Politik

Terrorist gegen Entwicklungshelfer: Vandecasteele nach umstrittenem Gefangenenaustausch mit Iran frei

26.05.2023, Belgien, Melsbroek: Olivier Vandecasteele (l), belgischer Entwicklungshelfer, trifft seine Familie bei der Ankunft auf dem Militärflughafen Melsbroek. Foto: Pool Didier Lebrun/Belga/dpa

AKTUALISIERT – Belgien hat einen umstrittenen Deal mit dem Iran vollzogen. Nach mehr als einem Jahr Haft im Iran ist der Belgier Olivier Vandecasteele am Freitagabend in seiner Heimat angekommen.

Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) twitterte ein Bild von Entwicklungshelfer Vandecasteele im Flugzeug und schrieb: „Endlich frei. Endlich bei uns.“

Im Gegenzug wurde der wegen Terrorvorwürfen verurteilte iranische Diplomat Assadollah Assadi freigelassen, wie Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian verkündete. Er traf ebenfalls am Freitag in Teheran ein, das Staatsfernsehen sendete eine Live-Schalte mit ihm.

Der Oman hatte bei dem Gefangenenaustausch vermittelt. Am Sonntag wird dessen Sultan Haitham bin Tarik in Teheran erwartet.

26.05.2023, Belgien, Melsbroek: Olivier Vandecasteele (l), belgischer Entwicklungshelfer, trifft seine Familie bei der Ankunft auf dem Militärflughafen Melsbroek. Belgien hat einen umstrittenen Gefangenenaustausch mit dem Iran vollzogen. Foto: Pool Didier Lebrun/Belga/dpa

Die belgische Regierung sprach ausdrücklich nicht von einem Gefangenenaustausch im Zuge eines umstrittenen Abkommens mit dem Iran, sondern bezog sich auf einen Sonderartikel der Verfassung. Kommentatoren bezeichneten den Vorgang aber dennoch als einen Gefangenenaustausch.

Der 2018 in Deutschland festgenommene Assadi wurde 2021 von einem Gericht in Antwerpen zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er einen Sprengstoffanschlag auf eine Großkundgebung von iranischen Exil-Oppositionellen in Frankreich geplant haben soll. Bis zuletzt beteuerte der Iran, dass Assadi unschuldig sei.

Der Entwicklungshelfer Vandecasteele wurde nach Angaben der iranischen Justiz zu insgesamt 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt. Ihm wurden insbesondere Spionage und Kooperation mit dem Erzfeind USA sowie Geldschmuggel vorgeworfen.

Besonders brisant ist der Fall, weil der 51 Jahre alte Assadi den Ermittlungen zufolge Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes ist, zu dessen Aufgaben die Beobachtung und Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen innerhalb und außerhalb des Irans gehört. Es gilt deswegen als möglich, dass den Anschlagsplänen in Frankreich ein direkter staatlicher Auftrag zugrunde lag.

Diese These vertritt auch die im Iran verbotene Oppositionsgruppe NWRI. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI) hatte die Großkundgebung am 30. Juni 2018 in Villepinte bei Paris organisiert. An ihr nahmen auch zahlreiche westliche Unterstützer teil, unter ihnen der Anwalt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, Rudy Giuliani. Die Gruppe ist in der iranischen Diaspora umstritten. Einige Stimmen forderten, den Deal zu verhindern.

26.05.2023, Belgien, Melsbroek: Olivier Vandecasteele (l), belgischer Entwicklungshelfer umarmt seine Familie bei der Ankunft auf dem Militärflughafen Melsbroek. Foto: Pool Didier Lebrun/Belga/dpa

Mahmood Amiry-Moghaddam von der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Iran Human Rights“ sprach von einem „beschämenden Kapitel in der Geschichte der belgischen Außenpolitik“. „Es gefährdet alle westlichen Bürger und Doppelstaatsbürger, die in die Nachbarschaft des Irans reisen, und sendet das falsche Signal an die Islamische Republik: Egal welche Verbrechen ihr begeht, wir sind bereit, einen Deal mit euch zu machen!“, twitterte er am Freitag.

Die iranische Regierung hatte bereits gegen die Festnahme von Assadi in Deutschland heftig protestiert, weil der Mann zum Tatzeitpunkt an der iranischen Botschaft in Wien als Diplomat akkreditiert war. Am 1. Juli 2018 wurde er an einer Autobahnraststätte bei Aschaffenburg in Bayern verhaftet und dann von Deutschland an Belgien übergeben.

Die deutsche Justiz argumentierte, dass der Mann bei seiner Festnahme nicht unter diplomatischem Schutz gestanden habe, weil er sich außerhalb Österreichs auf einer Urlaubsreise befand. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen Assadi einen Haftbefehl unter anderem wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord erwirkt.

Kritiker werfen dem Iran vor, Ausländer zu inhaftieren, um eine Verhandlungsmasse zu haben. Derzeit liegen nach Worten der iranischen Regierung auch wieder Gespräche über einen Gefangenentausch mit den USA auf dem Tisch. 2016 kam der «Washington Post»-Journalist Jason Rezaian neben drei weiteren US-Bürgern frei. Im Gegenzug begnadigten die USA sieben Iraner, denen Verstöße gegen US-Sanktionen vorgeworfen wurden. (dpa)

Nachfolgend Tweets zur Freilassung von Olivier Vandecasteele:

25 Antworten auf “Terrorist gegen Entwicklungshelfer: Vandecasteele nach umstrittenem Gefangenenaustausch mit Iran frei”

  1. Was hier als Erfolg der Regierung De Croo verkauft werden soll ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine krachende Niederlage.
    Das iranische nimmt seit Jahrzehnten Geiseln und erpresst damit die westlichen Staaten. Ein Tausch eines unschuldigen Belgiers gegen einen schuldigen iranischen Terroristen ist nichts anderes als der Erpressung durch den Iran nachgeben. Wir, d.h. unsere Regierung, ist also erpressbar. Jeder Schurkenstaat der etwas von Belgien erreichen will weiss also was er in Zukunft zu tun hat. Sind wir Belgier im Ausland noch sicher?
    Desweiteren hat das belgische Verfassungsgericht der belgischen Regierung auferlegt die iranische Opposition in Belgien,als mutmassliches Opfer des Terroristen, zu benachrichtigen, falls eine Freilassung des iranischen Terroristen, bzw. ein Gefangenentausch in Frage käme. Somit hätte diese dagegen vor Gericht vorgehen können. Das hat die Regierung offensichtlich nicht getan und somit den Rechtsstaat übergangen. Politiker die das Recht neben sich legen?
    Damit man mich nicht falsch versteht: ich freue mich natürlich über die Freislassung eines unschuldigen aus den Klauen eines unmenschlichen Regimes, doch sollte man sich der Folgen durchaus bewusst sein.
    Was natürlich auch gerne von den Medien verschwiegen wird: unser Landsmann wurde, nach Aussagen im Parlament, vor seiner Iranreise ausdrücklich sowohl vom Auswärtigen Amt als auch von Sicherheitsdiensten vor dieser Reise gewarnt.

  2. Marcel Scholzen eimerscheid

    Gut, dass der Mann frei ist.

    Um in Zukunft so etwas zu verhindern, sollte es belgischen Staatsbürgern und den Bürgern anderer westlichen Staaten verboten werden, in den Iran zu reisen. Die Gefahr einer unrechtmäßigen Festnahme ist einfach zu groß. Fraglich ist allerdings, ob so ein Verbot überhaupt möglich ist.

      • Wie ja geschehen. Abgeraten, gewarnt, und trotzdem hin gereist. Dann fallen wir auf die Knie, suchen irgendeinen Artikel aus dem Grundrecht (wo und wann und warum war Belgien in Gefahr?) und die Politiker tun was sie wollen. Die Parole der Politk in den letzten Jahren war immer wieder: Not schlägt Recht. Schöne Zukunftsaussichten für einen Rechtsstaat oder soll man sagen Bananenrepublik?.

  3. Neneewaa

    könnte es vielleicht auch sein Daß er wirklich ein Spion ist? Wäre dann nicht ein Inhaftierung gerechtfertigt? ich persönlich stehe hinter der absoluten Unschuldsvermutung. Nur unsere Medien behaupten dass er unschuldig ist. Vielleicht habe ich mich hier kompliziert ausgedrückt aber hoffe dass die gleichdenkenden Mitleser das verstehen

  4. Freut mich

    Endlich ! Sehr gute Nachricht…
    Wenn man bedenkt, dass hier aufgenommene Exil-Iraner und ihre lächerliche Staatsratsklage dem lieben Mann fast das Leben gekostet haben … schickt die doch zurück « nach Hause », da können sie ja mal gegen wen auch immer zu klagen versuchen.
    Zum Glück hat die Regierung sich über so eine fehlverstandene Rechtsstaatlichkeit für Gastfreundschaftschänder hinweggesetzt und die Familie nie aufgegeben.

    • Peter S.

      Mir sind Exil-Iraner, die sich gegen die Mullahs stellen, lieber als weltfremde Idioten, die den Mullahs in die Hände spielen.
      Mir ist ja auch ein russischer Putin-Gegner lieber als ein westlicher Putin-Versteher.

      • 9102Anoroc

        Im Prinzip könnte man sich ja darüber freuen ;
        das ein Terrorist ausgewiesen wurde, bzw ausgetauscht wurde .
        Ein Tuppes weniger, der von unseren Steuergeldern ein Dach über dem Kopf in Belgien hatte und wir sogar täglich ernährt haben.
        Solange der bei seinesgleichen im Iran bleibt , ist ja alles gut.
        Vielleicht sollte man in Zukunft mit Terroristen aus diesem Land etwas anders umgehen.
        Eine unbeheizte Zelle und täglich ein Stückchen Brot mit einem Liter frischem Leitungswasser sollte reichen.
        Es wäre eine Win-Win-Situation.
        A – Es würden weniger Terroristen einreisen.
        B – Wir müssen sparen !

      • Walter Keutgen

        Peter S., „weltfremde Idioten, die den Mullahs in die Hände spielen“, wer sind die? Ich kann mich nur an Jacques Chirac vor 45 Jahren erinnern, wobei er nicht weltfremd sondern antiamerikanisch war.

  5. Es war richtig den Mann vor dem Galgen gerettet zu haben statt hier einen Iranischen Terroristen weiter durchzufüttern. Man muss nur daraus lernen was den Umgang mit diesen Regimen betrifft. So ein Geiselgeschäft gegen einen US-Bürger oder Israelie traut der Iran sich nicht denn dann sind die Konsequenzen für die Machthaben selbst unkalkulierbar:
    https://de.euronews.com/2023/01/03/vor-3-jahren-us-drohne-totet-iranischen-general-soleimani
    Die Gefahr dass Belgien einen hochrangigen Iranischen General tötet ist hingegen gering, uns kann man gefahrlos erpressen….

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