Was in Spanien Real gegen Barcelona, in Belgien Anderlecht gegen Standard Lüttich oder in Italien Juventus Turin gegen Inter Mailand ist in Deutschland Borussia Dortmund gegen Bayern München. Es ist der Fußball-Klassiker.
An der besonderen Bedeutung des deutschen Fußball-Klassikers zwischen dem BVB und dem FC Bayern lassen die Trainer-Novizen Nuri Sahin und Vincent Kompany vor ihrem Premieren-Duell an der Seitenlinie im stimmungsvollen Dortmunder Fußball-Tempel nicht rütteln.
Es geht am Samstag (18.30 Uhr/in Belgien live auf DAZN) nicht um Platz eins. Und beim Spitzenreiter FC Bayern kommt die Kraftprobe mit dem ewigen Rivalen in seiner großen Topspielwoche im sportlichen Ranking auch erst an dritter Stelle hinter der schon bestandenen Champions-League-Prüfung gegen Paris Saint-Germain (1:0) und dem Alles-oder-nichts-Spiel im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen. Gegen den Double-Gewinner 2024 steht der erste Titel auf dem Spiel.
– „Auf dieses Spiel schaut man“: Und doch sagt Kompany vor BVB gegen Bayern: «Auf dieses Spiel schaut man. Ich glaube nicht, dass da einer auf die Tabelle schaut, wer Erster, Zweiter, Dritter ist. Das wird nicht nur ein großes Spiel sein in Deutschland, sondern für ganz Europa und die ganze Welt.»
Der national mit den Bayern noch unbesiegte Belgier erwartet einen Festabend. „Diese Spiele sind meistens auch Spektakel. Ich freue mich, wenn was los ist. Da dürfen auch gerne ein bisschen Emotionen dabei sein.“ Auch bei zehn Punkten Vorsprung auf den BVB.
Sahin äußerte sich in der BVB-Pressekonferenz ähnlich. „Das ist das größte Spiel in Deutschland, das Spiel mit der größten Beachtung, wenn es um die Bundesliga geht.“ Und für Sahin, der dieses Topspiel mehrmals als Akteur auf dem Platz miterlebte, ist es auch in seiner neuen Funktion ein Big Match. „Es ist ein Privileg für mich, dabei sein zu dürfen.“ Beide, Sahin und Kompany, eint die Zielsetzung. „Es geht darum, das Spiel zu gewinnen.“
– Watzke betont „die Strahlkraft“: Mit 81.365 Zuschauern wird der Signal Iduna Park ausverkauft sein. 400.000 Karten hätten laut BVB verkauft werden können. Die Kulisse mit zwei heftig rivalisierenden Fanlagern dürfte für einen Geräuschpegel und Emotionsrahmen sorgen, der die Stars auf dem Rasen mitreißt. Die auswärts schon mehrfach patzende Borussia ist im eigenen Stadion zudem eine bislang unbezwingbare Macht, die den Bayern mutig entgegentreten kann.
Für BVB-Chef Hans-Joachim Watzke sind Zweifel am Sonderstatus des Klassikers absurd. „Das ist das Spiel mit den beiden Clubs, die mit Abstand die meiste Strahlkraft in Deutschland haben. Und wer das nicht erkennt, der sollte mal zum Augenarzt gehen“, sagte Watzke beim übertragenden TV-Sender Sky. „Geh‘ mal ins Ausland und dann frag‘, wer die beiden deutschen Leuchttürme sind.“ Dann käme „genau diese Antwort“, glaubt Watzke.
– Eine Serie muss reißen: Immerhin muss am 12. Spieltag eine Serie reißen. Dortmund hat alle Saisonspiele daheim gewonnen. Und die Bayern sind national in dieser Saison noch ohne Niederlage und mit ihrem neuen Abwehrbollwerk seit sieben Pflichtspielsiegen am Stück ohne Gegentor.
Wer triumphiert also im Duell des jüngsten Liga-Trainers Sahin (36) mit dem drittjüngsten, dem 38-jährigen Kompany? Letzterer ist in München längst von einer Notfall-Lösung zum Glücksfall aufgestiegen. Kompany habe „großen Anteil“ am aktuellen Erfolg, bemerkte Sportdirektor Christoph Freund: „Er nimmt die Leute mit, ist ein wichtiges Puzzleteil.“
Sahin sagt über den Kollegen und Kontrahenten Kompany: Man sieht, dass er einen Rieseneffekt auf die Mannschaft hat. Er ist ein guter Trainer, ein Fachmann. Er war als Spieler ein Leader auf dem Platz. Da wächst was zusammen in München.“
Kompany wiederum äußert über Sahin, der in Dortmund schon eine erste große Krisenlage als Chef aushalten und bewältigen musste. „Ich sehe eine ganz gut gecoachte Mannschaft mit ganz deutlichen Prinzipen. Was Dortmund macht, ist sehr interessant. Ich sehe nur sehr viel Qualität.“ Er bereite sein Team „immer auf die beste Version“ des Gegners vor.
Dass Sahin und auch ihm selbst noch Erfahrung fehlen? Na und! „Neue Trainer bringen Kreativität. Und dieser Job ist so intensiv, man baut Erfahrung sehr schnell auf.»“
– Kane führt 50:49 gegen Guirassy: Am Ende aber müssen die Asse auf dem Platz das Topspiel entscheiden. Sahin muss den Ausfall des am Mittwoch in der Champions League verletzt ausgewechselten Julian Brandt einkalkulieren, während die Bayern ohne neue Personalsorgen anreisen.
Im Fokus stehen auch die Torjäger. Können die Dortmunder mit Serhou Guirassy Bayern-Torwart Manuel Neuer mal wieder überwinden? Und kann die BVB-Abwehr die Liga-Tormaschine Harry Kane im eigenen Stadion aufhalten? Zusammen kommen beide Stürmer auf 99 Bundesligatore.
50:49 heißt es für Kane. Sahin setzt voll auf seinen Neuner. „Serhou ist einer der besten Stürmer, den es gerade gibt. Ich würde ihn gegen keinen anderen eintauschen.“ Auch wenn Sahin zugab, durchaus auch ein Harry-Kane-Fan zu sein.
– Effenberg über Klassiker: Der frühere Fußball-Nationalspieler Stefan Effenberg hat vor dem deutschen Klassiker zwischen Borussia Dortmund und Bayern München BVB-Coach Nuri Sahin in Schutz genommen. „In Dortmund muss man auch die Verletztensituation mit in die Bewertung einbeziehen. Mir ging die Kritik da zu schnell auf Nuri Sahin, obwohl das nicht fair ist“, sagte der frühere Bayern-Star im Interview der Mediengruppe „Münchner Merkur/tz“.
Auch der Münchner Trainer Vincent Kompany „würde anders Fußball spielen, wenn vorne Harry Kane fehlt, in der Mitte Joshua Kimmich und dazu ein bis zwei Innenverteidiger. Da verschiebt sich das ganze Spiel, die Statik. Jetzt kommen nach und nach einige wichtige Spieler zurück“, sagte der 56 Jahre alte Effenberg weiter. „Deshalb kann es – wenn der BVB alles abruft, was er zuletzt gezeigt hat – eine enge Kiste werden.“
Die Bayern sind aktuell aber bestens drauf. Sie feierten zuletzt sieben Zu-Null-Siege in Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal nacheinander. „Da baut sich etwas Nachhaltiges auf. Im Vergleich zu letztem Jahr sieht man klar: Die Gier ist wieder da“, meinte Effenberg. „Da musste eine Veränderung her. Wenn man die Mannschaft einmal piekt, haben sie die Qualität, zu reagieren. Da sind sie jetzt auf einem guten Weg. Aber wir sind noch lange nicht am Ende.“ (dpa/cre)