Plötzlich wird die Stadt geteilt: Die ARD-Serie „Charité“ macht in der 3. Staffel erneut einen Zeitsprung. Im Berlin der 1960er Jahre stehen viele Figuren vor einer entscheidenden Frage.
Die ARD-Serie „Charité“ schlägt ein neues Kapitel auf: Die neue Staffel zeigt das wohl bekannteste Krankenhaus Deutschlands während des Mauerbaus.
Berlin, August 1961. Die Ärztin Ella Wendt muss lernen, wie man in einer Klinik klarkommt, in der etliches fehlt. Denn immer mehr Mitarbeiter ziehen in den Westen – und Material ist auch Mangelware.
Die Folgen laufen ab Dienstag (20.15 Uhr) im Ersten (ARD). Das Ungewöhnliche an der Serie ist, dass mit jeder Staffel neue Protagonisten auftauchen. Blickte die erste Staffel noch auf die Zeit um 1890, erzählte die zweite vom Nationalsozialismus.
Die dritte Staffel wirft nun einen Blick auf die Charité während des Kalten Kriegs. Die ehrgeizige Ärztin Wendt (Nina Gummich) wird nach Berlin versetzt. Sie hofft, neben ihrer Arbeit weiter forschen zu können. Mit Strickjacke und zwei Koffern kommt sie am Krankenhaus an und hilft gleich im Treppenhaus einer ersten Patientin.
Im Dienstplan entstehen immer mehr Lücken, weil Ärzte und Pflegepersonal die DDR verlassen. Es fehlen Handschuhe, Röntgenfilme, Medikamente. Auf Station plaudern Krankenschwestern noch über die neuen Strumpfhosen aus dem KaDeWe, aber mit Ausflügen in den Westen ist bald Schluss. Denn kurz darauf beginnt der Bau der Mauer. Die Charité im Osten liegt direkt am Grenzgebiet.
Die Doppelfolgen thematisieren vieles. Die Infektionskrankheit Polio zum Beispiel, gegen deren Erreger in der DDR – anders als in Westdeutschland – schon früh großflächig geimpft wurde. Auch die Menschen, die an der Berliner Mauer erschossen werden. Sie landen auf dem Obduktionstisch des Krankenhauses.
Eine der interessantesten Personen: die Kinderärztin Ingeborg Rapoport. Die Medizinerin (1912-2017) machte sich mit der Versorgung von Frühgeborenen einen Namen und war die erste Professorin für Neonatologie an der Charité. Gespielt wird sie in der Serie von Ex-„Tatort“-Kommissarin Nina Kunzendorf.
Rapoports Geschichte alleine würde eine Serie lohnen. Sie studierte in den 1930ern Medizin. Ihr Doktortitel wurde ihr verweigert, weil ihre Mutter Jüdin war. Sie wanderte 1938 in die USA aus. Dort engagierte sie sich für die Kommunisten und ging schließlich nach Ost-Berlin, wie die Charité auf ihrer Internetseite berichtet.
Schlagzeilen machte Rapoport 2015 mit ihrer nachträglichen Promotion. Mit 102 Jahren verteidigte sie ihre Doktorarbeit von damals und erhielt den Titel, den die Nazis ihr nicht geben wollten. In der TV-Serie wird Rapoports Geschichte nur angerissen – ebenso wie die ihrer Kollegen, des Gerichtsmediziners Otto Prokop (Philipp Hochmair) und des Frauenarzts Helmut Kraatz (Uwe Ochsenknecht).
Doku „Die Charité – Ein Krankenhaus im Kalten Krieg“ [21h50]
Aufgegriffen werden die historischen Personen auch in der Dokumentation „Die Charité – Ein Krankenhaus im Kalten Krieg“, die nach der ersten Doppelfolge im Ersten um 21.50 Uhr gezeigt wird. Die Geschichte der Charité reicht rund 300 Jahre zurück. 1710 als Pesthaus vor den damaligen Toren Berlins gegründet, gilt die Charité heute als Deutschlands größtes Universitätsklinikum.
Dass in der neuen Staffel von Impfstoffen und Polio-Epidemie die Rede ist, wirkt in diesen Zeiten ungewöhnlich passend. Die Experten der Charité sind auch heute im Kampf gegen das Coronavirus gefragte Köpfe. Die Fernsehserie zeigt in ihrer neuen Staffel ziemlich viel Retro-Optik und ordentlich Lokalkolorit, was drollig wirkt, aber auch etwas viel ist. Es lohnt auf jeden Fall, nach der Serie noch etwas über die Figuren zu lesen. (dpa)