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Auch Parlamentswahl am Sonntag in Belgien: Richtig spannend wird es vermutlich erst nach dem Urnengang

Belgiens liberaler Premierminister Charles Michel. Foto: Shutterstock

Fast ein halbes Jahr hatte Belgien keine richtige Regierung. Parallel zur Europawahl müssen die Belgier am kommenden Sonntag auch ihre Abgeordneten auf nationaler Ebene bestimmen. Richtig spannend dürfte es jedoch erst danach werden.

Fünf Monate nach dem Bruch der Mitte-Rechts-Regierung wählen die Belgier am Sonntag ein neues Parlament. Gut acht Millionen Wahlberechtigte sind zeitgleich zur Europawahl dazu aufgerufen, 150 Mitglieder der Abgeordnetenkammer in Brüssel zu bestimmen.

19.12.2018, Belgien, Brüssel: Bart De Wever (r), Parteivorsitzender der flämischen N-VA, gibt am Königspalast König Philippe von Belgien die Hand. Foto: Dirk Waem/BELGA/dpa

Auch die regionalen Parlamente Flanderns, der Wallonie und der Hauptstadtregion Brüssel sowie das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft (PDG) werden neu gewählt.

Seit Dezember 2018 sind Premierminister Charles Michel (MR) und seine Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Die flämische N-VA von Bart De Wever hatte ihre Ablehnung des UN-Migrationspakts zuvor zum Anlass genommen, die Koalition platzen zu lassen. Die Partei hatte nicht akzeptieren wollen, dass Belgien den Pakt unterstützt.

Nachdem Sozialdemokraten und Grüne einen Misstrauensantrag gegen Michel angekündigt hatten, reichte der Premier sein Rücktrittsgesuch beim König ein. Dieser nahm das Gesuch zwar an – beauftragte Michel aber zugleich damit, bis zur regulären Wahl im Mai geschäftsführend im Amt zu bleiben.

10.12.2018, Marokko, Marrakesch: Charles Michel, Premierminister von Belgien, kommt zur UN-Konferenz, um den Migrationspakt zu unterzeichnen. Foto: Eric Lalmand/BELGA/dpa

Ob Michel damals richtig gehandelt hatte, indem er auf die Einhaltung des Pakts von Marrakesch pochte, ist umstritten. Während die einen Michel für seine Standhaftigkeit loben, unterstellen ihm andere, dem Land Schaden zugefügt zu haben, nur um sich bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel liebkind zu machen, die wohl die größte Verfechterin des Migrationspakts war und ist.

Seitdem besteht die Regierung aus den flämischen Christdemokraten CD&V sowie den flämischen und den wallonischen Liberalen Open-VLD und MR. Premier Michel würde gerne im Amt bleiben. Im Wahlkampf hat er betont, mehr Jobs schaffen zu wollen. Zudem stellte der Liberale den Klimawandel in den Vordergrund.

Regierungsbildungen sind in Belgien kompliziert. Stärkste Kraft dürfte Umfragen zufolge erneut die flämische N-VA werden. Für diesen Fall hatte die Partei bereits angekündgt, Anspruch auf das Amt des Regierungschefs zu erheben.

Die Nationalisten haben im Wahlkampf nicht für einen Separatismus getrommelt, sondern für einen „Konföderalismus“, bei dem Flandern, die Region Brüssel und die Wallonie, aber auch die Deutschsprachige Gemeinschaft noch autonomer würden als jetzt schon.

Raoul Hedebouw, Chef der PTB. Wird seine Partei bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 zu den Siegern gehören? Foto: Belga

Große Gewinner der Wahlen könnten die grünen Parteien werden. Sie legen im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren voraussichtlich stark hinzu und könnten ihr Ergebnisse in der Wallonie laut Umfrage auf rund 19 Prozent mehr als verdoppeln. In Brüssel wird der Erhebung zufolge Ecolo mit knapp 23 Prozent sogar klar stärkste Kraft.

In Flandern melden außerdem die Rechtsextremen vom Vlaams Belang zurück. Sie kamen zuletzt auf rund 15 Prozent (2014: 5,8 Prozent). Die belgischen Erhebungen sind allerdings in der Regel ziemlich unpräzise, sie zeigen allenfalls einen Trend auf.

In der Wallonie darf man außerdem gespannt sein, wie die linksextreme PTB abschneiden wird, die vor allem den Sozialisten der PS Wählerstimmen abjagen dürfte.

Nach den Wahlen vom Sommer 2010 hatte es in Belgien 541 Tage gedauert, bis die Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen beider Sprachgruppen sich auf eine Koalition einigten, um ohne die N-VA eine Regierung bilden zu können. 2014 stand die Koalition nach gut vier Monaten. Und wie lange wird‘s diesmal dauern? Ab Montag läuft der Countdown… (dpa/cre)

5 Antworten auf “Auch Parlamentswahl am Sonntag in Belgien: Richtig spannend wird es vermutlich erst nach dem Urnengang”

  1. Da spielt die Musik, die DG Wahl ist nur eine Kindergartenveranstaltung. So wie es aussieht wird Flandern mehrheitlich rechts wählen, die Wallonie streng links/grün. Die Ehe wird weiter zerrüttet und der Hauptverdiener wird immer mehr die Lust verlieren den Taugenichts durchzufüttern. De Wever wird die Spaltung weiter voran treiben und die Wallonen auf ihren Schulden sitzen lassen. Die DG wird dabei als Kollateralschaden pleite gehen und viele Lokalhelden müssen sich wieder richtige Arbeit suchen. Das wird noch lustig….

    • Alfons van Compernolle

      Sie koennten betr. NVA Recht haben. Man sollte den Tag aber nicht vor den Abend loben , siehe die Wahlprognosen in den Niederlanden. Bart de W. wird nicht nur die DG verkaufen sondern jeden Belgier/in der seine nationalistische „Selbstherrlichkeit“ in Frage stellt. J.S.Bach schrieb mal eine Kantate: “ Wachet auf ruft uns die Stimme“, dieses gilt ganz besonders fuer den kommenden Sonntag
      und unseren Wahlurnengang!

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