Das neue Lesebuch von Freddy Derwahl ist im „Eifeler Literatur Verlag“ (ELV) in Aachen erschienen. „Spitze Feder, zarte Hand“ beinhaltet auf 350 Seiten Reportagen, Glossen und Kolumnen, die der Autor in den vergangenen fünfzig Jahren veröffentlicht hat.
Aus Anlass des Escheinens von „Spitze Feder, zarte Hand“ führte Gerd Havenith mit Freddy Derwahl (77) ein Gespräch über sein Leben, sein Wirken und seine Überzeugungen.
– Nach den Erstlingswerken „Die Freiheit der Kirschbäume“ und „Wie eine Kerze in der Nacht“ schafften Sie spätestens mit der märchenhaften Geschichte „Die Füchse greifen Eupen an“, die 1980 sogar als Fortsetzungsroman in der AVZ erschienen war, den literarischen Durchbruch. Atmet in der Fabel ein Hauch von Zeitlosigkeit?
Freddy Derwahl: Viele Leser haben die „Füchse“ geschätzt, u.a. der bundesweit bekannte damalige AVZ-Chefredakteur Dr. Anton Sterzl und mein verstorbener Freund, der Lütticher Generalvikar Karl Gatzweiler. Der GE-Verleger Alfred Küchenberg gab sogar eine zweite Auflage heraus. Aktueller wäre heute „Die Wölfe greifen Eupen an“. Daran arbeite ich gerade.
– Viele Eupener lieben Ihren bezaubernden Prosaband „Das Haus im Farn. Eine Kindheit“. Sind diese atmosphärisch dichten Miniaturen eine stille Liebeserklärung an Ihre Heimatstadt?
Freddy Derwahl: Meine Heimatstadt Eupen ist und bleibt ein zentrales Thema meiner Literatur. Eingebettet in einer herrlichen Wald – und Wiesenlandschaft von Schönefeld bis Stockem bietet sie viel Stoff für Gedichte, Erzählungen und Romane. Erinnerungen an die Kindheit, die Schulzeit, tolle Freunde und Freundinnen und das Familienleben mit meiner Frau und fünf Kinder in einem alten Bauerhaus und einem Garten mit 24 Bäumen.
– Ihre beiden wichtigsten Romane sind m.E. der von Heinrich Böll geförderte „Mittagsdämon“ sowie „Bosch in Belgien“, die stark autobiografisch gefärbt sind. Schreiben Sie oft über sich selbst und über Ihre persönlichen Erlebnisse?
Freddy Derwahl: Der große Bestseller-Autor Umberto Eco sagte, dass Literaten immer über ihre eigenen Obsessionen schreiben. Wenn das Herz schlägt, fließt die Sprache.
– Neben den mystischen Athos- und Mönchs-Büchern hat Ihre einfühlsame Biografie „Anselm Grün“, die in sechs Sprachen übersetzt wurde, mit Sicherheit die höchste Auflage erreicht. Was macht in Ihren Augen das Phänomen Anselm Grün aus?
Freddy Derwahl: Er schreibt und spricht verständlich und faszinierend über seinen christlichen Glauben. Ein Kontemplativer mit weltweiter Wirkung. Sucher suchen ihn. Ich habe einige Monate mit ihm verbringen dürfen. Zugleich mystischer Gentleman und schüchtern wie ein Kind.
– Obschon Ihre Lyrik oft brillant ist, erreichen Ihre Gedichtbände nur wenige Leser. Weshalb ist Lyrik für viele Menschen uninteressant, mitunter sogar unzugänglich?
Freddy Derwahl: Gedichte haben heutzutage im Verlagswesen keine Chance. Sie strengen zu sehr an. Nach vielen freundlichen Absagen hat der Berliner Maler Udo Degener drei meiner Bände herausgegeben. Reich ist er dabei nicht geworden. In München riet mir ein befreundeter Lektor, ich solle statt Gedichten doch einmal einen skandinavischen Krimi schreiben…
– Kritiker werfen Ihnen zuweilen vor, es ginge Ihnen beim Schreiben mehr um die Form, um das Formulieren und Fabulieren, als um tiefe Inhalte. Worauf kommt es Ihnen persönlich an?
Freddy Derwahl: Gut geschrieben den Kern zu treffen. „Tiefe Inhalte“ habe ich nie gescheut.
– Von Zeitgenossen werden Sie häufig als Opportunist, als Wendehals verpönt. In der Tat waren Sie dank einflussreicher Politiker und dem „GrenzEcho“ – Sie waren der am besten honorierte freie Mitarbeiter der Zeitung und brachten die meisten Ihrer Bücher im GE-Verlag heraus – zumeist „auf Rosen gebettet“. Suchen Sie stets die Protektion der Mächtigen oder wird durch diesen Vorwurf der blanke Neid einiger Mitmenschen deutlich?
Freddy Derwahl: Verlage sind keine Wohltätigkeitsunternehmen. Sichten, drucken und werben müssen bezahlt werden. Wer als Autor nichts einbringt, bleibt auf dem Buchmarkt unsichtbar. Protektion hilft da nicht weiter. Gewiss nicht die politische.
– Als Journalist waren Sie neben dem BRF in jungen Jahren bei der AVZ, später nebenberuflich beim „Grenzland-Report“ und „GrenzEcho“ aktiv. Wo haben Sie sich am wohlsten gefühlt?
Freddy Derwahl: Die beste Zeit war als Anfänger in der „Aachener Volkszeitung“ bei meinem väterlichen Freund Dr. Konrad Simons. Vom unaufgeklärten Mord bis zum Tod von Rudi Dutschke in der Studentenrevolte war ich als Reporter unterwegs. Wenn er mich zu einem Unfall in der Borngasse schickte, glaubte ich, den Aufmacher des Tages zu schreiben.
– Hand aufs Herz: Hätten Sie sich ohne die Festanstellung beim BRF als Journalist und Autor finanziell über Wasser halten können?
Freddy Derwahl: Ich hätte mich jedenfalls im Journalismus durchschlagen und nach Köln oder in die Pressestadt Hamburg ziehen müssen. Zum Anstreicher (wie mein Onkel aus Walhorn) oder zum leitenden Angestellten (wie mein Vater) hat es bei mir nicht gereicht. Da war ich eine Null.
– Ihr literarisches Werk ist mehrfach ausgezeichnet worden. Welche Ehrung bedeutet Ihnen am meisten?
Freddy Derwahl: Folgenreich war 1964 ein Preis der „Europa-Bewegung“ in Brüssel. Ihm verdankte ich 17jährig mein Abitur in einer grauenvollen Mathematik-Abteilung am Collège Patronné.
– Wie wichtig sind großzügige Mäzene für Ihre Buch-Projekte?
Freddy Derwahl: Da es sie nur sehr selten gibt, küsse ich ihnen die Füße.
– Ihr Leben als Autor wurde häufig von zuverlässigen Freunden begleitet. Was verband bzw. verbindet Sie beispielsweise mit Hans Wintgens, Peter Hodiamont und Alfred Küchenberg?
Freddy Derwahl: Hans Wintgens möchte ich an der Himmelspforte wiedersehen, so haben wir uns abgesprochen. Peter Hodiamont polterte gerne, war aber treu bis zum Umfallen. Alfred Küchenberg ist ein Jugendfreund, dem ich aus Dankbarkeit mein neues Buch gewidmet habe.
– Sie gelten als populärster und produktivster Schriftsteller in Ostbelgien. Wie beurteilen Sie die Bücher Ihrer Zeitgenossen Leo Wintgens, Marcel Bauer und Bruno Kartheuser?
Freddy Derwahl: Von den Dreien schätze ich am meisten Bruno. Das Gedicht zum Tode seiner Mutter ist das beste der ostbelgischen Literaturgeschichte. Dass man ihm wiederholt den Prozess gemacht hat, geschah aus politischer Eitelkeit. Für die gesamte Eifel hat er bleibendes Format.
– Was hören Sie lieber von Ihren Lesern: Freddy Derwahl ist ein „unermüdlicher Gottsucher“ oder ein „guter Erzähler spannender Geschichten“?
Freddy Derwahl: Ein Erzähler spannender Gottsuche.
– Von Ihrem berühmten Förderer, dem Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll, bleiben heute bestenfalls die Katharina-Blum-Erzählung, einige köstliche Satiren und die Kurzgeschichten. Was wird Ihrer Einschätzung nach von Ihrem umfangreichen Werk bleiben, wenn Sie irgendwann für immer die Augen schließen? Ist Literatur zumeist zeitgebunden?
Freddy Derwahl: Wenn unser guter Dechant Helmut Schmitz oder mein Freund Schäng Schoonbroodt mir den Schlusssegen erteilt haben, werden vielleicht noch meine Kinder und Enkel eines meiner Bücher in die Hand nehmen. Danach landet mein etwas angestaubtes „Werk“ bei der eifrigen Els Heerebout in den Regalen des Staatsarchivs.
Was nun, Freddy Derwahl?
Beenden Sie bitte ganz kurz und spontan folgende Sätze:
– Der Krieg in der Ukraine… wird von einem Kriegsverbrecher geführt.
– Harmonie und Ruhe finde ich… in meinen geliebten Klöstern Chevetogne, Rochefort und Orval.
– Bei Fußballspielen… habe ich im Wetzlarbad einige Törchen geschossen.
– Mein Krimi „Der Mord im Brüsseler Hof“… ist eine Hommage an das alte Hotel von „Kabänes“ Bernhard Bosten.
– Die katholische Kirche… bleibt auch bei stürmischem Unwetter eine heilige.
– Ich begegne Fanatismus… mit heftiger Ablehnung und Schüttelfrost.
– Die Flutkatastrophe in der Unterstadt… habe ich in einem guten Bett der St.Vither Reha aus sicherer Distanz verfolgt.
– Die Krise der Printmedien… hat ihre Grenzen, an echten Lesern wird es nie fehlen.
– Der 2021 verstorbene Theologe Hans Küng… hat mich in seinen Memoiren erwähnt, gewiss eine Ehre.
– Der „Mikrokosmos Ostbelgien“… sollte nicht erstickend werden.
– Mein bestes Buch ist… vielleicht der Roman „Bosch in Belgien“.
– Als überzeugter Katholik glaube ich… an den Heiligen Geist, dem Tröster in allen Lebenslagen.
GERD HAVENITH
Sehr schönes Interview!
Ziemlich viel Wind dabei, aus allen Richtungen!?
Freddy Derwahl ist Buchautor, Dichter und Journalist. Da hat er viel Wind um die Ohren bekommen…
Man hat einfach den Eindruck, Herr Derwahl sagt hier immer die Wahrheit. Super gemacht.
“ Unser Freddy“!
@Fritte Martha:
Schleimerin!
Boah nee!
Neben Freddy Derwahl gibt es auch Marcel Bauer, der mit seinem Roman „Schattenkinder“ sehr viele Leser in der Euregio erreicht hat. Der Roman ist gewiss ein Meilenstein in der ostbelgischen Literatur.
@ Kritiker
Neben Marcel Bauer gibt es auch Freddy Derwahl mit seinem Roman „Spitze Feder, zarte Hand“ der sehr viele Leser in der Euregio erreichen dürfte. Dieses Werk wird sicherlich zu einem Meilenstein der ostbelgischen Literatur.
Zu Willi Müller: Der Roman „Schattenkinder“ von Marcel Bauer liegt bereits in vierter Auflage vor. Der Eupener Autor hatte die Fakten genau recherchiert und literarisch gekonnt umgesetzt. Mal schauen, wie erfolgreich das neue Buch von Freddy Derwahl sein wird… Das weiß momentan niemand…
Der Roman „Schattenkinder“ von Marcel Bauer ist und bleibt ein Meisterwerk, das in Ostbelgien seinesgeichen.sucht…
Dieses neue Lesebuch werde ich kaufen.
In dem Buch „Spitze Feder, zarte Hand“ kann man sich rasch festlesen. Es weckt interessante Erinnerungen…
Das Interview regt an, endlich seinen Roman „Bosch in Versuchung“ (zuvor „Bosch in Belgien“) zu lesen. Dieser Roman ist in allen Buchhandlungen erhältlich.
Seine Fabel „Die Füchse greifen Eupen an“ war 1980 und in den 1990er Jahren (Neuauflage) ein Renner. Nun arbeitet Freddy Derwahl an einer aktualisierten Fassung: „Die Wölfe greifen Eupen an“… Spannend.
Ist das Buch „Das Haus im Farn. Eine Kindheit“ noch beim GE oder im Buchhandel erhältlich???
zu ???: Das Buch „Das Haus im Farn“ ist noch bei Amazon erhältlich.
Mein Vorschlag, Herr Derwahl: Lassen Sie doch mal einen Roman in Neutral-Moresnet im 19. Jahrhundert spielen…
Oder Herr Derwahl, schreiben Sie mal eine Erzählung während der Ardennenoffenisve in St.Vith.
Krimis sind nach wie vor „in“: Klären Sie doch einmal einen Mord an einen DG-Minister oder im AS-Stadion am Kehrweg auf !!!
… oder klären Sie einen Mord im Eupener, Kelmiser oder St.Vither Rathaus auf…
Heinrich Böll sagte einmal treffend: „Das eigentlich Internationale ist das Lokale und Regionale. Insofern haben Sie als Autor Eupen und Ostbelgien über unsere Region hinaus bekannt gemacht. Danke.
Das war ein wahres und treffendes Wort von Heinrich Böll – nach wie vor gültig.
Der “Heilige Geist” lacht sich über solche naive Verklärung ins Fäustchen…
Wirklich fernab jeder aufgeklärten intellektuellen Geisteshaltung.
Zu heiliger Geist: „Pfingsten“ ist das Fest des „Heiligen Geistes“, der „Erleuchtung“ für jeden Christen. Was ist daran denn lächerlich? Pfingsten ist nach Ostern das zweithöchste Fest für katholische Christen..
Viel blabla, mehr nichts! An anderer Stelle wird er kritisiert, mit Recht. Das triefende Lob übern Bruno…..naja, eben, viele Windrichtungen und viel Sturm um nichts.
Zu Möchtegern: Sein Lob für Bruno Kartheuser war berechtigt, denn das Heimatbuch des Eifeler Schriftstellers war sehr gut recherchiert, passend illustriert und literarisch exzellent umgesetzt.
Verbringt jetzt einen aktiven gemütlichen Lebensabend, aber Bush und Ex – Hilfssheriff Blair machen es genau so wie Herr Derwahl.
Woher wissen Sie das? Das ist eine Unterstellung. Er arbeitet momentan an einem neuen Roman.
Leo Wintgens hat vor allem sehr gute Sachbücher und Marcel Bauer hervorragende Fachbücher verfasst. Mit dem Roman „Schattenkinder“ schrieb Marcel Bauer ein Meisterwerk, das gewiss das Niveau der Derwahl-Romane erreicht hat.
Schreiben ist seine Berufung. Möge Freddy noch lange Bücher schreiben…
Ihr frommer Wunsch in Gottes Ohr.
Lesen Sie mal sein Buch „Das Flüstern Gottes“, denn der Autor glaubt an Gott.
Das Lesebuch von Freddy Derwahl hat 356 Seiten und kostet 17 Euro. Viel Lesestoff für wenig Geld.
Hier scheinen einige wohl viel Reklame zu schreiben? Muss der Freddy sowas haben? Der muss viel Zaster auf die hohe Kante haben, bei all den viel gelobten Veröffentlichungen?
zu Johann Kindle: Ein Buchautor und seine Familie müssen auch leben. Das Autorenhonorar liegt meistens bei 8 Prozent. Bei dem Lesebuch (17 Euro) wären das 1,36 Euro pro verkauftes Buch für den Autor.. Am meisten verdient der Verlag und der Buchhandel (etwa 40 Prozent).
Lob, wem Lob gebührt…
@Lesebuch:
Da bekomme ich auf Kindle E-Book aber spannendere Bücher von bekannteren Autoren von über 600-700 Seiten für unter 10€!
@Johann Kindle scheint nicht ganz unrecht zu haben!
Zu Boah nee…: Dann aber Bücher ohne Bezug zu Eupen, Ostbelgien…
@Antwort:
Da haben Sie vollkommen recht. Dieses Kriterium hatte ich leider nicht beachtet!
Stiefellecker !
@Fritte Martha:
Du bist nix gefragt worden!
Kümmere dich gefälligst weiterhin um deinen „Busenfreund Berensen“ und weniger um mich!
Okay, mach ich!
Der Bezug zur Heimat ist sehr gut.
Die eingestreuten Gedichte sprechen unsere Sinne an, sind häufig brillant, aber nicht immer für jeden verständlich.
Die Lyrik von Susanne Visé ist auch sehr, sehr gut.
Mit ihrem Gedichtband hat Susanne Visé vor einigen Jahren den PDG-Preis erhalten.
Die Fragen sind sehr gut. Herr Havenith muss den Autor genau kennen.
Eben, die Fragen kamen aus allen Windrichtungen, @Fragen!
Die Antworten von Freddy Derwahl waren aber ehrlich und gut. Dass er bei seinem Schreiben immer wieder von anderen Politikern (Eupen, DG) umgeben war, das stimmt natürlich.
So war und so ist es für ihn als Dichter, Journalist und Schriftsteller.
Antwort! Er suchte regelrecht den Begleitschutz der Politik, immer bei dem/der in der Zeit mit am Regieren war. Insider nennen das: Frotte manche/klinkenputzer.
Das hatte er wahrscheinlich als „armer Poet“ nötig…
Freddy Derwahl musste ja als „Schreiberling“ leben und überleben…
Zu Fragen: Ja, aber er hätte bisweilen ein wenig nachhaken können…
Neben Susanne Visé gibt es ferner die gute Schriftstellerin Verena von Asten.
Verena von Asten schrieb neben Kinderbüchern (u.a. „Die Weserbande“, die in Eupen spielt) einige gute Krimis (u.a. „Endstation Talsperre“).
… sowie autobiografische Lebenserinnerungen und Kurzgeschichten.
Das Gespräch regt an, noch einmal einige Bücher von Freddy Derwahl in die Hand zu nehmen.
… und das euregional…
Ist das Lesebuch ein euregionaler Renner?