SPplus-Spitzenkandidat Werner Baumgarten hatte am Samstag bei der Vorstellung der SPplus-Liste für die Stadtratswahl gesagt: „Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit, die wir in den letzten zwölf Jahren (in der Opposition, A.d.R.) mit PFF und Ecolo hatten, künftig etwas mehr wird.“ Soll heißen: Dreierkoalition ohne CSP, die in diesem Fall nach 36 Jahren (!) noch einmal die Oppositionsbank drücken müsste.
Claudia Niessen sieht die Sache etwas anders. Gegenüber „Ostbelgien Direkt“ erklärte die Senatorin und Spitzenkandidatin von Ecolo wörtlich: „Wir werden auch weiterhin mit allen im Stadtrat vertretenen Fraktionen arbeiten – mit dem Wunsch, dass Ecolo mit mir als Bürgermeisterin den Rhythmus mitbestimmen kann.“
Mit allen anderen Fraktionen arbeiten
Nachstehend veröffentlichen wir das Interview mit Claudia Niessen im Wortlaut.
OD: SPplus-Spitzenkandidat Werner Baumgarten hat gesagt: „Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit, die wir in den letzten zwölf Jahren mit PFF und Ecolo hatten, künftig etwas mehr wird.“ Frage: Wünscht sich Ecolo das auch?
Niessen: Gemeinsam zum Wohle der Stadt zu arbeiten, ist immer wichtig, wünschenswert und ein Grundsatz grüner Politik. Wir werden auch weiterhin mit allen im Stadtrat vertretenen Fraktionen arbeiten – mit dem Wunsch, dass Ecolo mit mir als Bürgermeisterin den Rhythmus mitbestimmen kann.
Sich keinen Gesprächen und Ideen verschließen
OD: Ihre Antwort könnte man so interpretieren: „Ecolo kann mit jeder anderen Liste eine Koalition machen – Hauptsache, ich, Claudia Niessen, werde Bürgermeisterin…“ Das geht aber wahrscheinlich rein rechnerisch gar nicht, denn die Gesetzgebung sieht vor, dass der Kandidat der stärksten Mehrheitsfraktion mit den meisten Vorzugsstimmen Gemeindeoberhaupt wird.
Niessen: Wieso geht es rein rechnerisch nicht? Beim Wahlgang entscheiden die Wählerinnen und Wähler, wer sie auf politischer Ebene vertreten soll. Es sind heute doch noch keine Ergebnisse da, und Ecolo hat ein ehrgeiziges und klares Ziel: die Politik in Eupen für die kommenden sechs Jahre zukunftsfähig zu gestalten. Dies bedeutet auch, dass wir uns keinen Gesprächen und somit Ideen verschließen, sondern sorgfältig programmatische Gemeinsamkeiten abwägen. Erst nach den inhaltlichen Fragen werden die Mandate verteilt. Außer natürlich das des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin, das, wie Sie sagen, festgelegt ist.
OD: Werner Baumgarten hat am Samstag außerdem erklärt: „In den letzten beiden Legislaturperioden ist einiges an Porzellan, auch im Zwischenmenschlichen, zerschlagen worden.“ Sieht die Spitzenkandidatin von Ecolo das auch so?
Niessen: Das kann ich so nicht bestätigen. In meinen Augen gibt es allerdings zwischen unserem Politikverständnis und dem der anderen oft einen grundlegenden Unterschied: Partizipation bedeutet, die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an bei den Planungen mit einzubeziehen und gemeinsam das Projekt zu entwickeln, sie also nicht erst später zu informieren. Oder auch strukturell Missstände zu beheben und den Menschen nicht Dinge aus der Hand zu nehmen und Botengänge zu erledigen.
Erst am Ende begannen die Überlegungen
OD: Bei der Neugestaltung der Eupener Innenstadt hat die amtierende Mehrheit doch nichts anderes getan, als die Bürger in die Planungen mit einzubeziehen. Oder ist der Eindruck falsch?
Niessen: Bürgerbeteiligung bedeutet nicht, die Menschen bei Versammlungen mit Tatsachen zu konfrontieren. Oder sie erst zu informieren, wenn die Baustelle schon vor der Türe liegt. Bürgerbeteiligung will heißen, dass Einwohner von Anfang an in Projekte und Entscheidungen eingebunden werden. Beispiel Mobilität in der Begegnungszone: Die Straßenführung war geplant, die Bagger rollten an, die Pflasterung wurde verlegt, und dann wurde eine Arbeitsgruppe Mobilität gegründet… Wo war da die Partizipation der Anwohner, der TEC, des RSM… zu Beginn der Planung? Erst am Ende begannen die Überlegungen, wer, wann und wie durch die neu gestaltetete Innenstadt fahren darf. (cre)
Ich muss Frau Niessen teilweise widersprechen, denn mit Prof. Castro haben am Anfang einige offene allgemeine Bürgerversammlungen stattgefunden (Eupen 2012+ mit brainstorming u.ä.). Daraus hat wahrscheinlich das Kollegium aber nur bedingt die richtigen Schlüsse gezogen. Welche ggf. falsch sind, liegt in der Position des Betrachters. Nach einem solchen „Wunschkonzert“ kann man aber ohnehin nicht alle Anregungen berücksichtigen…
Es wurden dananach allerdings quasi definitive Pläne für das Stadtzentrum vorgelegt, die uns Bürgern nur noch präsentiert wurden, Änderungen und Grundsatzdiskussionen kaum noch möglich. Da liegt vielleicht der Hase im Pfeffer. Die „Bürgerbeteiligung“ wurde dann erst wieder fortgeführt durch Schaffung eines Begleitkomitees (einige Bürger pro Straße), im Wesentlichen zur Information und Regelung kleinerer Unstimmigkeiten vor Ort. Wir erhielten aber auch regelmäßig Berichte über die Baustellenbesprechungen.
Die Bürgerbeteiligung kann aber auch kein Allheilmittel sein, am Ende muss immer eine demokratisch gewählte Mehrheit die Entscheidungen treffen, nachdem sie die Prioritäten festgelegt und – hoffentlich – die technischen und finanziellen Möglichkeiten gecheckt hat. Fast logisch, dass die Entscheidungen dann nicht allen Bürgern und Parteien gefallen müssen. Dagegen zu „wettern“ ist aber wiederum das Recht jeder Opposition und eines jeden Bürgers…
Für meine Begriffe ist die „Globalität“ des beschlossenen Projektes und dessen Ausführung, Detailplanung und Betreuung viel eher kritikwürdig. Letzteres auch bei den beteiligten Unternehmen. Dass die Klosterstraße fast zwei Jahre (darunter Weihnachten 2011) gesperrt bleiben musste, ist nur einer dieser Punkte. Die Klötzerbahn hingegen hätte eigentlich noch ein Jahrzehnt warten können, ohne Nachteile für die neue Innenstadt (im Gegenteil!) und die Klötzerbahn (untere Schulstraße und Borngasse) selbst. Da hätte man sich besser als nächstes der Neugestaltung des Werthplatzes angenommen.
Für den Stadtbus hingegen, ja sogar für die definitive Festlegung der Verkehrsführung, war es aber m.E. zu keinem Zeitpunkt zu spät, denn die Neugestaltung bietet alle Möglichkeiten. Die jetzigen Versuche „am lebenden Objekt“ sind also nicht unbedingt falsch, auch wenn Sie sehr verwirrend und – vielleicht – „unangenehm“ sind. Hier wäre m.E. „massivere“ Kommunikation und Beschilderung vonnöten gewesen, Stichwort „Achtung Versuchsphase!“.
P.S.: besser wissen ist immer möglich (bzw. der Glaube daran, da schließe ich mich mit ein), aber besser machen ist nicht so einfach und kann nach Ablauf eines Projektes nicht am gleichen Objekt nochmal bewiesen werden… ;)
Eine Koalition aus CSP und Ecolo wäre für Eupen sicher eine gute Lösung.
Doch eine grüne Bürgermeisterin ist nur Wunschdenken…
Absolut! Das mit der Bürgermeisterin ist ein Wunschdenken.
Wie schon im Bericht steht, dass der Kandidat der stärksten Mehrheitsfraktion mit den meisten Vorzugsstimmen Gemeindeoberhaupt wird. Also erstmal die Wahlen abwarten. Ich drücke der SPplus alle meine Daumen.
„Dies bedeutet auch, dass wir uns keinen Gesprächen und somit Ideen verschließen, sondern sorgfältig programmatische Gemeinsamkeiten abwägen. Erst nach den inhaltlichen Fragen werden die Mandate verteilt.“
Soweit eine in dem Interview von Frau Niessen formulierte Aussage zu möglichen Koalitionspartnern.
Nichts von dem hat ECOLO nach der Wahl eingehalten. Eine Gesprächsangebot der CSP wurde abgelehnt ohne programmatische Gemeinsamkeiten zu prüfen.
Ohne vorher programmatische Gemeinsamkeiten sorgfältig abzuwägen, hat ECOLO sich noch am Wahlabend auf eine Koalition mit der PFF (und aus taktischen Gründen am Tag später mit der SP+) verständigt (in Kelmis und Raeren gab es das gleiche Szenario). Schließlich war die ja auch schon vor den Wahlen so vereinbart worden … wenn das Wahlergebnis stimmt.
ECOLO geht mit Wortbruch und Wählerbetrug in die Mehrheit. Schöne Aussichten !
(Und Frau Niessen: nicht Mandate werden „verteilt“ sondern höchstens Posten und Ämter. Über Mandate entscheidet immer noch der Wähler. Es sei denn, der Kandidat tritt das Mandat z.B. aus familiären oder beruflichen Gründen nicht an. Siehe ECOLO-Lontzen. So etwas nennt man dann einfach Wählerbetrug… aber das kennen Sie ja.)
@Ich weiß… haben sie die Programme verglichen? Vielleicht hat Ecolo das CSP-Programm ja schon vor den Wahlen verglichen?
Na, na, na…
Jetzt machen Sie es sich aber einfach …
Dann würde die Aussage von Frau Niessen ja überhaupt keinen Sinn ergeben.
Schließlich hat sie aufgrund dieser Aussage bis zuletzt die Koalitionsfrage offen gehalten. Hätte ECOLO die Parteiprogramme vor den Wahlen verglichen, hätte man auch schon zu dem Zeitpunkt zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der CSP kommen können.
Und was ist mit der bekundeten Gesprächsbereitschaft ?
Man sollte sich zumindest nicht so amateurhaft anstellen, sich in seiner eigenen Strategie zu verheddern … Überheblichkeit kommt bekanntlich vor dem Fall.