Politik

Opposition stürzt Regierung mit Misstrauensvotum – Dem hochverschuldeten Frankreich droht Stillstand

04.12.2024, Frankreich, Paris: Der französische Premier Michel Barnier nimmt an einer Debatte über Misstrauensanträge gegen seine Regierung in der Nationalversammlung teil. Foto: Aurelien Morissard/Xinhua/dpa

Nach nicht einmal drei Monaten ist die Mitte-Rechts-Regierung von Michel Barnier in Frankreich am Ende. Dem Land droht Stillstand. Auch für Europa dürfte der Regierungssturz nicht folgenlos sein.

Mit einem Misstrauensvotum hat die Opposition in Frankreich die Mitte-Rechts-Regierung von Premierminister Michel Barnier zu Fall gebracht. Marine Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stimmten in der Nationalversammlung gemeinsam gegen die Regierung und erreichten so die nötige Mehrheit.

Insgesamt 331 der 577 Abgeordneten entzogen dem Kabinett das Vertrauen. Barnier muss nun seinen Rücktritt und den Rücktritt der Regierung bei Präsident Emmanuel Macron einreichen. Das Amt des Staatschefs berührt das Misstrauensvotum nicht.

04.12.2024, Frankreich, Paris: Der französische Premier Michel Barnier nimmt an einer Debatte über Misstrauensanträge gegen seine Regierung in der Nationalversammlung teil. Foto: Aurelien Morissard/Xinhua/dpa

– Linke fordert Macrons Rücktritt: Frankreichs Linke forderte am Abend den Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron. „Um aus der Sackgasse zu kommen, in die der Präsident das Land geführt hat, bleibt uns nur eine Lösung: Wir fordern Emmanuel Macron jetzt auf, zu gehen“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei La France Insoumise (LFI), Mathilde Panot. „Nicht wir sind das Chaos, sondern das ist seit sieben Jahren Emmanuel Macron.“ Mit dem Misstrauensvotum sei seine Politik geschlagen worden.

Auch die Fraktionschefin von Frankreichs Rechtsnationalen, Marine Le Pen, machte Macron für die eingetretene politische Krise verantwortlich. „Er ist der große Verantwortliche der aktuellen Situation“, sagte Le Pen auf TF1. „Ich fordere nicht den Rücktritt von Emmanuel Macron“, sagte Le Pen. Der Druck auf ihn aber werde steigen, er müsse selbst entscheiden, ob er bis 2027 im Amt bleiben wolle oder verfrühte Wahlen ausrufe.

– Macron plant Ansprache am Donnerstagabend: Der Staatschef selbst wollte sich erst am Donnerstagabend in einer Ansprache an die Nation äußern, teilte der Élyséepalast mit. Macron war erst im Laufe des Tages aus Saudi-Arabien nach Paris zurückgekehrt. Mit der Abstimmung über den Misstrauensantrag war gewartet worden, bis der Präsident wieder im Land ist.

04.12.2024, Frankreich, Paris: Marine Le Pen (M) vom Rassemblement National posiert vor einem Interview im französischen Fernsehsender TF1 in Boulogne-Billancourt, außerhalb von Paris, nachdem Frankreichs rechtsextreme und linke Abgeordnete gemeinsam einen Misstrauensantrag aufgrund von Haushaltsstreitigkeiten gestellt haben, der Premierminister Barnier zum Rücktritt zwingt. Foto: Stephane de Sakutin/POOL AFP/AP/dpa

Der Fall der Regierung stürzt Frankreich in eine tiefe politische Krise. Eine Parlamentsneuwahl ist erst im kommenden Sommer wieder möglich. Das Kräfteverhältnis bleibt somit unverändert eine Pattsituation. Weder das linke Lager, das die Parlamentswahl im Sommer gewann, noch Macrons Mitte-Kräfte und auch nicht die Rechtsnationalen um Marine Le Pen und ihre Verbündeten haben eine eigene Mehrheit.

Die Regierungssuche dürfte erneut schwierig werden. Dass es am Ende für mehr als eine Minderheitsregierung reicht, scheint unwahrscheinlich.

– Auch Macron unter Druck gesetzt: Nach Deutschland droht damit auch die zweite Säule des wichtigen deutsch-französischen Motors in Europa in zeitweisen politischen Stillstand zu rutschen und sich vor allem um ihre innenpolitischen Probleme kümmern zu müssen. Macrons Amt bleibt von dem Misstrauensvotum unberührt. Er ernennt als Präsident aber den Premierminister. Nach der Parlamentswahl hat er sich stark in die Regierungssuche eingebracht und dürfte dies nun wieder tun.

Zudem lässt der Regierungssturz auch ihn nicht unbeschadet zurück. Der Staatschef hatte Barnier nach langen Sondierungen zum Premier ernannt, seine Mitte-Kräfte regierten mit. Die Opposition dürfte nun versuchen, Macron aufgrund der komplizierten politischen Verhältnisse zu einer vorgezogenen Präsidentschaftswahl zu drängen. Bisher hatte Macron dies stets abgelehnt.

– Nötiger Sparhaushalt nicht verabschiedet: Misslich ist die politische Krise auch für Frankreichs Wirtschaft. Das Land hat eine zu hohe Neuverschuldung. Barnier wollte diese wieder in den Griff bekommen. Seine Regierung scheiterte am eskalierenden Streit um den Sparhaushalt. Sie dürfte als eine der kürzesten Regierungen in die jüngere französische Geschichte eingehen. (dpa)

39 Antworten auf “Opposition stürzt Regierung mit Misstrauensvotum – Dem hochverschuldeten Frankreich droht Stillstand”

  1. Da hat Macron sich selbst ein Bein gestellt…. Das Schicksal seiner Regierung hing am FN, das hat er nicht verstanden bzw. wollte es nicht wahrhaben. Die Linke in Frankreich war permanent für einen Misstrauensantrag (motion de censure) zu haben, aber dazu brauchte sie die Stimmen des FN. Macron in seiner napoleonischen Überheblichkeit hat das ignoriert und versucht Marine Le Pen per Gericht politisch kalt zu stellen (dass jetzt keiner kommt und sagt die Justiz sei „politisch unabhängig“), worauf diese zurückschlug und seine Regierung stürzte. Wenn sich ein Großteil der Bevölkerung für eine Rechte Partei entscheidet wird das Zentrum niemals dauerhaft eine Politik gegen diese Partei durchhalten können ohne von der Linken komplett demontierte zu werden. Was Macron widerfährt steht Merz genau so bevor wenn die CDU weiter blind an dieser „Brandmauer“ festhält.

  2. DR ALBERN

    @ Dax, RICHTIG!!! Das ist die Rechnung, die MACRON präsentiert bekommt, da diese arroganten Parteien nicht gewillt sind mit „RÄÄCHTEN“ Parteien zu koalieren!!! MERZ hat noch lange nicht gewonnen!!!

  3. Diese Situation hat man vor – und noch stärker nach – den letzten Wahlen der Nationalversammlung (im Juni und Juli 2024) kommen sehen. Macron hätte schon im Frühjahr oder Sommer 2024 gehen sollen. Er hat in seiner zweiten Amtszeit (seit Mai 2022= 2,5 Jahre), den zweiten Premierminister verschlissen.
    Bereits nach den Wahlen 2024 sagte man, dass er sein Land bewusst in diese Stillstandssituation steuern würde und dann der Opposition die Schuld dafür geben wird – ich bin daher gespannt auf seine heutige Rede.

    Wer erinnert sich noch an die Proteste der Gelbwesten und die Hintergründe? Macron hat bei den Schwächsten der Gesellschaft gespart! Er hat sein eigenes Volk zu Millionen von der Polizei mit Reizgas und Gummigeschossen durch die Straßen treiben lassen.
    Die letzte Rentenreform hat die vorherige Premierministerin (Elisabeth Born) mit dem Artikel 49.3 der Verfassung gegen die Mehrheit der Nationalversammlung durch gedrückt. Die Franzosen gehen früher in Rente als in anderen Ländern, aber dafür zahlen sie auch entsprechend höhere Beiträge in das System ein! Diese Frührentenregelungen hat die französische Regierung 2023 abgeschafft um seinen bankrotten Staat zu finanzieren, obwohl dieses System sich selber finanziert hatte. Das treibt die Wähler zu den rechten Parteien, was wir bei den letzten Wahlen, im Juni und Juli diesen Jahres, ja gesehen haben.

    Frankreich hat 3000 MILLIARDEN Staatsschulden (weit über 100 % des BIP)! Frankreich hat auch dieses Jahr erneut einen zu hohe Neuverschuldung. Dennoch will Macron in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg finanzieren. So nennt es ja sogar Boris Johnson, aus England, wo die Situation nicht besser ist, mittlerweile auch: einen STELLVERTRETER-Krieg! Das gleiche passiert in Deutschland! Die Amerikaner sind sogar noch höher verschuldet (120 %) und auch hier wurde der Kriegstreiber abgewählt!

    Die westlichen Großmächte bekämpfen ihren russischen Erzfeind und die Ukrainer sterben dafür! Das Land wird geplündert und im Krieg geopfert und die eigene Bevölkerung wird auch geschröpft.
    Der Haufen wird grösser und er stinkt zum Himmel! Nichtmehr lange …

        • Peter S.

          Die Ukraine bekommt ja weiterhin Unterstützung. Und wenn sie die nicht bekäme, könnte sie immer noch einen Guerillakrieg führen. Die Chancen stehen außerdem recht gut, dass Trump die Hilfen voll aufdreht.

          • S wie Strunz

            Ah ja… Genau das sagt Trump ja auch, seit Monaten! :-))))
            Und wieso nur ein Guerilla-Krieg? Die Russen sind doch vernichtet, die russische Armee in Trümmern! Oreshnik hat nichts gebracht, die Ukros sind überall auf dem Vormarsch, sogar in Afrika und Syrien sind sie schon!
            Peter, Peter, du drehst immer schneller durch, ACHTUNG! du fällst bald.

          • Zusätzliche Hilfe für die Ukraine in Höhe von 24 Milliarden Dollar kommt nicht auf die Tagesordnung zur Abstimmung:
            „Der republikanische Sprecher des US-Repräsentantenhauses Mike Johnson wird eigenen Angaben zufolge die vom Weißen Haus beantragte zusätzliche Hilfe für die Ukraine in Höhe von 24 Milliarden Dollar nicht auf die Tagesordnung zur Abstimmung setzen. Laut Johnson verändert der Wahlsieg von Donald Trump die Dynamik des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, und über zusätzliche US-Hilfe für Kiew sollte unter der nächsten Regierung entschieden werden.

            „Es ist nicht die Aufgabe von Joe Biden, diese Entscheidung jetzt zu treffen. Wir haben einen neu gewählten Präsidenten, und wir werden abwarten und die Anweisungen des neuen Oberbefehlshabers zu all dem befolgen. Ich erwarte also nicht, dass die Finanzierung der Ukraine jetzt zur Sprache kommt“, sagte Johnson am Mittwochabend während einer Pressekonferenz.“

            Korrekt.
            Außerdem kümmert sich Joe Biden lieber um Justizangelegenheiten innerhalb der Familie.

    • Teilweise ja, er hat aber Gabriel Attal vergessen.
      Und die Tatsache, dass das Rentensystem seit fast 50 Jahren eher defizitär ist.
      Die Vergangenheit spielt auch eigentlich keine Rolle, denn die aktuell arbeitende Bevölkerung zahlt für die aktuellen Rentner.
      Das kann bei einer steigenden Lebenserwartung und einer immer weniger werdenden aktiven Bevölkerung nicht klappen.

  4. Belgien hat auch nur eine geschäftsführende Regierung, genau so wie Deutschland wo auch keiner weiß wie es nach der nächsten Bundestagswahl weiter gehen soll…. Die Zeit der „Brandmauer-Politik“ geht zu Ende weil es die rechten Parteien nicht schwächt aber das Zentrum sich daran zerreibt.

  5. Die links/grünen versuchen immer hysterischer nach jeder Wahl die „Brandmauer“ noch ein Stück höher zu mauern und verweigern sich jeder Analyse woher der Wählerzuwachs hinter ihrer „Brandmauer“ kommt. Diese „Brandmauer“ ist nichts anderes als eine virtuelle Form der Berliner Mauer welche letztlich das Regime dahinter auch nicht retten konnte. Irgendwann stehen mehr Menschen hinter der links/grünen „Brandmauer“ als davor, und dann?

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