Nenad Bjelica droht nach seinem Ausraster gegen Leroy Sané eine lange Sperre, dem 1. FC Union eine nervende Trainerdiskussion. Die Tätlichkeit des erst Ende November verpflichteten Kroaten kommt für die Berliner mitten im Abstiegskampf und vor zwei wegweisenden Kellerduellen zum schlechtesten Zeitpunkt.
„Emotionen sind okay, und die sollten auch ausgelebt werden auf dem Platz. Wenn es dahingeht, dass es körperlich wird, geht es vom Spieler nicht und auch vom Trainer nicht“, sagte Unions Nationalspieler Robin Gosens.
Mit dem Urteil des Deutschen Fußball-Bundes gegen Bjelica ist noch in dieser Woche zu rechnen. Wie sehr die Position des 52-Jährigen als Chefcoach der Eisernen durch sein unrühmliches Fehlverhalten an der Seitenlinie geschwächt wurde, muss sich noch zeigen. „Bjelica ist so nicht mehr tragbar“, kommentierte das Fachmagazin „Kicker“ am Donnerstag. „Union muss den Skandal-Trainer jetzt feuern“, forderte die „Bild“.
Gosens kennt Bjelica seit dessen Berufung am 27. November, und Gosens kennt Leroy Sané, dessen Gesicht Bjelica gleich zweimal mit seiner Hand erwischt hatte. Beide seien emotional, „gerade im Spiel“, berichtete Gosens, der sich zehn Minuten nach seiner Auswechslung als Schlichter zwischen den beiden in der Nachholpartie der Unioner beim FC Bayern versucht hatte: „Ich bin eigentlich nur noch dazwischen gegangen und habe versucht, das Schlimmste zu verhindern.“
Er habe sich in seiner Coaching-Zone provoziert gefühlt, äußerte Bjelica auf der Pressekonferenz am späten Mittwochabend. Nach seinem gerade mal siebten Pflichtspiel als Union-Trainer erklärte er: „Er hat mich geschubst, dann habe ich reagiert, wie ich nicht reagieren sollte.“ Es täte ihm leid für die Mannschaft, für den Verein. Bei Sané entschuldigen wollte sich Bjelica nicht.
„Der Berliner Trainer verliert komplett die Nerven. Bjelicas Hand hat in Sanés Gesicht wahrlich nichts zu suchen“, schrieb die Deutsche Fußball Liga in ihrem Live-Ticker. Auch wenn es nicht der erste Ausraster und die erste Tätlichkeit eines Trainers ist – in bester Erinnerung ist vor allem der Kopfstoß von Norbert Meier im Dezember 2005 als Trainer des MSV Duisburg gegen Spieler Albert Streit vom 1. FC Köln inklusive theaterreifem Umfaller – für Bjelica und den 1. FC Union könnte er entscheidend sein im Kampf um den Verbleib in der ersten Liga.
Nach der Trennung schwersten Herzens von Urs Fischer, dessen stoische Ruhe sich manch einer am Mittwoch gewünscht hatte, sollte Bjelica die kriselnden Köpenicker wieder aufrichten. Sein Auftritt in München ist nun ein schwerer Rückschlag, die kommenden Spiele werden seine Assistenten seinen Job an der Linie machen müssen. Er werde aber das Training leiten, betonte Bjelica.
Der ehemalige Top-Schiedsrichter Manuel Gräfe prophezeite Bjelicas eine Sperre von mindestens vier bis sechs Spielen. „Eine Tätlichkeit ist gegeben, wenn der Spieler gewollt mit körperlicher Gewalt gegen einen Gegner vorgeht. Treten, Schlagen, Stoßen, Beißen und Spucken sind typische Vergehen. Strafandrohung: von mindestens sechs Wochen bis zu sechs Monaten“, heißt es in einem allgemeinen Beitrag zu Roten Karten auf der DFB-Homepage.
Strafmildernd kann wirken, wenn unmittelbar vor einem Vergehen eine sportwidrige Handlung durch den Gegenspieler begangen wurde. Dann werde die Mindeststrafe in der Regel auf drei Spiele herabgesetzt. Das gelte genauso, wenn ein leichterer Fall der Tätlichkeit vorliege. Beide Milderungsmöglichkeiten könnten auch zusammen greifen, dann wird die Mindestsperre grundsätzlich auf zwei Spiele reduziert, steht im DFB-Regelwerk.
Zumindest Sané hatte die Angelegenheit schnell abgehakt. „Ich bin bei so etwas aber nicht nachtragend und die Szene ist für mich schon wieder vergessen“, sagte er der „Bild“: „Soweit ich weiß, war er etwas emotional nach der Szene in unserem Strafraum.“
Dabei ging es um einen nicht gegebenen Elfmeter. Lautstark hatten die Gäste ein ihrer Ansicht nach elfmeterreifes Foul von Konrad Laimer an Stürmer Kevin Behrens (72.) reklamiert. Eine Schrecksekunde, räumte sogar Bayern-Coach Thomas Tuchel ein. Sein Kollege bekam sich danach nicht schnell genug wieder in den Griff. „Ich war etwas aufgebracht“, sagte er beim Pay-TV-Sender Sky. „Das ist nicht zu tolerieren, was ich gemacht habe. Ich verstehe die Rote Karte.“ Da war es aber schon zu spät. (dpa)