Cem Özdemir (3.v.r)) vor den Sondierungsgesprächen zwischen der Union und den Grünen auf dem Balkon. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Knapp sechs Wochen nach der Bundestagswahl ist in Deutschland noch völlig offen, ob die Jamaika-Koalition tatsächlich gelingen kann. Für den SP-Chef Martin Schulz sind die Gespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen bisher nichts anderes als eine Inszenierung.

„Alle Beteiligten kreisen mit großer Eitelkeit nur um sich selbst und inszenieren ein unwürdiges Schauspiel zwischen royalen Balkonbildern und angeblichem Streit“, so Schulz.

Hingegen ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – ungeachtet der Streitereien zwischen den Jamaika-Unterhändlern – ist zuversichtlich, dass ein Bündnis von Union, Liberalen und Grünen gelingen kann.

FDP und Grüne zurückhaltend

In ihrer ersten öffentlichen Stellungnahme zwei Wochen nach Beginn der Sondierungsgespräche sagte die CDU-Chefin am Freitag in Berlin, sie gehe zwar von weiterhin schwierigen Beratungen aus. „Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki (links) äußert sich am 19.10.2017 in Berlin vor dem Treffen von FDP und Grünen zur Vorbereitung auf den Start der Jamaika-Sondierungsverhandlungen in großer Runde. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

CSU-Chef Horst Seehofer bewertete die Situation zum Ende der ersten Sondierungsphase ähnlich wie Merkel. FDP und Grüne, die sich am meisten gestritten haben, sind da zurückhaltender. In der kommenden Woche beginnt die zweite Phase der Sondierung, bei der es dann richtig losgeht und konkretere Ergebnisse erwartet werden.

Merkel wird allgemein eine gute Leitung der Sondierungsgespräche nachgesagt. Es gebe von ihr klare Ansagen ebenso wie eine ausgleichende Gesprächsführung. Jeder Partner solle seine Identität zur Geltung bringen können, damit daraus etwas Gutes für das Land entstehe, sagte die Kanzlerin. „Die CDU ist jedenfalls dazu bereit.“

Seehofer sagte, die Unterhändler hätten eine anstrengende Woche hinter sich, „aber wir sind vorangekommen“. Merkel unterstrich, ihr Leitmotiv für die weiteren Verhandlungen sei, „dass wir heute dafür die Voraussetzungen schaffen, dass wir auch in zehn Jahren noch gut in Deutschland leben können“.

„Vertieft diskutieren“

Als wichtigste Themen nannte Merkel Beschäftigung, „gute Arbeit“, soziale und innere Sicherheit, Integration und die Erfüllung internationaler Verantwortung, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Für die CDU seien Familie und Bildung besonders wichtig.

Die Kanzlerin kam am Freitag zunächst mit CSU-Chef Horst Seehofer, FDP-Chef Christian Lindner und dem Grünen-Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zusammen. Danach versammelte sich das große Sondierungsteam.

Teile der Verhandlungsdelegation von Grünen und FDP stehen am 19.10.2017 in Berlin beim Treffen zur Vorbereitung auf den Start der Jamaika-Sondierungsverhandlungen auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Foto: Michael Kappeler/dpa

Anschließend waren sich die vier Parteien einig, dass Familien finanziell entlastet werden müssen. Leistungen für sie sollen gebündelt und unbürokratischer gemacht werden.

Das geht aus einem Leitlinien-Papier der Sondierer vom Freitag hervor. Dabei stehe die Bekämpfung von Kinderarmut im Mittelpunkt. Damit Väter und Mütter Beruf und Familie besser vereinbaren können, sollen flexible und qualitativ hochwertige Betreuungsangebote in Krippen und Kitas sowie für Grundschulkinder gefördert werden.

Über die von der CSU verlangte Anerkennung des dritten Erziehungsjahres in der Mütterrente soll in den weiteren Verhandlungen gesprochen werden.

Ein Papier zur Außen- und Sicherheitspolitik klammert alle großen Streitthemen aus. Die von der FDP in Frage gestellten Russland-Sanktionen kommen auf den zweieinhalb Seiten gar nicht vor, über die künftige Höhe der Verteidigungsausgaben, ein von Grünen und FDP gefordertes Rüstungsexportgesetz und die von der Union geplante Anschaffung von Kampfdrohnen wollen die Unterhändler zunächst noch „vertieft diskutieren“.

Nach Angaben der Union sind alle vier Seiten bereit, künftig mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben.

Jetzt wird richtig verhandelt

Man habe nun alle Themenfelder besprochen und kenne die Philosophie, die hinter den Vorschlägen aller Seiten stehe, sagte der CSU-Chef. Auch über das Wochenende werde weiter gearbeitet. Am Montagabend treffe man sich auf Ebene der Parteichefs, um den Fahrplan für die Entscheidungsphase zu erstellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Nicolas Armer/dpa

Als größte Brocken stufte Seehofer Finanzen und Steuern, Migration und Sicherheit sowie den Umweltbereich mit Klimaschutzzielen, Landwirtschaft und Mobilität ein. Auch Bildung und Wirtschaftspolitik seien wichtig. Eine Leitidee für ein Jamaika-Bündnis werde in der Endphase der Gespräche entwickelt.

Bis Donnerstagabend hatten die Parteien alle Themenblöcke für eine mögliche Jamaika-Koalition mindestens einmal beraten. In den kommenden zwei Wochen sollen die Sondierungen so weit abgeschlossen werden, dass die Parteien über einen Eintritt in formelle Koalitionsverhandlungen entscheiden können.

Die Jamaika-Parteien machen sich aus Sicht von FDP-Chef Lindner erst ab jetzt auf die Suche nach gemeinsamen politischen Zielen und Kompromissen. Bisher hätten sich Lösungen und Gemeinsamkeiten „sozusagen zufällig“ ergeben, denn es sei nur darum gegangen, Themen zu sammeln. „Jetzt wird richtig verhandelt.“ Dabei falle den Parteispitzen eine entscheidende Rolle zu.

Auch Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt sieht bei den Sondierungen noch eine „ganze Reihe großer Brocken“. Sie nannte die Haushalts- und Finanzpolitik, die Migrationspolitik sowie die Klimapolitik mit den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr und Energie. (dpa)

11 Antworten auf “Deutschland: Jamaika mehr als nur ein paar inszenierte Balkonbilder?”

  1. Alfons Van Compernolle

    Mehr als nur „Schauspiel“ , Staatstheater um auf der einen Seite Macht & Einfluss & Einnahmen zu erhalten und auf der anderen Seite “ wieder an Macht & Einfluss und Einnahmen“ zu gelangen und dritte Seite dieses Staatsschauspiel , weider die Farbe „Gelb“ etwas sein zu lassen“ als nur Zuschauer !
    Staatstheater mit Schauspielern , die ganz sicher das Volk und ihre Noeten & Sorgen nicht im Kopf haben.

  2. Es gipfelt doch an Unverschämtheit, dass dieser Schulz solche Äußerungen vom Stapel lässt… er war es doch, der sich aus jedweder Verantwortung gedrückt hat! Jetzt möchte er den vier Parteien, die versuchen möchten, das Schiff auf Kurs zu halten, noch ans Bein pinkeln. Bei Neuwahlen ist die SPD noch weiter unten – selber schuld!

    • @ Alfred

      Dann freuen Sie sich schon einmal wenn die AfD sich mit ihren Gesinnungsgenossen in Frankreich und anderen Europäischen Ländern an die Neuordnung Europas macht.
      Bereiten Sie sich darauf vor das es dann solche Foren nur noch in der Illegalität gibt und Sie sich künftig wieder an der Frittenbude in Durbuy austoben dürfen.

  3. schlechtmensch

    Es wird keine Neuwahlen geben weil die Bundesmutti es so will. Ausserdem sind die Koalitionspartner viel zu geil auf ihre neuen Pöstchen. Diese dicke Wurst lassen die sich nicht mehr vom Teller nehmen!

  4. Radio Euro

    Ich bin aber gegen eine Minderheitsregierung der AfD mit ihren 92 Abgeordneten und ich möchte nicht, dass Frau von Storch Familienministerin wird, Herr Glauser Finanzminister und Herr Gauland Kriegsminister…

    • @ Radio Euro

      Das sehen hier aber Einige ganz anders.
      Sie hätten gerne Herrn Glaser als Minister für religiöse Angelegenheiten,
      Frau von Storch (nomen es omen) als Ministerin für Tier- und Naturschutz. Darum hat ihr Berliner Landesverband sie ja auch von der Bürde ihres Parteiamtes entbunden. Abgewählt klingt so gewöhnlich, nach seriöser Politik oder so.
      Den Gauleiter hätten viele gerne als Bundeskanzler. Er hat angeblich schon zugesagt ein paar Kilo abzunehmen, seine Tweetjacke gegen eine fesche Uniform zu tauschen, sich ein Bärtchen unter der Nase wachsen zu lassen und sich einen DeLorean zu kaufen. Wenn ihm jetzt noch einer die Adresse von Marty McFly und „Doc“ Brown verrät steht einer Reise „Zurück in die Zukunft“ nichts mehr im Wege…….

  5. Ekel Alfred

    @ EdiG, der Neuordnung Europas sehe ich gelassen entgegen….es ist doch höchste Zeit, das sie kommt….in vielen Ländern Europas sind die Bürger doch unzufrieden mit den leeren Versprechungen bisheriger Politik….

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern