Meinung, Politik

Céline Kevers Rücktritt und der Niedergang der SP: Ohne Antoniadis wäre Ende Gelände [Zwischenruf]

Vorstellung der Liste der SP für die PDG-Wahl 2019 (v.l.n.r.): Charles Servaty, Antonios Antoniadis, Matthias Zimmermann, Céline Kever und Karl-Heinz Lambertz. Foto: Gerd Comouth

Nach Edmund Stoffels hat bei der SP jetzt auch Céline Kever im Zorn alles hingeschmissen. Die Büllingerin hat ihr Mandat im Parlament der DG niedergelegt und ist zudem aus der SP ausgetreten. Für die Nach-Lambertz-Ära sieht es bei den deutschsprachigen Sozialisten finster aus. Ein „Zwischenruf“.

Die Partei, die sich nie so richtig entscheiden konnte, ob sie sich sozialistisch oder sozialdemokratisch nennen soll, kann noch von Glück reden, dass der frühere Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz seinerzeit einen Einbruchdiebstahl bei der „Jungen Mitte“ beging, indem er der CSP den jungen Antonios Antoniadis wegschnappte und den „Griechen“ erst in sein Kabinett holte und ihn dann 2014 sogar zum DG-Minister machte. Ohne Antoniadis hätte die SP schon 2019 ihren vierten Sitz im Parlament der DG eingebüßt.

Die SP-Abgeordnete Céline Kever im Parlament der DG. Foto: PDG/CK

Gegenüber Grenz-Echo und BRF begründete Céline Kever ihren Rückzug aus der Politik damit, dass sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, „die Menschen, die mich gewählt haben, so vertreten zu können, wie es meinen persönlichen Wertvorstellungen und Idealen entspricht“.

Daran erkennt man, was eine knappe Mehrheit von 13:12 Stimmen für die Abgeordneten von ProDG, SP und PFF bedeutet. Sie werden quasi zu Abnickern degradiert, weil es der Mehrheit nur mithilfe einer rigiden Abstimmungsdisziplin gelingen kann, ihre gesetzgeberischen Vorhaben durchzusetzen. Für den einzelnen Mandatsträger bleibt kaum noch Spielraum, um eigene Akzente zu setzen.

Ein Zwischenruf.
Illustration: Pixabay

Sie sei „mit großen Idealen und vielleicht auch ein wenig Naivität“ in das Mandat gestartet, so Céline Kever, sie habe ihren Platz „in diesen starren Parteistrukturen nicht gefunden“.

So geht es vielen Politikern, die nicht tagtäglich im Rampenlicht stehen: Aus der Anfangseuphorie wird mit der Zeit herbe Enttäuschung. Auch Edmund Stoffels war nur ein halbes Jahr nach den Wahlen von 2019 aus der SP ausgetreten, weil er sich „keinen Maulkorb anlegen“ lassen wollte.

Aufgrund der knappen Mehrheit von nur einer Stimme hätte Céline Kever als parteiloses Parlamentsmitglied das Dreierbündnis von ProDG, SP und PFF sogar kippen können, jedoch wollte sie „mit Anstand und in Würde gehen“.

Und was wird aus der SP? Zum Glück ist Antoniadis noch da, wenn in zwei Jahren wieder gewählt wird. Sonst würde der SP wahrscheinlich das Schicksal der Sozialisten in Frankreich drohen, die so klein geworden sind, dass man sie vom Eiffelturm aus mit bloßen Augen gar nicht mehr erkennen kann… (cre)

36 Antworten auf “Céline Kevers Rücktritt und der Niedergang der SP: Ohne Antoniadis wäre Ende Gelände [Zwischenruf]”

  1. Tom aus Eupen

    “ Ohne Antoniadis wäre Ende Gelände “
    Damit ist die ganze Situation der SP in einem Satz erklärt, auch wenn Herr Servaty, m. M. nach, immer noch so tut oder gar denkt, als wäre er deren Kopf und Seele. Selbst dessen Leistungen in Bütgenbacher Gemeinderat sind …

  2. Ich hätte die Mehrheit gekippt in dem ich als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament geblieben wäre. Diese Regierung hat Glück dass den Parlamentariern das Rückgrat fehlt die Sache konsequent durchzuziehen. Das einzige was einem Parlamentarier in diesem Parteienstaat bleibt ist die Unantastbarkeit seines Mandates und das schmeisst die Frau einfach weg. KHL und Konsorten haben Glück dass sie es meistens mit Idealisten und weniger mit Leuten mit Machtinstinkt zu tun haben. Die treten dann lieber zurück als zurück zu Treten…..

    • Ich denke es ist auch nicht leicht, denn sie wird sich ja nicht umsonst für diese Partei entscheiden haben. Vielleicht sind die Beziehungen zu Freunden und Bekannten in der PS ihr wichtiger als die zur Schau Stellung ihrer Macht.

    • Walter Keutgen

      Dax, Sie haben Recht. Rechtlich gesehen sind die Parlamentarier gewählt, nicht die Parteien. Eigentlich ist ihr Rücktritt ein Wählerbetrug. Hätte sie das so durchgezogen, dann würden die Parteien in Zukunft mehr auf ihre wichtigen – immerhin Parlamentarier – hören.

      • Walter Keutgen

        Céline Kevers Wahlresultat war eher dürftig. Als zweite der Liste hatte sie nur 552 Vorzugstimmen. Sie hat die Hälfte der Kopfstimmen erhalten, was sie dann auf 999 bringt, weniger als die Wählbarkeitszahl. Die andere Hälfte ist für die Ersatzleute. Nach Verteilung der Kopfstimmen, die sie alle erhalten hat, ist das Wahlresultat in Reihenfolge: Antoniadis 2796, Stoffels 1282, Kever 999, Lambertz 973. Die Parteien legen intern viel Wert auf die Vorzugsstimmen. Votes nominatifs[2] | Elections 2019 (belgium.be)

        • Mit 799 Vorzugsstimmen wurde Antoniadis 2014 Minister und mit 973 Stimmen wurde Lambertz Parlamentspräsident, das höchste Amt in der DG. Diese Ergebnisse waren auch mehr als dürftig, für diese Ämter.

          • Walter Keutgen

            Haha, Antoniadis hatte 2014 als Europakandidat mehr als 2000 Stimmen. Auch seine 973 Stimmen waren nicht schlecht, gut für den 5. Sitz, aber die SP hatte nur 4. Die Wähler der SP geben dem ersten Kandidaten auf der Liste viele Vorzugsstimmen. 2014 Lambertz, 2019 Antoniadis. Der Parlamentspräsident wird nun mal nicht vom Volk gewählt sondern von seinen Kollegen.

            • Jeder Bürgermeister wurde bei den Gemeinderatswahlen, bei einem Bruchteil der möglichen Wählerstimmen, mit mehr Stimmen gewählt als Antoniadis 2014 bei den DG Wahlen bekam. Aber lassen wir die ollen Kamellen, 2024 bekommt die PS ihre Quittung.

              • Walter Keutgen

                Haha, nun mein Satz „Die Wähler der SP geben dem ersten Kandidaten auf der Liste viele Vorzugsstimmen“ ist zu restriktiv. Das ist bei allen Wahlen und allen Parteien so in Belgien. Das ist natürlich auch so bei den Gemeindewahlen. Es wäre auch eine Harke, wenn die Parteien den ersten Listenplatz falsch besetzen würden. 2014 hat ProDG die SP geschlagen, folglich konnte Lambertz nicht mehr als Minister Politik machen.

  3. Pensionierter Bauer

    Das hier im Zwischenruf Beschriebene betrieft mE. nicht nur die SP, denn wenn man genau hinschaut, stellt ein Jeder fest, dass dieses Problem fast alle Parteien betrifft. Es fehlen heutzutage die kantigen, leicht polarisierende Typen in der Politik. Irgendwie wurden nur noch geleckte Leute, die das ganze nur noch Verwalten in den Parteien nach vorne gelassen. Ein guter Parteichef, der läßt innerparteiliche Demokratie walten, moderiert und verteidigt dann den für den größten Teil der Mitglieder tragbaren Kompromiss.
    Die Coronakrise hat, vielleicht noch rechtzeitig, sehr viele Missstände in unserer Demokratiestruktur offengelegt.

  4. Cèline Kever setzt mit diesem Rücktritt ein mutiges und starkes Zeichen. Aus genau diesen Gründen entscheiden sich viele Bürger, die sich für Politik interessieren, gegen einen Eintritt in eine Partei. Wenn man am Ende von langen Diskussionen trotzdem die Parteilinie vertreten muss, birgt das für das einzelne Mitglied Frust, wenn man anderer Meinung als der „Chef“ war. Natürlich ist Parteipolitik auch ein Dilemma. Nach Außen hin muss die Partei Stärke und Entschlossenheit zeigen, aber nicht alle Beteiligten gehen nach der Abstimmung mit einem guten Gefühl nach Hause. Ich zeige Hochachtung für alle Bürger, die sich das antun. Denn der Lohn ihrer Arbeit mündet nicht selten in Hohn und Spott bei dem immer gleichen Teil der Gesellschaft.

    • Pensionierter Bauer

      @Logisch, wenn am Ende einer Diskussion die Parteilinie jenes ist, was am Ende der Diskussion für den größtenteil der Diskussionsteilnehmer als tragbarer Kompromiss angesehen wird, dann ist es auf jeden Fall in Ordnung, dass die Parlamentsvertreter diesen uneingeschränkt vertreten und auch verteidigen. Wenn man aber die Parteibasis vor sich hin Diskutieren und Streiten läßt, danach aber die Parlamentsvertreter nur den Willen der Parteioberen durchsetzen läßt, dann wird der Parlamentarismus zur Pseudodemokratie herabgesetzt und da tun die Parlamentarier gut daran sich dem entgegenzustellen.

  5. Was soft vergessen wird, ein Abgeordneter ist per Definition keiner Anweisung Dritter unterworfen, er ist völlig frei in seinem Abstimmungsverhalten. Das ist der Kern der parlamentarischen repräsentativen Demokratie. Ich weiß das ist Theorie, die Praxis sieht oft anders aus, aber diese „Fraktionsdisziplin“ ist das genaue Gegenteil des o.g. Grundprinzips. Dass man bis zu einem gewissen Maße innerparteiliche Kompromisse mit trägt ist ja OK, aber sich zum blöden Stimmvieh degradieren lassen welches alles abnickt was vom Parteichef kommt, das ist die Perversion einer parlamentarischen Demokratie. Warum sollte ein KHL einen Kompromiss suchen wenn widerspenstige Leute ansonsten höchstens gehen und Platz für den nächsten Abnicker machen? Irgendwann muss ein Abgeordneter sich fragen warum er gewählt wurde; nur weil er auf einer Liste stand? Ober weil Menschen in ihm jemand sahen der gemeinsame Werte vertritt. Und dann muss man sich entscheiden und vielleicht nicht weglaufen….

    • Klasse! Volle Zustimmung! Wenn es mehr solcher mutigen Abgeordneten geben würde, dann sähe ich noch Hoffnung für unsere Demokratie. Die ist in Belgien leider zu einer Partikratie verkommen, die jedes Mitmachen eigentlich schon im Keim erstickt, da nur die Parteipräsidenten die wirkliche Macht besitzen…

    • Krisenmanagement

      @Dax Sehr gut geschrieben. Es liegt sehr wahrscheinlich auch an der falschen Einstellung der Abgeordneten. Frau Kever schiebt ihre sozialdemokratischen Werte vor. Ostbelgien ist kein Vorbild in Sachen Demokratie.

  6. Danke Herr Cremer !

    Hoffentlich liest Genosse Servaty diesen Zwischenruf.
    Seit Jahren ist er wichtigtuend hinter KHL her gekrochen.
    Nie ein kritisches Wörtchen, nicht einmal eine Nuance.
    Ein politischer Lakai. Für Sozialdemokraten blamabel.
    Der smarte Antonios kuscht etwas charmanter…Vom
    Mut eines Theodorakis keine Spur.
    Alle haben sie den aufrechten Edmund Stoffels gehen lassen.
    Ein Offener Brief an den intriganten roten Baron mit der Peitsche hätte
    gereicht, von einem Sonderparteitag ganz zu schweigen.

  7. Die SP ist sowieso eine Partei auf absteigendem Ast. Keine anziehenden Personen dabei, ausserdem eine Partei welche unser Land seit Jahren in vielen Bereichen sehr schlecht regiert hat. Der beste Beweis, der noch immer stagnierende und mehr schlecht als Recht und präsenter Zustand der Wallonie. Eine Partei in der ausserdem viele zweifelhafte Gestalten unterwegs waren, u a mit vielen Nebenjobs usw.

  8. Hoffentlich verschwinden Lambertz und der Rest der „sozi“ Truppe bei den kommenden Wahlen im nirgendwo. Auch wenn der (viel zu späte) Abgang Lambertz feststeht, so eine schöne Niederlage für ihn zum Abschluss wäre doch nett

      • Walter Keutgen

        Toll, rechtlich gesehen wird niemand „abgewählt“, wir sind doch nicht in der DDR. „Abgewählt“ wurde Karl-Heinz Lambertz trotz über 3.000 Vorzugsstimmen 2014, weil die ProDG-Liste fast 300 Stimmen mehr hatte als die der SP. Logischerweise hat man ihm dann einen „Elder-Statesman“-Job gegeben und ihn 2019 auf einen ungünstigen Listenplatz gesetzt, wo er wie erwartet – das ist bei allen Parteien so – auch weniger Vorzugsstimmen bekommen hat. Davon abgesehen ist es praktisch für Ostbelgien nützlich, Politiker mit guten Verbindungen in Brüssel zu haben.

  9. Marcel Scholzen eimerscheid

    Der Rücktritt von Frau Kever sollte doch zum Nachdenken anregen.

    Die Sp, eine Partei, die sich Richtung Bedeutungslosigkeit bewegt, ekelt dringend benötigten Nachwuchs heraus. Wundert mich, dass die sich das leisten können. Ergebnis wird sein, dass die Rekrutierung von neuen schwieriger wird. Leere Listenplatze werden die Konsequenz sein in 2024.

    Ich bin froh, in keiner Partei mehr zu sein. Für mich als Handwerker bringt das nichts, außer Ärger und Frust.

    Alle Parteien müssen jetzt mal in den Spiegel schauen und sich fragen, was so alles falsch gelaufen ist.

  10. Krisenmanagement

    Der Wähler wurde mal wieder betrogen. Warum schwieg Frau Cever so lange? Ich verstehe das nicht. Frau Cever hat doch sehr kompetent angefangen. Aber plötzlich mit Beginn der Corona Krise wurde sie mundtot gemacht. Wie ist das eigentlich mit dem Fraktionszwang? Sollten die Abgeordneten nicht ihrem Gewissen folgen? Warum sind viele Abstimmungen im DG Parlament nicht alle geheim? Abstimmungen mit Handzeichen hindern manchen Abgeordneten nicht seinem Gewissen zu folgen. Meiner Ansicht nach hat die DG-Regierung nicht viel mit Demokratie am Hut. Es geht einzig alleine um den Machterhalt des Konstruktes Paasch, Antoniades und Weykmans. Also warum ist Frau Cever nicht im Parlament geblieben? Ich stelle mal die These auf, dass die Psychologin ihre Praxis behalten wollte. Falls sie dann als parteilose Abgeordnete bliebe, könnte ihr der amtierende Gesundheitsminister der DG Schwierigkeiten bereiten. (Es handelt sich nur um eine Theorie).

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