Politik

Spitzenkandidat Antonios Antoniadis im Interview: „Die Welt ist im Wandel – und das gilt auch für die SP“

Minister Antonios Antoniadis als Zuschauer beim Eupener Osterlauf. Foto: Patrick von Staufenberg

Antonios Antoniadis ist zum zweiten Mal der Spitzenkandidat der SP bei der PDG-Wahl. Im Mai 2019 hatte der heute 39-Jährige, der seit 2014 als Minister Mitglied der DG-Regierung ist, ein beachtliches persönliches Ergebnis erzielt, das es den ostbelgischen Sozialisten und Sozialdemokraten ermöglichte, ihre vier Sitze im Parlament der DG zu halten.

Was er von der Wahl an diesem Sonntag erhofft oder erwartet, berichtet Antoniadis, Minister für Gesundheit und Soziales, der inzwischen auch für den Bereich Raumordnung zuständig ist, im folgenden Gespräch mit „Ostbelgien Direkt“.

OD: Antonios Antoniadis, wie hat Ihnen die Wahldebatte am Mittwoch im Triangel gefallen?

Antonios Antoniadis: Ich denke, dass alle Spitzenkandidaten sich gut geschlagen haben. Wir haben allerdings nur drei Themen besprochen. Pflege, Raumordnung, Wohnen oder Kinderbetreuung kamen nicht zur Sprache. Stattdessen haben wir uns im Themenblock „Bildungspolitik“ die Hälfte der Zeit mit dem Handyverbot beschäftigt. Sicherlich ein wichtiges Thema, aber eine Nische, wenn es um den Bereich geht, der ein Drittel des DG-Haushaltes ausmacht und die Zukunft unserer Kinder betrifft.

Vorstellung der Kandidaten der SP Ostbelgien. Foto: SP

Einen faden Beigeschmack hatte die Abstimmung zum Abschluss der Debatte. Die mehrheitlich anwesenden Parteimitglieder und Kandidaten sollten mit dem Smartphone wählen, wer sich am besten präsentiert hat. Wer die meisten Anhänger vor Ort und keine Internetprobleme hatte, war im Vorteil.

OD: Ein ziemlich müder Wahlkampf liegt hinter uns. Wie ist diese allgemeine Zurückhaltung zu erklären? Will man keinen potenziellen Koalitionspartner vergraulen? Oder geht es der DG einfach zu gut?

Antoniadis: Wir leben in einer Region, wo laut Umfragen die Menschen mehrheitlich zufrieden sind. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz aller Kraftanstrengungen es in einer ständig wandelnden Welt viele alte und neue Herausforderungen gibt. Es wird immer schwieriger, sich Wohneigentum zu leisten. Anfragen auf Pflege oder Kinderbetreuung können nicht sofort beantwortet werden. Unternehmen suchen Fachkräfte und unabhängige Untersuchungen zum Bildungssystem werfen ernstzunehmende Fragen auf. Darauf müssen wir Antworten geben. Ich fand, dass in dieser Kampagne zu wenig über Inhalte gestritten wurde. Ging es nur darum, keinen Koalitionspartner zu vergraulen, wie Sie sagen, oder gibt es zu wenig alternative Wege zur Lösungsfindung als die der aktuellen Regierungsparteien?

OD: Bei der PDG-Wahl 2019 hat die SP den vierten Sitz knapp halten können. Müssen Sie nicht davon ausgehen, dass der vierte Sitz diesmal wohl verloren geht?

DG-Minister Antonios Antoniadis auf der Pressekonferenz zum ersten Geburtstag des DG-Energieprämiensystems. Foto: Kabinett Antoniadis

Antoniadis: Ich kämpfe um jede Stimme, weil ich weiterhin Politik machen und konkrete Projekte umsetzen möchte, für die kleinen Leute und die Mittelschicht, für die Normalverdiener und die Ruheständler, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Das ist der Grund, wieso man mich und die SP wählen soll, und warum ich ein starkes Mandat des Wählers brauche. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Mittelschicht verarmt, bevor wir Unterstützungsangebote schaffen. Deshalb haben wir beim Kindergeld, beim Pflegegeld, bei den Energieprämien und auch bei der Ausbildungsbeihilfe DuO die Bürokratie abgebaut und die Unterstützung ausgebaut.

OD: Mit anderen Worten, Sie sind zufrieden mit Ihrer Leistungsbilanz?

Antoniadis: Ich habe innerhalb der Regierung fast die gesamte 6. Staatsreform verantworten dürfen, darunter die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren, das Kindergeld, die Krankenhausbaufinanzierung, und die Reformen in der Raumordnung, der Energie und dem Wohnungsbau. Wichtige Dinge haben wir in der Zeit umgesetzt, wie zum Beispiel die Verkürzung der Fristen für Baugenehmigungen und die Reform der Kriterien für die Sozialwohnungen, damit eine größere Durchmischung erfolgt und künftig mehr Menschen aus der Region und in Arbeit berücksichtigt werden. Parallel haben wir viele Krisen bewältigen müssen. Ich hoffe, dass die Bevölkerung unsere Leistung in der Wahlkabine am Sonntag berücksichtigen wird.

OD: Nach 40 Jahren ist Karl-Heinz Lambertz nicht mehr auf der SP-Liste: Haben Sie ihn vermisst?

Antoniadis: Zu Karl-Heinz Lambertz pflege ich nach wie vor gute Beziehungen. Er hat uns in dieser Kampagne mit seinem Wissen unterstützt.

OD: Inwieweit haben wir es heute mit einer anderen SP zu tun?

SP-Spitzenkandidat Antonios Antoniadis (l) mit Vivant-Spitzenkandidat Michael Balter (r) bei der Podiumsdiskussion des Wirtschaft- und Sozialrates (WSR) am 18. April im Eupener Jünglingshaus. „Ich glaube nicht, dass Vivant die Regierungsbeteiligung ernst meint“, behauptet Antoniadis. Foto: Patrick von Staufenberg

Antoniadis: Die Welt ist im Wandel – und das gilt auch für die SP. Wir haben sehr viele neue Gesichter auf der Liste. Ich habe Wert darauf gelegt, eine Liste mit Kandidaten aus der Mitte der Gesellschaft zu präsentieren, die in vielfacher Hinsicht sehr engagiert sind. Ob beruflich, in der Familie oder im Ehrenamt. Ich sage immer, wir haben keine Direktoren- und Funktionäre-Liste, sondern eine „Volksliste“. Auch inhaltlich haben wir unser Profil in den letzten Jahren geschärft. Zudem setze ich auf eine größere Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Am Programm haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, Vertreter der Zivilgesellschaft und verschiedene Berufsgruppen sowie Vertreter von Vereinen gearbeitet.

OD: Bedauern Sie es, dass Ministerpräsident Oliver Paasch im Gegensatz zu 2019 nicht mehr die Fortsetzung der bisherigen Dreierkoalition von ProDG, SP und PFF ausdrücklich befürwortet?

Antoniadis: Die drei Koalitionspartner haben festgehalten, dass sie dieses Mal keine Koalitionsaussagen vor der Wahl treffen werden. Mein Kollege ist nicht der Urheber dieser Aussage. Er war vielleicht nur schneller in der Kommunikation. Man muss an dieser Stelle mitteilen, dass eine ausdrückliche Koalitionsaussage eher die Ausnahme als die Regel ist. Wir haben als Mehrheit gut zusammengearbeitet.

OD: Gab es auch Meinungsverschiedenheiten in der Regierungskoalition?

Antoniadis: Wir haben mögliche Differenzen immer intern geklärt und nicht in aller Öffentlichkeit wie die Kesselflicker gestritten. Ich muss auch sagen, dass die Koalition mir persönlich als Minister in vielen Ressorts die Beinfreiheit gegeben hat, zu gestalten. In den letzten fünf Jahren haben wir innerhalb der Koalition in vielen Bereichen den Projekten unsere SP-Handschrift verpasst, wobei ich unterstreichen möchte, dass die Mehrheit alle Vorhaben mitgetragen hat und somit mitverantwortlich für den Erfolg ist. Deshalb wundert es mich nicht, dass viele Projekte aus meiner Leistungsbilanz in so mancher Broschüre der Koalitionspartner auftaucht. Die SP war auch am Glasfaserausbau, an der Aufwertung der Kinderbetreuung oder die Investitionen in Schulen beteiligt.

OD: Schließen Sie eine bestimmte Koalition aus, zum Beispiel eine, an der Vivant beteiligt wäre?

Die Kandidaten der SP Ostbelgien für die Wahlen vom 9. Juni beim Gruppenfoto. Auf dem Bild fehlen die Kandidaten Marco Brüls und Kim Rauw. Foto: SP

Antoniadis: Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Koalitionen aus der Mitte der Gesellschaft heraus gebildet werden müssen und nicht von den Rändern. Wir müssen schließlich Ostbelgien in der Mitte zusammenhalten. Dafür brauchen wir Politiker, die verbinden, anstatt zu trennen. Ich glaube nicht, dass Vivant die Regierungsbeteiligung ernst meint. Es fehlt an Verlässlichkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Programm und Erfahrung. Man muss starke Nerven haben und Probleme nicht nur beschreiben, sondern auch lösen. Es nützt nichts, die Situation in Brüssel, in Europa oder in der Welt zu kritisieren, aber keinen nennenswerten Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen hier vor Ort im Rahmen unserer Zuständigkeiten zu leisten.

OD: Ihr Tipp für die PDG-Wahl am Sonntag?

Antoniadis: Ich rechne mit einem soliden Ergebnis für mich und die SP, um gestärkt in Koalitionsgespräche einzusteigen. Bei diesen Verhandlungen muss es zuerst um die Zukunft unserer Gemeinschaft in den relevanten Fragen der Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Pflege sowie bezahlbares Bauen gehen, eh man Ämter verteilt und nicht umgekehrt. Zudem brauchen wir Parteien in der Mehrheit, die gute Beziehungen nach Namur und Brüssel pflegen, die nachhaltig bestehen – sprich strukturelle Beziehungen zu den Parteien und nicht nur zu einzelnen Ministerkollegen, die nach der Wahl vielleicht nicht mehr im Amt sind. Diese nachhaltigen Beziehungen können wir als SP vorweisen. (cre)

26 Antworten auf “Spitzenkandidat Antonios Antoniadis im Interview: „Die Welt ist im Wandel – und das gilt auch für die SP“”

  1. Man muss sich schon bewusst sein dass eine Stimme für die SP eine Stimme für die PS ist und also:
    – Legalisierung von zigtausen Illegalen in Belgien (und Abwanderung in die Sozialhilfe)
    – Legalisierung von Kanabis
    – Abtreibung nach 18 Wochen (Zerstückelung im Mutterleib)
    – weitere Staatsverschuldung bei höheren Steuern (siehe bankrotte Wallonie und Brüssel)
    – usw usw
    Na dann wählt mal schön, aber wundert euch nicht.

  2. Punkt 12

    Gesagt – Getan, ich glaube das Antonius in der letzten Legislaturperiode am meisten erkämpft hat mit dem sich heute ,und besonders der Ministerpräsident in seinen Wahlbroschüren schmückt.
    Antonius ich und viele andere halten die Daumen.
    Wir wählen Antonius Antoniadis

  3. ….
    Antoniadis: Zu Karl-Heinz Lambertz pflege ich nach wie vor gute Beziehungen. Er hat uns in dieser Kampagne mit seinem Wissen unterstützt.
    ….
    /////
    Hört sich an wie jemand der nach der Scheidung über sein(e) Ex spricht, eine „Liebeserklärung“ ist es nicht….

    • Unlogisch

      Entscheidungen von Herrn Antoniadis im Pflegebereich beinhalten auch den Plan Krankenpfleger in Indien anzuwerben und in den Ostbelgischen Krankenhäusern einzusetzen.
      Da fragt man sich, wie es einem älteren Patienten ergehen wird, der einem Pfleger ausgesetzt ist, der kaum Deutsch oder Französisch spricht und der in keinster Weise die europäischen Normen oder die Mentalität der hiesigen Bevölkerung kennt.
      Schon jetzt sind viele Patienten zu bedauern, wenn sie mitten in der Nacht klingeln und mit der einzigen, französich sprechenden Nachtschwester zu tun haben.
      Da sind so manche Probleme vorprogrammiert.
      Wenn Antoniadis es ernst meinte, hätte er schon längst die Aufwertung des Pflegeberufes vorangetrieben in dem er zB eine Prämie zahlen würde, für alle Angestellten in den Krankenhäusern, die Deutsch und Französisch sprechen. Ich bin sicher, dass so mancher Mitarbeiter schneller die zweite ortsübliche Sprache lernen würden wenn ein Anreitz sie motiviren würde.

  4. Paasch nicht allein zu Haus

    KHL hat seine vereinsamenden Genossen „mit seinem Wissen unterstützt“.
    Vielleicht schafft er das auch noch „zeitnah“ in der Betrugsaffäre oder stammt der Schwindel aus dem Ressort des Sozi „mit dem menschlichen Gesicht“ ?

    Dieser abgewirtschafteten Regierung bleibt noch ein Tag für eine ehrliche Presse-Erklärung. Falls nicht, darf die Wählerschaft Sonntag kräftig auf den Sack schlagen, sie trifft immer den richtigen !

    Dann wird es heissen: „Herr Ministerpräsident, erweisen Sie Ostbelgien einen letzten Dienst und gehen Sie ins Sprechzimmer der Staatsanwältin“.

  5. OD, die letzte Instanz

    Heute verlautete, es gebe im Subsidienskandal „noch keine Haftbefehle“.
    Ob das wohl etwas mit „politischer Immunität“ zu tun hat?

    Kaum auszudenken: Sonntag sitzt ein Regierungsmitglied im Knast… Rosen für die Staatsanwältin…

    OD hat das letzte Wort. BRF und GE bleiben im wahrten Sinne des Begriffs „staatstragend“. Wenn es sein muss, wie dieses Wochenende, bis zur Verrenkung.

  6. Lagerwahlkampf

    Die SP als Partei die aus der Arbeiterbewegung hervorging und im linken politischem Spektrum angesiedelt ist bietet viel zu wenig, das was in ihrem Programm steht das findet sich genauso oder so ähnlich in den Programmen der Konservativen oder gar bei den Liberalen. Die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften brauchen aber eine starke politische Stimme auch in der DG für mehr soziale Gerechtigkeit. Die Börsen feiern ein Jubelfest nach dem anderen aber unten kommt zu wenig an. Dabei sind es die von unten die alles erst erarbeitet haben.

  7. Banalitäten, Banalitäten

    Es ist einfach unfassbar was sie alle von sich geben… Diese Banalitäten, diese nichtssagenden „Statements“… Umso höher die Posten in Europa und den USA, umso inhaltsloser wird es. Jedes Land im Westen braucht seinen Orban! Zu spät, die Wand und dann der Abgrund sind unausweichlich.
    Wir haben es verdient, wir lassen alles mit uns machen, aus Bequemlichkeiten, aus purer materieller Verkommenheit!

  8. Ramona Rammel- Haaperscheidt

    Herr Antoniadis ist meines Wissens der einzige Politiker, der sich auch für die LBQTP+ Gemeinde einsetzt. Wie heißt auch noch mal der junge Mann, der immer so tolle Sachen mit ihm organisiert

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