Nachrichten

Vom europäischen Topclub zum Mitfavoriten in Belgien: Der Niedergang von Rekordmeister Anderlecht

Am 11. Mai 1972 bestritt die AS Eupen im Kehrweg-Stadion ein Freundschaftsspiel gegen den großen RSC Anderlecht mit u.a. Rob Rensenbrink (rechts, hier beim Wimpeltausch mit AS-Kapitän Günter Brüll). Foto: Buch "Verpönt, verschmäht, vergöttert - Die Geschichte des Eupener Fußballs"

An diesem Sonntag um 18 Uhr (Winterzeit!) trifft die AS Eupen auf einen Gegner, der heute allenfalls in Belgien noch ein Topclub ist, aber nicht mehr in Europa. Es hat ganz andere Zeiten gegeben: Vor 40 Jahren gehörten die „Veilchen“ zur europäischen Spitze, auf Augenhöhe mit Real Madrid, Bayern München, Liverpool oder AC und Inter Mailand.

Am 30. August 1976 gewann der RSC Anderlecht nach einem grandiosen 4:1-Sieg gegen den FC Bayern München von Franz Beckenbauer und Gerd Müller den europäischen Supercup.

Die Bayern hatten zum dritten Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister gewonnen, während die Anderlechter mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger erstmals in den Kreis der europäischen Topclubs vorgestoßen waren.

Belgiens Nationalspieler Youri Tielemans war das letzte Supertalent, das der RSC Anderlecht hervorgebracht hat. Der 21-Jährige wechselte zu AS Monaco. Foto: Belga

Nach dem Supercup-Rückspiel in Brüssel erklärte Bayern-Trainer Dettmar Cramer: „Der RSC Anderlecht erfüllt alle Voraussetzungen, um die Nachfolge von Bayern München als Europas Spitzenverein anzutreten.“ Ein größeres Kompliment hätte man den Belgiern nicht machen können.

Das Problem war jedoch, dass der RSC Anderlecht zwar auf der europäischen Bühne glänzte mit zwei Siegen (1976 und 1978) und einer Endspielteilnahme (1977) im Europapokal der Pokalsieger sowie dem zweimaligen Gewinn des europäischen Supercups (1976 und 1978), der belgische Nobelclub aber zwischen 1974 und 1981 nicht einmal belgischer Meister wurde und somit nicht am Europacup der Landesmeister teilnehmen durfte.

Künftig ein „belgisches Ajax“?

Der Grund war wohl, dass Spieler wie Arie Haan und Rob Rensenbrink mittwochs in Europa absolute Weltklasse-Leistungen boten, aber samstags oder sonntags in Provinzstadien wie denen in Boom, Winterslag, Lokeren oder Lier nicht motiviert genug waren, um eine wenigstens einigermaßen konstant gute Leistung abzurufen.

Der belgische U21-Nationalspieler Landry Dimata ist einer der Hoffnungsträger des RSC Anderlecht von heute. Foto: Shutterstock

Linksaußen Rensenbrink war der Superstar jener Spitzenmannschaft. Der Niederländer stand 1974 und 1978 mit Oranje im WM-Finale, in dem man zwei Mal dem jeweiligen Gastgeber Deutschland und Argentinien unterlag.

1983 holte Anderlecht noch den UEFA-Pokal gegen Benfica Lissabon, jedoch neigte sich die goldene Ära allmählich ihrem Ende. Im darauf folgenden Jahr 1984 musste man sich im Finale des UEFA-Cups dem Sieger Tottenham Hotspur im Elfmeterschießen geschlagen geben.

Obwohl im Jahr 1990 noch einmal der Einzug in das Pokalsieger-Finale gegen Sampdoria Genua gefeiert werden konnte, ist Anderlecht seitdem nur noch ein Schatten des europäischen Topclubs von einst.

Inzwischen hat die Familie Vanden Stock den Club verkauft. Unter seinem neuen Besitzer Marc Coucke möchte Anderlecht eine Art „belgisches Ajax“ werden – eine Talentschmiede. Spieler wie Zakaria Bakkali (22), Francis Amuzu (19), Alexis Saelemaekers (19) oder Landry Dimata (21) sollen sich im Stadion Constant Vanden Stock für die Roten Teufel und für einen Wechsel zu einem europäischen Topclub empfehlen, der Anderlecht selbst früher einmal war. Eine andere Politik als diese wäre für den belgischen Rekordmeister auch nicht mehr möglich.

Am Sonntag kommt Anderlecht nach Eupen – mit einer grandiosen Historie, aber einer derzeit eher mittelmäßigen Mannschaft… (cre)

HINWEIS – Ein Vorbericht zum Spiel von Sonntag zwischen der AS Eupen und dem RSC Anderlecht folgt am Wochenende hier auf „Ostbelgien Direkt“.

4 Antworten auf “Vom europäischen Topclub zum Mitfavoriten in Belgien: Der Niedergang von Rekordmeister Anderlecht”

  1. Rundes Leder

    Das ist das sogenannte Futter für die Medien. Dem RSC A ergeht es nicht besser wie anderen grossen Clubs, die haben auch ab und zu Gerg- und Talfahrten mitgemacht. Ob es nun Real, Barca, Ajax, der BVB, die Bayern, Juve, Inter und AC Milan, und noch viele andere waren. Es ist zumeist immer irgendwie eine gewisse Generation gewesen, welche eine Serie von Erfolgen einfuhr. Dabei spielte der Trainer und das gesamte Team, besonders aber auch gewisse grosse Stars eine Rolle dabei! Was hat Anderlecht z Bspl denn noch für Stars heute!? Könnten Sie mir einen nennen bitte!? Na also! Abgesehen davon, das Belgiens Clubfussball, damals in 70-80 er Jahren ein Magnet war für sehr gute Auslandskicker, das lag vormalig an den Steuervorteilen welche hier bei uns galten! Das sollten Sie, als der „Sportjournalist“ doch eigentlich sehr gut wissen, oder!?

    • Man kann den RSC Anderlecht heute leider absolut nicht mehr mit den „großen Vereinen“ vergleichen. Nicht mal mehr mit den meisten kleinen Vereinen aus D, GB, I oder E. Belgien ist einfach zu klein, da gibt es leider weder genug TV- Geld, noch genug Werbeeinnahmen. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass alleine das TV- Geld bei jedem Premierleague- Club weit höher ist als Anderlechts Gesamtetat. Da würde auch die seinerzeitige „Künstlersteuer“, von der damals auch Alemannia Aachen (fast alle Profis wohnten in B) stark profitiert hat, nicht mehr helfen. Selbst ein Ergänzungsspieler in England verdient Netto mehr als der teuerste Anderlechter Brutto! Angesehen von Ajax, die ja selber in Europa keine Rolle mehr spielen, hat wahrscheinlich jeder von Ihnen genannte Club mehr Geld zur Verfügung als die gesamte Jupilerleague.

      So lange das Geldkartenhaus des internationalen Fußballs nicht zusammenbricht hat ein Verein wie der RSC Anderlecht so gut wie keine Chance, jemals wieder ein Spitzenteam in Europa zu werden. Es würde nicht mal helfen, wenn der RSC einen Jugendjahrgang mit 33 Weltklassespielern, mit denen jede Position ohne Qualitätsverlust dreifach besetzt werden könnte, hervorbringen würde. Die meisten davon würden nämlich spätestens mit 13, 14 nach England oder Spanien gelockt werden.

  2. Pensionierter Bauer

    Das waren noch tolle Zeiten, damals Siege gegen Liverpool uva. Oftmals war ich dabei und es gab im Belgischen Vereinsfußball richtig viel zu jubeln. Die Regel, dass nur sehr begrenzt nicht für die Nationalmannschaft berechtigte eingesetzt werden dürften war gut und richtig. Seitdem kaum noch Belgier in der 1.Division spielen geht es mit dem Belgischen Vereinsfußball nur noch bergab und mich sieht man praktisch nicht mehr in den Stadien.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern