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Franz Beckenbauer ist heute kein Allesgewinner mehr: Deutschland etwas überschattete Lichtgestalt wird 75

Bild links - Weltklassespieler Franz Beckenbauer im WM-Finale 1974. Bild rechts - 28.11.2011, Bayern, München: Der ehemalige Fußballer und Fußballtrainer Franz Beckenbauer. Fotos: -/dpa - Sven Hoppe/dpa

ZurFranz Beckenbauer darf zum 75. Geburtstag auf eine der größten Karrieren im Weltsport zurückblicken. Doch der „Kaiser“ stand nicht nur als Allesgewinner des Fußballs im Fokus.

Kurz vor seinem 75. Geburtstag kam Franz Beckenbauer ins Philosophieren. „Ich muss sagen, dass mich dieses Alter zum ersten Mal in meinem Leben ein bisschen nachdenklich macht. Alle anderen Geburtstage sind leichter an mir vorübergegangen“, sagte der „Kaiser“ tiefsinnig und ganz ohne die ihm typische Leichtigkeit.

14.08.1976, Bayern, München: Der von deutschen Sportjournalisten zum „Fußballer des Jahres 1976“ gewählte Mannschaftskapitän des FC Bayern München, Franz Beckenbauer, nimmt vor dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf den „Goldenen Ball“ entgegen. Foto: Hamberger/dpa

An diesem Freitag feiert der vielleicht größte deutsche Fußballer seinen Ehrentag im Familienkreis. Die „Lichtgestalt“ hat sich in den vergangenen Jahren öffentlich rar gemacht.

Selbst Stadion-Besuche, wie sie in der Rückrunde der Bundesliga bei Geisterspielen der Fall waren, sind für den „Kaiser“ längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Mit Mund-Nasen-Schutz oder Gesichtsvisier freute sich Beckenbauer in den vergangenen Monaten in der Münchner Arena über zwei klare Bayern-Siege.

Über „Obergiesing gegen Untergiesing“ oder „Rumpel-Fußball“ schimpfte Beckenbauer immer wieder mal bei seinen scharfen Analysen. Das Filmchen der legendären Bankettrede auf dem Weg zum Champions-League-Sieg 2001, als er Effenberg, Kahn & Co. als „Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft“ verhöhnte, war vor dem diesjährigen Triple-Triumph seines heiß geliebten Clubs Dauerbrenner im Internet.

Das war auch so, als er sich über den Club Rosenborg Trondheim lustig machte, als dieser international einige Achtungserfolge erzielte. Abschätzig nannte Beckenbauer die damalige Erfolgsmannschaft aus Norwegen „Rosenheim Trondborg“.

Solche Entgleisungen in der Öffentlichkeit kann und will sich Beckenbauer heute nicht mehr erlauben: Der Ehrenpräsident des FC Bayern und Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, der einst gerne in jedes Mikrofon plauderte oder eine Jahreshauptversammlung des Rekordmeisters als Alleinunterhalter leiten konnte, hat sich mehr und mehr zurückgezogen.

Franz Beckenbauer am 15. September 2005 mit der aktuellen Ausgabe des Grenz-Echo in der Hand anlässlich einer Feier zum 60-jährigen Bestehen des Sport-Informationsdienstes (sid) in Neuss bei Düsseldorf. Foto: Gerard Cremer

Dass neben dem reiferen Alter, dem Blick auf die Gesundheit und dem Wunsch nach mehr Familienzeit dabei auch ein Zusammenhang mit den vielen Unklarheiten rund um die Vergabe der WM 2006 in Deutschland („Sommermärchen“) besteht, ist anzunehmen. Beckenbauer konnte kein Vergehen nachgewiesen werden, aber die vielen Ungereimtheiten bleiben, zumal führende Figuren des Fußball-Weltverbandes FIFA im Zuge der Vergabe der WM 2022 an Katar ihren Ruf ruiniert haben.

Das Verfahren in der Schweiz gegen Beckenbauer wurde wegen seines schlechten Gesundheitszustands abgekoppelt. Letztlich verjährte es wie auch das gegen drei enge Wegbegleiter aus der „Sommermärchen“-Zeit. Im Frankfurter Steuerprozess ist Beckenbauer, der eine WM-Führungsrolle hatte, nicht beschuldigt. Der Mythos Beckenbauer wurde beschädigt, dubiose Millionenzahlungen bleiben unaufgeklärt.

Bis zu diesen Tagen war das sportliche Werk Beckenbauers nur von Glanz und Gloria geprägt. Fußball-, Werbe- und Medien-„Kaiser“, Weltmeister-Teamchef, WM-Macher – praktisch alles, was der am 11. September 1945 wenige Monate nach Kriegsende im Arbeiterviertel München-Giesing geborene Sohn eines Postbeamten anfasste, wurde zu Gold. Dank Souveränität und Leichtigkeit wirkte Beckenbauer stets, als stünde er über den Dingen.

28.06.1990, Italien, Rom: Franz Beckenbauer, Teamchef der deutschen Nationalelf, spielt beim Training den Ball. Die deutsche Elf gewann am 8. Juli 1990 im Olympiastadion in Rom mit 1:0 Toren das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Argentinien. Beckenbauer führte die Deutschen damit zum dritten WM-Titel nach 1954 und 1974. Foto: picture alliance / dpa

„Du bist der erste und beste Vertreter des FC Bayern. Wo Du warst, was Du auch machtest: Du hattest den ganz großen Erfolg“, rühmte ihn einst Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. „Franz Beckenbauer ist das größte Glück des deutschen Fußballs. Es gab keinen besseren vor ihm und es wird auch kein besserer nachkommen“, unterstrich WM-Gefährte Günter Netzer wiederholt die Verdienste des Tausendsassas.

Auch Joachim Löw schwärmt von Beckenbauer. „Den Franz Beckenbauer habe ich immer bewundert, und der Franz Beckenbauer ist die Lichtgestalt im deutschen Fußball“, befand der Bundestrainer. Persönliche Treffen seien immer eine wahnsinnige Freude, „weil er immer eine gute Geschichte zu erzählen hat. Es ist eine große Ehre für mich, ihn zu kennen, und ich bewundere ihn“.

Als Club-Legende des FC Bayern gewann der Mann mit dem feinen Außenristpass praktisch alles, war der Fußball hergibt: Weltmeister, Europameister, Europapokalsieger und, und, und. Es folgten nach Stationen bei New York Cosmos und dem Hamburger SV nahtlos Erfolge in der Karriere nach der Karriere.

Neben dem Brasilianer Mario Zagallo und dem Franzosen Didier Deschamps ist Beckenbauer der einzige, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde. Später holte er dann als Sportfunktionär die WM nach Deutschland – unter welchen Umständen, wird man vielleicht nie erfahren.

Franz Beckenbauer (rechts) mit Pelé. Foto: Shutterstock

Gerne wurde Beckenbauer mit seiner lapidaren Anweisung „Geht’s raus und spielt’s Fußball“ zitiert. Der gelernte Versicherungskaufmann arbeitete aber auch hart und detailversessen für seine Erfolge. „Das Glück kommt nicht zum Fenster hereingeflogen. Du brauchst Fleiß und Durchhaltewillen. Das Glück muss man sich erarbeiten“, sagt Beckenbauer selbst gerne. Trotzdem wirkte es immer mühelos. Bezeichnend, dass er einst beim Schuss auf die berühmte Torwand des ZDF-Sportstudios von einem vollen Weißbierglas traf.

Der alte Franz gab und gibt auch immer gerne die schöne Anekdote zum Start der Weltkarriere zum Besten: Die „Watschn“, eine Episode aus Münchner Jugendtagen. In Giesing verpasste ihm der „60er“ Gerhard König eine Ohrfeige – weshalb der junge Franz zum FC Bayern wechselte und nicht zu den „Löwen“. Wer weiß, wie alles gekommen wäre…

Beckenbauer ist auch im reifen Alter rank und schlank, auf das Äußere legt er seit jeher Wert. „Alle Sonntage der Welt sind in mir vereint. Wenn man so ein Leben hat in diesen 70 Jahren, angefangen aus dem Nichts kommend und dann durch den Fußball die Kurve nach oben zu kriegen…“, beschrieb es Beckenbauer zum Ehrentag vor fünf Jahren.

Damals feierte er nicht groß. Wenige Wochen nach dem Tod von Sohn Stephan (46), eines von insgesamt fünf Kindern des dreimal verheirateten Franz Beckenbauer, verbrachte er den Ehrentag abseits der Heimat im kleinen Familienkreis. (dpa/cre)

Zum Thema siehe auch folgende Sendung auf OD:

11 Antworten auf “Franz Beckenbauer ist heute kein Allesgewinner mehr: Deutschland etwas überschattete Lichtgestalt wird 75”

        • Es geht nicht um Obrigkeiten sondern um Franz.Würden sie ihr Leben darauf verwetten,daß alles regulär zuging ?Das Verfahren wurde wegen Krankheit eingestellt…..?!
          Was mich ein bißchen stört ist, daß auch er,obwohl er alles hat,seinen Hals nicht voll bekam.Nichts ist zu beweisen,aber wo Rauch ist da gabs Feuer.Oder wo Feuer ist da ist Rauch.Wenn wirklich alles rechtens zugegangen ist,wäre seine Herz Op wahrscheinlich nicht nötig gewesen.

  1. Friedrich Meier

    Mag sein, dass der gute Mann für den Fußball viel getan hat, sein Konto hat er allerdings nicht so ehrlich gefüllt, wie das 99% der Bevölkerung tun muß.
    Nicht jeder wird erwischt, wie der Uli Hoeneß $$$$

  2. Habe vor 2-3 Tagen einen Kommentar einer seiner damaligen Nationalmannschaftskollegen gehört. Weiss gerade garnicht mehr wer es war. Sinngemäß: BeimmFranz lief immer alles alleine von perfekt und er wurde von allen Seiten hofiert und gebauchpinselt. Wie sollte der Franz da lernen, dass auch er nur ein normaler Mensch ist?

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