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Das Gaspedal als Ventil: Raser als Verkehrsrisiko – Was steckt hinter diesem rücksichtslosen Fahrverhalten?

Illustrationsfotos: Shutterstock

Immer wieder verursachen Raser schwere Unfälle. Was steckt hinter dem rücksichtslosen Verhalten der überwiegend jungen Männer? Verkehrspsychologen suchen nach Erklärungen.

Sie drücken das Gaspedal bis zum Anschlag durch, machen Straßen zu Rennstrecken und protzen mit aufheulenden Motoren: Raser, Drängler und Poser sorgen immer wieder für Ärger und bringen sich und andere Verkehrsteilnehmer in Gefahr.

„Sie haben die Illusion, die Situation zu beherrschen, und blenden die Risiken aus“, sagt der Verkehrspsychologe Jürgen Brenner-Hartmann, Tagungspräsident des Gemeinsamen Symposiums der Deutschen Gesellschaften für Verkehrspsychologie (DGVP) und Verkehrsmedizin (DGVM) in Bonn. Bei der bis zum heutigen Samstag dauernden Veranstaltung geht es unter anderem um Risikoverhalten im Verkehr.

07.03.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Zwei Autowracks nach einem Raserunfall. Bei dem Zusammenstoß kamen zwei Menschen ums Leben. Foto: Kohls/SDMG/dpa

Besonders gefährlich wird es bei illegalen Rennen, bei denen sich junge Fahrer – oft mitten in der Stadt – ein Kräftemessen liefern. „Das Gaspedal dient ihnen als Ventil, um Druck abzulassen“, sagt Alexander Schwarzer, stellvertretender Leiter des Einsatztrupps Verkehr/Rennen bei der Kölner Polizei. Dort kümmern sich seit 2015 speziell geschulte Ermittler um das Problem – als Folge mehrerer schwerer Raserunfälle. Seit ihrer Gründung hat die Gruppe wegen rund 300 Rennen in Köln ermittelt, allein in diesem Jahr waren es bereits mehr als 60.

Der „typische Raser“ ist nach den Worten von Schwarzer zwischen 18 und 25 Jahre alt, männlich und hat oft einen Migrationshintergrund. Häufig wohne er noch bei seinen Eltern und habe nur ein geringes Einkommen. „Den fehlenden beruflichen Erfolg versucht er auszugleichen, indem er sich Anerkennung übers Auto holt.“

Die Wagen seien häufig technisch verändert, teilweise auch unerlaubt – etwa durch manipulierte Auspuffanlagen, Spurverbreiterungen oder nicht zugelassene Felgen. 2019 haben die Kölner Ermittler bei Kontrollen schon mehr als 200 Fahrzeuge stillgelegt, bei denen die Betriebserlaubnis wegen solcher Eingriffe erloschen war.

Ein weißes Geisterfahrrad markiert eine Kreuzung in Würselen bei Aachen, an der sich ein wahrscheinlich von einem Raser verursachter tödlicher Unfall mit einem Radfahrer ereignete. Fotos: OD

Dass sich Männer über ihre Autos definieren, sei schon immer so gewesen, meint Brenner-Hartmann, und erinnert an die klischeehaften Mantafahrer der 1080er und 1990er Jahre. „Durch ein tolles Auto fühlt man sich stark und besonders kompetent.“ So sei das Verhalten der heutigen Poser, die mit dröhnendem Auspuff und hochmotorisierten Wagen imponieren wollen, das „Aufrüsten eines Alt-Phänomens“.

Immer häufiger würden die Autos extra dafür ausgeliehen, beobachtet Dieter Schäfer, Leiter der Verkehrspolizeidirektion Mannheim, die 2016 eine „Ermittlungsgruppe Poser“ eingerichtet hat. Junge Männer erfüllten sich so für einen Tag ihren Traum vom teuren Mercedes-AMG, BMW oder Audi. „In Ballungsräumen schießen Verleihfirmen dieser ‚Sehnsuchtsautos’ aus dem Boden“, sagt Schäfer. Die Fahrer seien mit den mehrere hundert PS-starken Boliden dann häufig überfordert.

Vor dem Stuttgarter Landgericht läuft zurzeit ein Prozess um einen aufsehenerregenden Raserunfall mit zwei Toten: Ein 20-Jähriger soll mit einem gemieteten Sportwagen den Kleinwagen der beiden Opfer gerammt haben. Er ist wegen Mordes angeklagt.

„Man wird es nicht verhindern können, dass Menschen sich ausprobieren und Grenzen überschreiten.“ Foto: Shutterstock

Anfang März hatte in Deutschland der Bundesgerichtshof (BGH) erstmals ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt, der 2017 in Hamburg mit einem gestohlenen Taxi einen Menschen getötet hatte. Eine generelle Linie für eine Mordverurteilung in Raserfällen legten die Karlsruher Richter jedoch nicht fest: Maßgeblich seien jeweils die Umstände des Einzelfalls.

Erst in der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Kleve Anklage wegen Mordes gegen einen 21-Jährigen erhoben. Er soll bei einem illegalen Rennen im niederrheinischen Moers einen Unfall verursacht haben, bei dem eine unbeteiligte Frau ums Leben kam.

Autorennen gelten seit einer Gesetzesänderung 2017 in Deutschland nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Die Verkehrsminister der deutschen Länder setzen sich zudem für eine Reform des Bußgeldkatalogs ein, um Raser, Drängler und Poser härter zu bestrafen.

Dennoch: Verkehrsrowdys werden auch in Zukunft ein Dauerproblem bleiben, meint TÜV-Süd-Verkehrspsychologe Brenner-Hartmann. „Man wird es nicht verhindern können, dass Menschen sich ausprobieren und Grenzen überschreiten.“ (dpa)

31 Antworten auf “Das Gaspedal als Ventil: Raser als Verkehrsrisiko – Was steckt hinter diesem rücksichtslosen Fahrverhalten?”

  1. Endlich!

    Danke, daß OD das Thema ENDLICH thematisiert! Ist wohl ’ne nationale Sache, so wie Fritten, Biersorten, Schokolade, die Raserei. Belgien sollte sich ein Beispiel an Holland nehmen und knallhart durchgreifen. Aber der Laxismus ist genau so belgisch, also wird das nichts werden.

  2. Schlechte Manieren

    Das mit der Raserei, ist mit sovielem Unsinn, schlechte Manieren und Unfug zu vergleichen. Alle Süchte sind genau so ein Problem. Kokain, Extasy, Rauschgift ua sind der Beginn des Untergangs. Bei der Politik gibt es ebenso solche Sünder und Angesteckte. Jetzt wieder diese Nettys Probleme, es ist nur ein Beispiel von massig anderen die damit verbunden sind. Hier in der DG gibt es auch solche die den Hals nicht voll genug bekommen in Sachen Geld verdienen!? Da sind mehrere Jobs unter einem Hut auch darunter. Bekannte Fälle, aber die Ausüber stört das nicht, sie bleiben stur dabei. Damit zum Ende dann die Abschiedsprämien läuten und die satte Rente als die Krone obendrauf.

    • Der Reserve einäugige Bandit

      Meinen sie etwa das diese Sorte sich mit der satten Rente zufrieden geben ? Zur Genüge sieht man immer noch Nebenmurkser auf der Suche nach Steuergelder mit Scheuklappen durch die Gegend streichen .

  3. Truckerbill

    @Endlich
    noch einer der Suv oder Grosse , Psstarke Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen will.
    So nun mal langsam, ich kann jedes Fahrzeug zur Waffe machen. Und zwar immer dann wenn ich es nicht für das benutze wozu es gedacht ist.
    Es wird doch schon genug getan.
    So gehören Brülltüten und Tuningumbauten so langsam der Vergangenheit an weil alle Teile eine Zulassungsnummer haben müsse; Dies wird von TÜV und Polizei kontroliert.

    Nicht jeder Autofan der mit einem Leistungsstarken Fahrzeug unterwegs sit , ist ein Poser, Raser oder Verrückter.
    Das Problem ist die Ellebogengeselschaft und das Fahrzeugauch heute noch ein sehr starkes Statussymbol.
    Und auch mit einem Hubraumarmen Auto kônnen Rennen veranstaltet werden.
    Aber wenn sie doch so gegen diese Autofans sind , dann lassen sie doch die paar tausend Mann die jährlich zur ESSEN MOTORSHOW pilgern festnehmen sind ja alles geistekranke.

    Also lassen wir die Kirche im Dorf

  4. Schleicher

    Verbieten, bestrafen usw. bringt so gut wie nichts. Der Mensch und ganz besonders junge Männer müssen sich zuert einmal beweisen und alles Mögliche bis zum Abwinken ausprobieren. Das ist wohl so und lässt sich kaum sperren.
    Jedenfalls nicht ohne Ventil.
    EIn Überdruckventil könnte Motorsport auf abgesperrten Strecken sein.
    Ein Bekannter von mir hat seinem Sohn seinerzeit einen echten Racing Kart geschenkt, damit konnte der junge Bursche sich beweisen. Sogar recht risikolos. Wenn der von der Strecke kam war der ausgepowert. Da hatte der sogar ab und an keine Lust mehr auf öffentlicher Straße unterwegs zu sein. Und wenn das mit 16 oder früher angegangen wird dann sind die Weichen langfristig gestellt.
    Also, nicht abdichten sondern bewusst und kontrolliert Ventile öffnen bzw. möglch machen. Kleine Anreize sind dabei hilfreich.
    Möglicherweise sollte der Staat sogar solche Schienen sogar fördern und eventuell mit dem Führerscheinerwerb kombinieren.
    Ein wenig Rennsport würde sogar manchem Erwachsenen gut tun, denn auch mit 30 und mehr gibt es sehr viele Fahrer / innen die Grenzsituationen überhaupt nicht beherschen. Sehr Viele können noch nicht mal eine echte Vollbremsung hinlegen. Und solches Geschick braucht man unbedingt im Straßenvekehr, denn man ist ja nicht alleine unterwegs. In der Fahrschule lernt man dagegen nur Pillepalle.

      • majestix

        Sie haben meine volle Zustimmung. Hier im Süden der DG wird gerast und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, Fahrzeug etc..
        Es wird quasi als Kavaliersdelikt angesehen, wenn man mit 100 oder mehr in eine Ortschaft fährt, “die Straße ist ja so schön gerade“.
        Und Leute, die sich an diese komischen rot-weißen Schilder mit den Zahlen drin halten, werden als Hindernis angesehen.
        Und wenn sich mal wieder jemand wegen überhöhter Geschwindigkeit aus dem Leben katapultiert sucht man noch Entschuldigungen wie: “er ist bestimmt eingeschlafen“.
        Wer nicht hören will muss fühlen: mehr Kontrollen, höhere Strafen und im Wiederholungsfall kommt das Auto in die Schrottpresse, dann wird es vielleicht nochmal besser?!

        • Endlich!

          Daß in der Eifel genau so gerast wird, sagte mir am WE noch ein Freund, der beruflich viel im Süden der DG unterwegs ist.
          Aber Sie lesen es ja hier: Einige halten dies für Quatsch. DA kann man denen nur wünschen, daß sie nicht von einem Raser getötet werden, der dann über eine 70er Strecke mit 150 donnert (Monschauerstraße, vor 6 Wochen – aber der Baum war stärker…) oder mit 100 in der 30er Zone.

    • Mit der Fahrschule haben Sie zu 100% recht.Fahren Sie mal 10 Minuten hinter einem Fahrschulwagen her.Man muß sich fragen ob die Schüler überhaupt etwas bei gebracht bekommen.Und die sogenannten Fahrlehrer kann man glaube ich in die Tonne klopfen.Ich hatte eine Nachbarin die laut eigenen Angaben 7 mal durch die Theoretische Prüfung gefallen ist. Beim 8.Versuch hat es dann geklappt.Wahrscheinlich aus Mitleid.Und so etwas lassen die dann auf die Menschheit los.

  5. schlechtmensch

    Dahinter steckt dass es viele rücksichtslose dumme Tuppesse gibt die ihr Fahrzeug im Ernstfall nicht unter Kontrolle haben und nach einem Unfall dumm aus der Wäsche gucken oder weinen wenn sie jemanden angerast haben. Es ist aber wie mit allem, wenn diese Dinge nicht geahndet werden und das Risiko erwischt zu werden so gering ist wird sich nichts ändern. Man muss das Risiko für die Rase erhöhen und die Strafen prozentual dem Einkommen anpassen.

    • Polarlicht

      Und den Führerschein auf Lebenszeit entziehen! Solche Experten, die da meinen mit 180 Sachen in der Stadt Formel Eins spielen zu müssen, sind geistig nicht in der Lage, ein Auto zu führen. Das selbe gilt für Motorräder

      • Peer van Daalen

        @Polarlicht: Ihr Vorschlag den FS auf Lebenszeit zu entziehen ist absolut lächerlich oder haben Sie etwa bis heute noch nie was davon gehört oder gelesen, daß sehr viele dieser Gestalten schlicht OHNE Führerschein aber mit einer Menge an unkontrollierten Testosteron und Drogen im Blut unterwegs sind?

        Die lachen sich schlapp über Ihren Unfug!!!

        Was hier angesagt wäre, wären Urteile wie das Lebenslänglich aus Berlin und/oder dieser geniale Richterspruch https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/weil-er-gerast-ist-berliner-gericht-verwehrt-unfallopfer-schmerzensgeld-33296930 .

        Wenn alle Stricke reißen ist zumindest in Deutschland noch das PsychKG https://de.wikipedia.org/wiki/Psychisch-Kranken-Gesetz anzuwenden. Keine Ahnung ehrlich gesagt ob es sowas hier bei uns in Belgien gibt.

        • Polarlicht

          Werter @ Peer Van Daalen
          Es ist in Deutschland Gang und gebe, dass der Führerschein auf Lebenszeit entzogen wird, zB bei Alkohol am Steuer ( kommt auf die Promille im Blut an), oder auch bei Fahrerflucht mit Personenschaden….was die Anwendung des PsychKG angeht, so kommt das nicht unbedingt zum tragen, denn dieses Gesetz geht mehr in den Psychiatriebereich hinein. ZB ,wenn ein Patient fixiert werden muss, das klar verweigert…dann muß ein Richter bestimmen, dass dieses Gesetz zum tragen kommt, so das der Patient fixiert werden kann. Das ist jetzt nur ein Beispiel.
          Im übrigen habe ich mit keinem Wort geschrieben, dass die Maßnahme des Fsventzugs, nicht dazu führt,das solche Leute trotzdem fahren

  6. wie wär's mit Militärdienst?

    „Der Mensch und ganz besonders junge Männer müssen sich zuert einmal beweisen und alles Mögliche bis zum Abwinken ausprobieren. “ Ich hätte eine Idee: wie wär’s mit der Wiedereinführung des Militärdienstes? In Burg Leopold bei 30°C und voller Ausrüstung durch den Sand robben, bis die Schwarte kracht. Oder 50 Liegestütze vor dem Hindernislauf… Formt den Charakter.

    • Gleichzeitig den Führerschein beim Militär machen und den Frust der idiotischen Woche im Sand am Wochenende am Steuer abreagieren !
      Wie wär’s denn mit Zivildienst im Altenheim? Statt Sand und Waffen, Sandkasten und Waffeln …

  7. Die jungen Herren die ihre Fahrkünste überschätzen eliminieren sich selbst. Frauen hingegen , die ihr Fähigkeiten überschätzen , fahren ne Beule oder nieten gepflegt jemanden um, heulen dann ein Bisschen rum und machen anschliessend weiterhin die Strassen unsicher.

  8. Deuxtrois

    Ich finde, auch die Raserei hat im vergangenem Jahrzehnt stark abgenommen. Leider gibt es immer noch Uneinsichtige. Super akut empfinde ich das Problem aber nicht. Da wir zu dem Thema aber wieder nur einen DPA Artikel vorgesetzt bekommen, wird das Thema verfehlt. Wie ist denn die Lage punkto Verkehrsunfällen bei uns? Wieder einmal guckt man hier in die Röhre.

  9. Besorgte Mutter

    Für alle die ein Problem mit meiner Art der Erziehung haben:
    Auch mit der Raserei haben meine inzwischen erwachsenen Kinder keinerlei Probleme. Mit Ausnahme von einigen LEICHTEN Geschwindigkeitsübertretungen (1-10Kmh) wurde bisher noch nichts bei ihnen registriert.

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