Politik

Beziehungen auf Tiefpunkt: Zwischen Italien und Frankreich wird gestänkert, ausgeteilt und gekeilt

15.06.2018, Frankreich, Paris: Emmanuel Macron (r), Präsident von Frankreich, und Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, sprechen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Elysée-Palast. Foto: Francois Mori/AP POOL/dpa

Es wird gestänkert, ausgeteilt und gekeilt: Die Beziehungen zwischen Frankreich und Italien sind auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Mittlerweile streiten sich Paris und Rom sogar darum, wer am wenigsten Niveau hat. Der Streit kann zum richtigen Problem werden.

Von der viel besagten Hassliebe zwischen den Nachbarn Frankreich und Italien ist derzeit wenig Liebe und viel Abneigung zu spüren. Seit die populistische Regierung aus rechter Lega und europakritischer Fünf-Sterne-Bewegung in Rom Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Lieblingsfeind auserkoren hat, fliegen die Giftpfeile aus dem Süden in Richtung Paris.

Jetzt haben die italienisch-französischen Beziehungen einen neuen Tiefpunkt erreicht – und das genau zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland und Frankreich ihre Freundschaft neu besiegelt haben.

17.01.2019, Italien, Rom: Luigi Di Maio (l-r), stellvertretender Ministerpräsident von Italien, Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, und Matteo Salvini, stellvertretender Ministerpräsident von Italien, nehmen an einer Pressekonferenz im Anschluss an eine Kabinettssitzung teil. Foto: Riccardo Antimiani/ANSA/AP/dpa

Die Beziehungen seien in der „tiefsten politischen Krise“ seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte der französische Politikwissenschaftler Marc Lazar, der auch in Rom lehrt, unlängst in einem Interview.

Der letzte Schlagabtausch begann, als Macron und Kanzlerin Angela Merkel in Aachen 56 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages ihren Freundschaftspakt erneuerten. Sterne-Chef und Vize-Premier Luigi Di Maio befand, dass Frankreich nur wegen seiner ehemaligen Kolonien eine Wirtschaftsmacht sei und sich dort immer noch als Kolonialherr aufspiele und die Migranten letztlich nach Europa treibe.

„Bevor ihr uns moralisiert, befreit Afrika vom Neokolonialismus“, so Di Maio. Das erboste die Franzosen so sehr, dass sie die italienische Botschafterin ins Außenministerium einbestellten.

In Italien ist man seit langem darüber verärgert, dass Frankreich an der Grenze bei Ventimiglia Migranten zurückschickt. Aber der neue Streit ist auch politisches Kalkül. Denn die Sterne-Bewegung sinkt in Umfragen, beherrscht doch der dauerpräsente rechte Innenminister Matteo Salvini mit seinem Lieblingsthema Migration die Schlagzeilen. Da wurde es für Di Maio Zeit, sich mit der Kolonialismus-Provokation mal wieder Gehör zu verschaffen.

Protest von Migranten an der italienisch-französischen Grenze in Ventimiglia: In Italien ist man darüber verärgert, dass Frankreich an der Grenze Migranten zurückschickt. Foto: Shutterstock

Auch im Haushaltsstreit mit Brüssel war vor allem der französische Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici eine Hassfigur in Italien. Und während Frankreich Italien immer wieder ermahnte, das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, droht Paris nun selbst die europäische Defizitgrenze zu reißen. Der Grund ist ein milliardenschweres Sozialpaket, mit dem Macron die „Gelbwesten“-Krise in den Griff kriegen will.

Mit der Protestbewegung, die Macron unter Druck setzt, liebäugelten die Sterne zuletzt. Vor der Europawahl im Mai sind sie auf der Suche nach Verbündeten. Die Maio versprach den „Gelbwesten“ Unterstützung.

Das schmeckte Frankreich gar nicht – einige witterten sogar italienisches Geld hinter der Bewegung. Es sei notwendig zu wissen, ob es ausländische Mächte gebe, die Randalierer und die städtische Gewalt in Paris finanzieren, sagte Frankreichs Gleichstellungs-Staatssekretärin Marlène Schiappa.

Der zweite Vize-Premier Salvini ist dafür mit Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen besonders eng. So lässt er auch keine Gelegenheit aus, um über Macron als „schrecklichen Präsidenten“ zu lästern.

Macron will auf Kritik aus Italien nicht eingehen

In Frankreich versucht man, die Provokationen abperlen zu lassen. „Wir haben in Frankreich einen Ausdruck, der sagt, dass Überzogenes unbedeutend ist“, sagte Europaministerin Nathalie Loiseau – und fügte hinzu: „Meine Antwort ist, dass es nicht unsere Absicht ist, einen Wettstreit zu führen, wer der Dümmste ist.“  Macron erklärte, dass er auf die Kritik aus Italien gar nicht eingehen werde.

07.01.2019, Frankreich, Boulogne-Billancourt: Edouard Philippe, Premierminister von Frankreich, steht vor einem Interview in der Abendsendung des französischen Fernsehsenders TF1 in Boulogne-Billancourt. Foto: Eric Feferberg/AFP/AP/dpa

Beobachter in Frankreich sehen allerdings auch Paris in der Verantwortung. Denn mit seiner Politik würde Macron Europa in zwei Blöcke zerlegen, schreibt die Zeitung „L’Express“. Einen progressiven, angeführt von Frankreich, und einen nationalistischen. Kein Wunder, dass diese Art von Politik Italien nicht gefällt, weil sie Italien ins Abseits stellt. Ob es aber eine gute Idee ist, die traditionellen europäischen Partner zu verprellen und mit Frankreich einen der wichtigsten Handelspartner, ist fraglich.

Um mehrere Großprojekte zwischen den Ländern ist es nicht gut bestellt. So wird sich die Regierung in Rom nicht einig, ob die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin (TAV) gebaut oder gestoppt werden soll. Hinzu kommt die geplante Allianz zwischen dem französischen Militärschiff-Hersteller Naval Group und dem italienischen Schiffbaukonzern Fincantieri.

Naval Group ist mehrheitlich im französischen Staatsbesitz, das Projekt steht unter Aufsicht der Verteidigungsministerien. Der aktuelle Streit dürfte nicht förderlich sein.

Am Dienstagnachmittag trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten Südeuropas auf Zypern. Auch Italiens Premier Giuseppe Conte und Macron kamen. Auf der Tagesordnung stand vor allem das Thema Migration. Ob nebenbei etwas Zeit zur Annäherung bleibt? Zu wünschen wäre es, denn – so urteilt die französische Zeitung „Le Monde“: „Paris und Rom, die einander zu ähnlich sind, um Krieg zu führen, sind dazu verdammt, miteinander auszukommen.“ (dpa)

20 Antworten auf “Beziehungen auf Tiefpunkt: Zwischen Italien und Frankreich wird gestänkert, ausgeteilt und gekeilt”

  1. karlh1berens

    Zitat Artikel : „„Bevor ihr uns moralisiert, befreit Afrika vom Neokolonialismus“, so Di Maio. Das erboste die Franzosen so sehr, dass sie die italienische Botschafterin ins Außenministerium einbestellten.“

    Ob die wohl jetzt auch ein paar Gummigeschosse in die Fre.se gekriegt hat ?

    ( ͡° ͜ʖ ͡°)

  2. MARCEL SCHOLZEN eimerscheid

    Der Vorwurf des Kolonialismus stimmt aber auch. Viele französischsprachige Staaten Afrikas sind nur formal unabhängig. Frankreich kontrolliert heute noch zwei Währungszonen in Afrika (Stichwort: Franc CFA). Das dürfte es eigentlich nicht geben in der heutigen Zeit. Und gerade diese Staaten sind total unterentwickelt und werden in ihrer Entwicklung gehemmt. Und deswegen wollen viele Menschen weg nach Europa. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Ruanda. Da scheint die Wirtschaft einigermaßen zu gehen.

  3. Idée fixe

    Wer hier glaubt das eine tiefere EU die Widersprüche ausbügeln könnte, der träumt!

    Die geschichtlichen Animositäten lassen sich nicht durch EU-Zentralismus einebnen.

    Macht euren Vorturner klar das sie es besser beii den Nationalstaaten belassen, eine EWG 2.0, Zollunion, mehr geht nich, auch wenn dabei der Debatierclub in Brüssel und Straßburg überflüssig wird.
    Füttert die Herrschaften einfach wie früher mit “ Tickets Restaurant “ durch.

    • Walter Keutgen

      Von etwas wie einer Animosität zwischen Frankreich und Italien habe ich nie etwas gehört. Ich denke eher, dass es eine Animosität zwischen den italienischen Nationalisten und dem Globalisten Macron ist.

      Zwischen den Erbfeinden Frankreich und Deutschland soll es klappen? Nun ich denke, dass noch oft genug in Frankreich die Bezeichnungen „sâle boche“ und „bête schleuh“ zu hören sein sollten. Umgekehrt wird in Internetforen wie OD Frankreich wie das restliche Südeuropa als ineffizient oder faul bezeichnet. Einige aufrechte Deutsche fürchten die Abstimmergebnisse des Europäischen Rats, wenn Großbritannien nicht mehr daran teilnehmen wird.

      Im Übrigen glaube ich, dass die historische Erbfeindschaft zwischen Frankreich und Deutschland von den Nationalisten erfunden worden ist und aus der historischen Rivalität der Kapeter gegen die Habsburger abgeleitet ist.

        • Nachfrage

          Ich habe vermutet, dass Sie in dieser Richtung antworteten.
          Solche „Freundschaftsverträge“ wie zwischen Deutschland und Frankreich interessieren
          doch niemanden, außer die Politiker, gewisse Medien und ein paar Intellektuelle. Es
          suggeriert etwas, was es gar nicht gibt, wie gesagt, außer für die vorerwähnten „Kategorien“. Ich habe während über 20 Jahren beruflicher Tätigkeit in Frankreich nie etwas von „Freundschaft“ bei den normalen Bürgern gegenüber Deutschland, bzw. den Deutschen mitbekommen; ich war allerdings auch nie im Elysée-Palast, wo möglicherweise etwas über die deutsch/französische Freundschaft gelabert wird.
          Im übrigen mag der Franzose nicht nur die Deutschen nicht, nein, auch die Belgier stehen in Frankreich nicht gerade oben in der Beliebtheit-Skala. Als Belgier wird man dort sehr gerne veräppelt, man denke da nur an die berühmt/berüchtigten sog. „Belgierwitze“.
          Wie gesagt, solche „Freundschaftsverträge“ wie zwischen Deutschland und Frankreich sind eigentlich nur Lippenbekenntnisse zwischen hochrangigen Politikern, sonst nichts!

            • Nachfrage

              „.unter einer Bedingung….er spricht FRANZÖSISCH….

              @ Alfred,

              Wobei er sich schnell als Belgier „outet“, indem er selbst in bestem Französisch bei Zahlen “ septante“ oder etwa „nonante“ erwähnt, anstatt „soixante-dix“,bzw quatre-vingt-dix“……..

          • Auch ich habe seit langem sehr viel mit Frankreich zu tun (bin übrigens nächste Woche beruflich an der Côte d’Azur) Falsch, die Belgier sind in FR beliebt. Es gibt die „blagues belges“, ja, aber es gibt auch Witze, die der Pariser reißt :-)) über alles Nicht-Pariser.
            Bei Intellektuellen ist, war Deutschland zT in FR sehr beliebt.

            • Walter Keutgen

              Na ja die blagues belges wurden in den Siebzigern hier als blagues sur les Flamands und mit gleichem Inhalt in Deutschland nacheinander als Bayernwitze, Ostfriesenwitze und Ossiwitze erzählt. Es ging eher um die Situationskomik als um die Leute herabzuwürdigen. Es gibt auch noch die Blondchenwitze.

  4. idée fixe

    Des Pöpels Meinung ist variabel.

    Wenn bei den nächsten Wahlen in Frankreich Typen wie Salvini und sein Bündnispartner Luigi Di Maio mit das Ruder übernehmen und davon ist auszugehen wird der Aachener Zirkus kein Pfifferling mehr wert sein

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