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Rechtsruck bei der Schweizer Wahl – Debakel für die Grünen

22.10.2023, Schweiz, Delemont: Wahlhelfer zählen Stimmzettel aus. Foto: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa

AKTUALISIERT – Die äußerst rechte SVP ist in der Schweiz schon lange stärkste Partei. Bei der Wahl hat sie noch zugelegt. Das Erfolgsmodell des AfD-Vorbilds ist ein Paradox: Sie ist Regierungs- und Protestpartei.

Die Schweiz hat bei der Parlamentswahl am Sonntag einen deutlichen Rechtsruck erlebt. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) dürfte nach der Hochrechnung des Umfrageinstituts gfs.bern auf 29 Prozent kommen. Das wäre ein Plus von 3,4 Prozentpunkten und damit mehr als in Umfragen erwartet.

Die SVP ist schon seit mehr als 20 Jahren die wählerstärkste Partei. Ein Debakel zeichnete sich für das grüne Lager ab. Die Grünen dürften noch auf 9,2 Prozent kommen, minus 4 Prozentpunkte, die Grünliberalen auf 7,1 Prozent, minus 0,7 Punkte.

22.10.2023, Schweiz, Bern: Marcel Dettling (M), Vizepräsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), gibt der ARD ein Interview in der Wandelhalle. Foto: Peter Klaunzer/KEYSTONE/dpa

„Das Bittere ist: Das Klima hat verloren“, sagte Aline Trede aus der Grünen-Fraktionsspitze im Fernsehen SRF. Für die SVP war das Thema Zuwanderung der Erfolgsbringer, wie Vizepräsident Marcel Dettling sagte: „Das Volk hat gesprochen, da ist eine Kurskorrektur dringend notwendig.“ Die SVP verlangt Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden. Allerdings ändern die Wahlen an der Regierung nichts. Seit Jahrzehnten regieren die langfristig wählerstärksten Parteien zusammen, dabei ist auch die SVP.

– Krisenzeiten geben Konservativen Aufwind: Der Politikwissenschaftler Michael Hermann hatte die neue Stärke der SVP unter anderem wegen der internationalen Spannungen vorausgesehen. „In Krisenzeiten steigt immer das Bedürfnis nach Stabilität und es gibt weniger Bedarf an Experimenten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gestiegene Preise spielen dabei eine weniger große Rolle als in Nachbarländern. Die Inflationsrate lag in den vergangenen 18 Monaten nie höher als 3,4 Prozent. Das liegt unter anderem an protektionistischen Maßnahmen, die die Preise generell hochhalten, in Krisenzeiten aber angepasst werden und damit Preisschocks auffangen können.

– Mit Angst Wahlkampf betreiben: Die SVP setzte im Wahlkampf wie immer auf Angst und Verlustsorgen: Sie hetzt gegen Ausländer, warnt vor einer Annäherung an die EU und mancher Vertreter sieht sich in einem Krieg um die Bewahrung der schweizerischen Kultur. Sie ist für die Kürzung von Sozialausgaben und Entwicklungshilfe und ein starkes Militär. Seit 1999 hat sie die meisten Sitze im Nationalrat. Die AfD sieht die SVP als Vorbild.

„Die SVP hat vieles, was rechtspopulistische Parteien wie die AfD oder die skandinavischen Vertreter heute machen, schon damals vorweggenommen: Den Stil, sich als Stimme des Volkes, der ‚kleinen Leute‘ auszugeben, Themen wie Migration und Asyl zu besetzen, und provozierende Plakate etwa“, sagte Damir Skenderovic, Geschichtsprofessor an der Universität Freiburg/Fribourg.

22.10.2023, Schweiz, Bern: Ein Wegweiser zeigt den Weg zum Wahllokal im Rahmen der Parlamentswahlrn. Foto: Anthony Anex/KEYSTONE/dpa

– Rechtspopulisten regieren mit: Paradoxerweise ist die SVP sowohl Regierungs- als auch Protestpartei. Sie stellt zwei der sieben Mitglieder der Regierung, des Bundesrats. Neben der SVP sind darin die Sozialdemokratische Partei (SP) und die liberale FDP mit je zwei Sitzen und die christliche Mitte-Partei mit einem Sitz vertreten. Im Bundesrat gibt die SVP sich rechtskonservativ und trägt Kompromisse mit, im Wahlkampf ist sie rechtspopulistisch, etwa mit Initiativen wie zurzeit gegen die Einwanderung und für eine striktere Neutralität, die etwa Sanktionen gegen Russland verbieten würde. So fällt sie der Regierung immer wieder in den Rücken. „Das Doppelspiel ist sehr etabliert und akzeptiert“, sagte Hermann.

– Die Sitze im Parlament: Die SVP dürfte nach Hochrechnungen 8 Sitze im Nationalrat, der größeren Parlamentskammer mit 200 Sitzen, dazugewinnen. Die Grünen dürften 6, die Grünliberalen 5 Sitze verlieren. Zwischen den Polen SVP und Grüne dürften die Sozialdemokraten erstmals seit 2003 wieder leicht zulegen auf 17,4 Prozent und einen Sitz dazugewinnen. Die liberale FDP und die christliche Partei „Mitte“ dürften weniger verändert bei knapp 15 Prozent landen, wobei die Mitte 2 Sitze dazugewinnt. Auch die zweite Kammer, der Ständerat mit 46 Sitzen, wurde neu besetzt.

– Viele Volksabstimmungen, niedrige Wahlbeteiligung: Zur Wahl aufgerufen waren gut 5,5 Millionen Schweizer. Die Wahlbeteiligung lag nach Hochrechnungen aber nur bei rund 46 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass die Schweizer viermal im Jahr per Volksabstimmung über zahlreiche Vorlagen entscheiden. Deshalb nutzen sie Parlamentswahlen kaum als Ventil, um Regierenden einen Denkzettel zu verpassen. (dpa)

34 Antworten auf “Rechtsruck bei der Schweizer Wahl – Debakel für die Grünen”

  1. schlechtmensch

    Es geht hier bei uns und in Deutschland in die richtige Richtung. Eine vollkommen normale Entwicklung. Die Altparteien sind desinteressiert Lösungen für die großen Herausforderungen zu finden. Sie suhlen sich in ihrer heuchlerischen Gutmenschlichkeit und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Die Menschen haben es satt. Immer weniger Einzahler müssen für immer mehr Schmarotzer zahlen. Es ist Zeit für eine große Veränderung und ich freue mich darauf!

  2. Krisenmanagement

    Die DPA ist schnell bei der Hand, um Parteien in eine Schublade zu packen. Jedes Land sollte seine eigene Politik machen. Beim Anschlag in Brüssel wurde nochmals deutlich, dass Integration eben kein Selbstläufer ist. Es sollte endlich darauf geachtet werden, dass die Ursachen der Migration minimiert werden. Für mich gibt es in der Politik nur ein richtig oder falsch. Das heisst es sollte eine konsequente Friedenspolitik geben. Unsere ach so gelobte EU sollte keine Terrororganisationen unterstützen. ….. Waffen sollten nicht in Kriegsgebiete geschickt werden.

  3. Der 1 Mai war gestern

    Seitdem die Sozialdemokraten nicht mehr zu 100 % an der Seite der Arbeiterklasse stehen geht es mit den Rechten bergauf. Denn all diese Rechtsparteien in Europa tun so, als seien sie nun die Anwälte der Kleinen Leute.

  4. „Denn all diese Rechtsparteien in Europa tun so, als seien sie nun die Anwälte der Kleinen Leute.“

    Richtig, 1. Mai: SIE TUN SO !!! . . . und mach sich nebenbei genau so die Taschen voll wie die normalen Parteien
    Macht alle weiter so mit der Rechtswählerei, ist wohl „IN“ momentan und kauft euren Enkeln schon mal vorsorglich ein Sturmgepäck und einen Helm . . .

    • Ach Rudi

      ach Rudi, welch Käse. Als ob die alle Krieg wollten, mitnichten. Es soll sich nur an Gesetze gehalten und aufgeräumt werden.
      Aber sie können ihren Enkeln ja schon mal ein Hieb u Stich festes Korsett kaufen, oder einen Kopfpanzer, dann liegt man auch nach der Kirmes nicht in Lüttich

    • Kasperle

      Rudi@ Machen sie sich keine Sorgen!
      Laut Studien in Deutschland werden Rechtsparteien nur von Männern mittleren Alters und niedrigem Bildungsstand gewählt. Keine Angst, die sterben aus.
      Bald geht es aufwärts und wir dürfen uns wieder an linker und grüner Politik erfreuen.

      • Ach Rudi

        Von diesen angeblichen Studien habe ich auch gehört. Passen nur nicht so zu der Tatsache das die Afd Fraktion das höchste Bildungsniveau aufweist.
        Gut, verglichen mit den Grünen ist das keine Herausforderung

    • Meinen Sie schnelle Lösungen wie in Russland, wo man für 18 Jahre ins Gefängnis wandert, wenn man zu Krieg Krieg sagt? Auch eine Diktatur wie China bietet Anschauungsunterricht in Sachen einfacher Lösungen.

  5. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Zusammenfassend kann man sagen, daß Schweizer System funktioniert. Dort ist die Welt nicht untergegangen. Die Schweiz ist die Schweiz geblieben mit 25 Prozent Ausländeranteil.

    Man sollte rechte und populistische Parteien ruhig an der Macht beteiligen. Das entzaubert sie.

  6. Gastleser

    Ein Kommentar aus der Welt online zum Thema von „Fabian“:
    „Ich finde es ungehörig, in welcher Weise die DPA Wahlergebnisse im Ausland kommentiert. Vielleicht fragt man sich mal was im eigenen Weltbild nicht stimmt, wenn man Mehrheitsentscheidungen in nahezu allen westlichen Demokratien so kommentiert als wären die Menschen dort dumme Rassisten, die auf Populisten reinfallen. Man kann ja fast einen Bogen spannen, von Polen, Ungarn, Italien, Spanien, jetzt Schweiz, England und Brexit, USA unter Trump – alles laut dpa-Meldungen Populisten. Fraglich ob man damit nicht die Konflikte in Europa verschärft, wertvolle Verständigung und Dialog – über Jahrzehnte gewachsen – zerstört. Es ist ja das eine, Kräfte die einem in Deutschland nicht passen als Populisten abzutun um sich nicht in der Sache mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Etwas anderes ist es mehrheitsfähige Kräfte in nahezu jedem demokratischen Ausland zu beschimpfen.“

  7. Schön das auch bei dieser Wahl (wie auch in Lux oder den letzten Landtagswahlen in Deutschland) die Grünen Klimakasper eins vor den Bug bekommen haben. „Das Klima hat verloren“ Bei dieser Analyse kann man nur staunen das die Grünen nicht noch weiter abgesackt sind.

  8. Eifel_er

    So wird’s auch mal bei uns kommen, nur, die Schweizer sind da leider intelligenter und uns um Lichtjahre voraus. Wir breiten die Arme aus und sagen noch „herzlich willkommen“. Wir schaffen das.

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