Gesellschaft

Viel Aufregung um wenig Stoff: Der Bikini wird 75

Noch in den 1950er und 1960er Jahren hatte der für seine Zeit atemberaubend aufreizende Bikini an vielen Stränden Badeverbot. Foto: Pixabay

Inzwischen ist er längst akzeptiert, doch im Jahr 1946 war es schwer, eine Frau zu finden, die ihn der Welt vorstellte: den Bikini. Nun wird der einst verbotene Zweiteiler 75 Jahre alt.

Sein Name verrät, dass seinem Schöpfer Louis Réard die gesellschaftliche Sprengkraft seiner Erfindung bewusst war. Als am 5. Juli 1946 in Paris ein knapper Zweiteiler als Bademode namens Bikini vorgestellt wurde, hatten die USA wenige Tage zuvor auf dem gleichnamigen Atoll im Pazifik eine Atombombe getestet.

05.07.1946, Frankreich, Paris: Micheline Bernardini, eine Nackttänzerin des Pariser Casinos, präsentiert am 5. Juli 1946 in einem Schwimmbad in Paris den ersten Bikini, den der französische Ingenieur Louis Reard entwickelt hatte. Zunächst erhielt das als schamlos empfundene Kleidungsstück vielerorts Badeverbot. Erst in den freizügigeren 60er- Jahren setzte er sich durch. Jetzt wird der Bikini 75 Jahre alt. Foto: -/AFP/dpa

Keines der seriösen Mannequins, wie Models damals hießen, war ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs bereit, die modische Innovation des Franzosen Réard zu präsentieren.

So war es Nackttänzerin Micheline Bernardini vorbehalten, der Weltöffentlichkeit im Pariser Schwimmbad Molitor den ersten Bikini vorzustellen.

Noch in den 1950er und 1960er Jahren hatte der für seine Zeit atemberaubend aufreizende Zweiteiler an vielen Stränden Badeverbot. Es dauerte und bedurfte einiger prominenter Trägerinnen wie Brigitte Bardot, Marilyn Monroe und Ursula Andress, bis er seinen weltweiten Siegeszug an Stränden und in Schwimmbädern antrat.

1962 war die Zeit reif für den legendären Leinwand-Auftritt von Ursula Andress als Bond-Girl Honey Ryder. In einem Bikini-Modell, das heute eher prüde daher käme, entstieg sie singend dem Meer und James Bond, alias Sean Connery, kam aus dem Staunen nicht heraus.

„Der Bikini stößt an die Grenzen des Möglichen“, befand Modedesignerin Ursula Templin. „Er beschwichtigt eine Gesellschaft, die Nacktheit verbietet, und ist dabei aber viel aufreizender.“

03.07.2020, Baden-Württemberg, Bad Rappenau: Eine Frau betrachtet vor der Eröffnung des BikiniARTmuseums eine Bikini-Kollektion im Stil von Brigitte Bardot. Foto: Uwe Anspach/dpa

Das Stück Stoff, das Andress damals trug, blieb vor einigen Monaten in Los Angeles bei einer Versteigerung zwar als Ladenhüter liegen – was aber am üppigen Mindestgebot von 300.000 US-Dollar gelegen haben mag: 2001 hatte der Dr.-No-Bikini noch für 60.000 Dollar den Besitzer gewechselt – damals Rekord für ein Stück Badekleidung.

Der Bikini, den Maschinenbau-Ingenieur Réard vorführen ließ, hat einen Imagewandel vollzogen: von schamlos und skandalös bis sexy und emanzipatorisch. Spätestens mit der sexuellen Befreiung der 1968er-Generation, der Oben-ohne-Welle und dem Nudismus ging die Freizügigkeit deutlich über Réards Schöpfung hinaus.

In den 1980er und 1990er Jahren wurden Bikinis ganz selbstverständlich von Supermodels wie Claudia Schiffer und Naomi Campbell präsentiert. Inzwischen hat der Bikini einige Ableger bekommen: Microkini, Monokini, Mixkini, Tankini und Burkini.

Burkini ist eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini. Das Kleidungsstück bedeckt den ganzen Körper und wird muslimischen Frauen am Strand oder im Schwimmbad getragen. Foto: Shutterstock

Durfte ein Badetextil Anfang des 20. Jahrhunderts nicht zu knapp ausfallen, wollten manche im 21. Jahrhundert die Gegenbewegung aufhalten: Das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs stoppte 2016 das geplante Verbot des Burkinis und der Volleyball-Weltverband schrieb seinen Sportlerinnen 2012 vor, dass ihre Höschen nicht breiter als sieben Zentimeter zu sein haben.

Im vergangenen Jahr wurde dem Bikini in Deutschland schließlich rechtzeitig vor dem 75. ein ganzes Museum gewidmet. Das Bikini Art Museum im baden-württembergischen Bad Rappenau hat einen Fundus von immerhin 1.200 Ausstellungsstücken und 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Der Bikini hat Réard trotz des Welterfolgs nicht so reich gemacht, wie er sich erhofft hatte: Zu hemmungslos war der von ihm als Gebrauchsmuster Nr. 19431 geschützte Ur-Bikini kopiert worden. Der Franzose starb 1984 in Lausanne in der Schweiz und wurde dort beigesetzt wie schon vor 50 Jahren Französin Gabrielle „Coco“ Chanel, die Erfinderin einer anderen Mode-Ikone, des „kleinen Schwarzen“. (dpa)

24 Antworten auf “Viel Aufregung um wenig Stoff: Der Bikini wird 75”

  1. Besorgte Mutter

    Meine Eltern fanden den Bikini selbst in den 70er Jahren noch ziemlich skandalös und regten sich tierisch über jede weitere Verknappung des Textils auf. Für mich hingegen war das ganze aber Freiheit pur und stellte mit Sicherheit auch eine Befreiung von der bei uns alles beherrschenden kath. Kirche dar.
    Leider sehe ich mittlerweile eine beginnende Rückkehr ins Prüde, so erschreckt mich die in Aachen abwertend geführte Diskussion über die neueste Radio 100.5 Werbung total. Es ist doch die Sache der/des Einzelnen wie er/sie sich in der Öffentlichkeit präsentiert.
    Und wem‘s nicht gefällt, der/die darf gerne wegschauen.

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