Nachrichten

Alice Schwarzer, die „Grande Dame des Feminismus“, wird 75

Alice Schwarzer steht am 18.01.2017 in Köln in der Redaktion der Zeitschrift „Emma“. Foto: Henning Kaiser/dpa

Viele schätzen sie, manchen ist sie ein rotes Tuch. Alice Schwarzer, Deutschlands bekannteste Feministin, wird am 3. Dezember 75 Jahre alt – und gibt auch weiter oft den Ton an in Frauenfragen.

Seit mehr als fünf Jahrzehnten streitet sie für Gleichberechtigung. Mutig, hartnäckig, bissig, provozierend. Starken Gegenwind – von sachlicher Kritik bis zur boshaften Häme – kennt die Journalistin. Die mitunter als „Grande Dame des Feminismus“ oder „Ikone der Frauenbewegung“ beschriebene Autorin hat ihre Basis im mittelalterlichen Bayenturm in Köln.

Die Mitarbeiterinnen der feministischen Zeitschrift „Emma“, Chantal Louis (l-r), Anett Keller, Margitta Hösel und Gründerin Alice Schwarzer sitzen am 18.01.2017 in Köln um einen Tisch. Foto: Henning Kaiser/dpa

Dort, am Rheinufer, sind die Redaktion der „Emma“ und das von Schwarzer initiierte feministische Archiv FrauenMediaTurm untergebracht.

Aktuell steckt die Autorin im Endspurt für ihren neuen Titel „Meine algerische Familie“. Worum geht es? „Algerien ist das Schlüsselland des Maghreb. Sollte dieses Land in einen religiösen Fanatismus oder ins Chaos gleiten, kippt ganz Nordafrika. Was das für Europa bedeuten würde, wissen wir inzwischen“, erzählt Schwarzer. Algerien könne “sehr bald auch für Deutschland und ganz Europa von existenzieller Bedeutung sein“.

Schwarzer und „Emma“ sind untrennbar. Mit dem alle zwei Monate erscheinenden feministischen Blatt – sie nannte es einmal ihr „Kind“ – hat sie manche Schlacht geschlagen. Für das Recht auf Abtreibung, gegen Unterdrückung, Pornografie, Prostitution.

Seit 40 Jahren gibt es „Emma“

Anfang 2017 ist „Emma“ 40 Jahre alt geworden – und wird noch lange gebraucht, gibt sich die Chefredakteurin und Herausgeberin überzeugt. „Emma bleibt den feministischen Kerngedanken treu: der Utopie einer Gleichheit der Geschlechter und der Menschenrechte für alle Frauen der Welt, unabhängig von Hautfarbe, Ethnie oder Religion.“

Alica Schwarzer, „Grande Dame des Feminismus“, spricht am 28.10.2016 im Frauenmediaturm in Köln (Nordrhein-Westfalen) bei einem Treffen aller deutschsprachigen Frauenarchive. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

„Emma“ sei oft ihrer Zeit weit voraus gewesen – habe schon lange vor anderen Medien etwa auf die „Gefahr des politisierten Islam“ hingewiesen, sagt Schwarzer.

Die Druckauflage liegt bei rund 44.000, davon werden 3.000 Exemplare verkauft. Der FrauenMediaTurm, dem 2014 der „Todesstoß“ drohte, als die das Land NRW seine Unterstützung einstellte, wird bis Ende 2019 vom Bund gefördert.

Was macht Schwarzer sonst aus? Was für ein Typ ist sie? Ein dickes Fell dürfte sie haben. Und ihren Grundsatz: „Frauen müssen lernen, nicht immer geliebt werden zu wollen“, wird Schwarzer selbst verinnerlicht haben. Sie sei autoritär und machtbesessen, sagen Kritiker, auch frühere Mitstreiterinnen.

Kann sie Fehler einräumen? Zumindest in einem „Spiegel“-Interview hat sie mal gesagt, es sei „nicht so klug“ gewesen, bei einer Imagekampagne für die „Bild“ mitgemacht zu haben. Das Boulevardblatt hatte Schwarzer zuvor stets als frauenverachtend attackiert.

Arges Kopfschütteln hatte sie mit ihrer „Bild“-Berichterstattung über den Vergewaltigungs-Prozess gegen den Wetterexperten und Moderator Jörg Kachelmann ausgelöst, die als parteiergreifend für die Klägerin kritisiert worden war.

Kachelmann wurde freigesprochen. Das Kölner Oberlandesgericht stoppte Schwarzer später, sie dürfe auch in Glossen nicht weiter den Eindruck erwecken, dass Kachelmann ein Vergewaltiger sei.

Aufhören für sie ein Fremdwort

Glaubwürdigkeit kostete ihre Steueraffäre 2014. Seit den 1980er Jahren führte die Publizistin ein Schweizer Konto, gab das aber erst 2013 beim Finanzamt an. Auch ihr Haus im Bergischen wurde durchsucht.

Trotz Selbstanzeige und einer Nachzahlung von 200.000 Euro plus Säumniszinsen war ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Schwarzer beklagte Rufmord – statt Reue zu zeigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l) und „Emma“-Gründerin Alice Schwarzer unterhalten sich am 15.08.2017 in Berlin beim Geburtstag der Medienunternehmerin Friede Springer. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Die Journalistin selbst sieht sich als lebenslustig, wissensdurstig, verletzlich, wie sie in ihrer Biografie „Lebenslauf“ (2011) schreibt. Darin schildert sie ihre Kindheit ohne Vater, ihre Mutter machte sich rar.

Alice wuchs in Wuppertal bei den Großeltern auf. Sie ging nach abgebrochener kaufmännischer Ausbildung nach Paris, arbeitete für die „Düsseldorfer Nachrichte“, studierte in Frankreich Psychologie und Soziologie. „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ machte sie 1975 berühmt. Es folgten dutzende Titel, mehrere Auszeichnungen.

Sexuelle Gewalt gehörte stets zu Schwarzers Themen. Nach den Vorwürfen gegen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein berichten nun Millionen Frauen unter dem Hashtag #MeToo über sexuelle Übergriffe und Belästigungen.

Die Heftigkeit der Reaktionen überrascht Schwarzer nicht. „Wir leben in einer Periode des Rückschlages, allgemein und für Frauen im Besonderen. Das bekommen nun auch jüngere Frauen zu spüren. Und sie beginnen, sich zu wehren.“

Schwarzer liebte Männer und Frauen, hatte zuletzt von einer weiblichen Partnerin gesprochen. Was ist das Beste, das ihr je passiert ist? „Nach 75 Jahren fällt es schwer, sich zu entscheiden. Im Guten wie im Bösen.“

Feiern will sie diesmal nicht in ihrem „Heimatland Deutschland“, sondern ihrer „Heimatstadt Paris.“ Und dann geht es weiter – Aufhören bleibt für sie ein Fremdwort. (dpa)

12 Antworten auf “Alice Schwarzer, die „Grande Dame des Feminismus“, wird 75”

  1. Adelheid Weise

    Sie sollte sich vielleicht mit ihren 75 Lenzen endlich „genderkorrekt“ und konsequent feministisch in „Alice SCHWARZE“ umbenennen. Obwohl, ist das dann eventuell schon wieder rassistisch? Wie wäre es denn mit „#000000“? Das wäre dann nicht nur neutral, sondern sogar intersexuell… ;-)

    Und darf sich Tom Cruise eigentlich noch so nennen oder muss er jetzt „Tom Half-Moon“ bzw. nur „Tom“ heißen.

    Es ist ein Kreuz (oops, schon wieder so eine Falle!) mit all dem Schei… ähm Fäkalien und Extremisten heutzutage!

  2. Alfons Van Compernolle

    Ich hoffe nur, dass A.Schw. die ihr gerichtlich auferlegte Geldstrafe und Steuernachzahlung bezahlt hat ?
    Feminismus mit „Schwarzgeldkonten“ in der Schweiz & Luxenbourg !!! Ansonsten bin ich ehr fuer die Gleichberechtigung der Frau auch in Lohnfragen. A.Schw. mag ich aber ueberhaupt nicht, die Frau hat etwas an sich, was mich nicht nur vorsichtig werden laest, sondern regelrecht Abneigung erzeugt!

  3. parteiloser Beobachter

    Kleine Frage zum besseren Verständnis: „Die Druckauflage liegt bei rund 44.000, davon werden 3.000 Exemplare verkauft.“
    Also erreichen 3000 Exemplare die Leser/innen und was passiert mit den übrigen 41.000?????
    Werden die von der öffentlichen Hand finanziert und wandern direkt ins Altpapier???
    Bitte um Aufklärung Herr Cremer. Danke

  4. Angela Kerstges

    nö M Van Houtte, sehe ich anders, allerdings aus Männermund sehen Sie diese Dame vermutlich mit andern Augen. Ob sie übertreibt oder schon man übertrieben hatte, keine Ahnung ! Tatsache ist – aus meiner Sicht – sexuelle Gewalt hinsichtlich Herren ist nach wie vor IN.
    Wie war das noch vor ca 2 Jahren in Köln? Ist Ihre Erinnerung diesbezüglich verloren ? Meine nicht !

  5. Mensch Schwarzer (ich lasse das mutmaßliche Geschlecht poltisch korrekt aussen vor) hat sicher viele Verdienste erworben, ist aber nach wie vor fest gefangen in der Vorstellung dass die Menschen ohne Glied systematisch von den Menschen mit Glied (den Mitgliedern…) unterdrückt und ausgebeutet werden. Dieses einseitige Opfer/Täter Weltbild wird zur Manie die sich dann in Aktionen wie die unsägliche Hexenjagt auf Mitglied Kachelmann äussert. Interessant ist auch, dass die ohne Glieder untereinander auch nicht immer harmonieren. Mensch Lisa Ortgies hatte so große Probleme bei EMMA dass man sich freundschaftlich trennte:
    http://www.spiegel.de/panorama/leute/zickenkriegerinnen-lisa-ortgies-lobt-alice-schwarzer-irgendwie-a-610112.html
    Ich kann da noch einen Witz über Emmanzen… aber halt nein, das geht ja gar nicht. Lachen verboten….

  6. Alfons Van Compernolle

    Ich habe sie zweimal persoenlich erlebt, ein drittesmal passiert mir das nicht und da stehe ich nicht alleine.
    Es gibt jede Menge Frauen, die dieser Dame (wenn sie denn eine ist) ein paar andere Takte erzaehlen wuerden.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern