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Premier De Wever (N-VA) trägt den Senat zu Grabe – Seit 2014 nur noch „eine Art Beschäftigungstherapie“

Die purpurroten Sessel des Senats vermitteln dem Parlament eine Bedeutung, die es seit 2014 aber nicht mehr hat. Foto: Belga

Nach Meinung von Bart De Wever (N-VA) spielt der Senat „keine relevante Rolle mehr in unserem politischen System“ und muss daher „endgültig der Vergangenheit angehören“.

Das sagte der Premierminister am Montag im Ausschuss für institutionelle Angelegenheiten des Senats, wo ein erster Schritt zur möglichen Abschaffung der zweiten Kammer des Parlaments unternommen wurde. Zu einer Abstimmung kam es aber noch nicht.

Der Ausschuss für institutionelle Angelegenheiten des Senats befasste sich am Montagnachmittag erstmals mit einem Vorschlag zur Änderung von Artikel 195 der Verfassung, der von den fünf „Arizona“-Parteien (N-VA, MR, Vooruit, Les Engagés und CD&V) und der Open Vld vorgelegt wurde.

Dies war der erste Schritt zur Abschaffung des Senats vor den kommenden Parlamentswwahlen. De Wever begab sich zu diesem Anlass selbst in den Senat und nahm kein Blatt vor den Mund.

Die purpurroten Sessel des Senats vermitteln dem Parlament eine Bedeutung, die es seit 2014 aber nicht mehr hat. Foto: Shutterstock

Der Premier versäumte es nicht, die Geschichte des derzeitigen Zweikammersystems zu erläutern, das seinen Ursprung im Jahr 1815, also noch vor der Unabhängigkeit Belgiens, hat. Seit 2014, nachdem die sechste Staatsreform die Befugnisse des Senats weiter eingeschränkt hatte, sei diese Rolle „fast ausschließlich konstitutioneller Natur“.

De Wever war offenbar der einzige in der Kommission, der noch direkt zum Senator gewählt worden war, als dies 2010 noch möglich war. „Obwohl der Senat zweifellos seine Rolle bei der Umwandlung Einheitsstaates in einen föderalen Staat gespielt hat, müssen wir anerkennen, dass der Senat als Institution seinen demokratischen Nutzen nicht mehr unter Beweis stellt”, so De Wever. „Die Aushöhlung der Befugnisse zwingt den Senat zu einer Art Beschäftigungstherapie.“

Der Premierminister, der sich seiner harten Worte bewusst war, zitierte daraufhin eine kreative Version einer Grabrede, die Marcus Antonius für Julius Caesar in einem Stück von William Shakespeare hielt. „Ich bin nicht gekommen, um den Senat zu loben, sondern um ihn zu begraben“, so De Wever.

Seiner Meinung nach hätte der Senat als Beratungsgremium zwischen den Teilstaaten einen „zweiten Atem“ finden müssen, aber das sei „nie wirklich Realität geworden“. Der Senat habe es nicht geschafft, sich zu einer Institution zu entwickeln, die Frieden stiften könne, sagte De Wever. Für De Wever ist die Kammer in der Praxis ohnehin schon ein „Spiegelbild der verschiedenen Teilstaaten des Landes”.

Senatorin Liesa Scholzen (ProDG) bei ihrer Eidesleistung am 18. Juli 2024 im Senat. Foto: Belga

„Die Beibehaltung einer Institution, die ihre Daseinsberechtigung verloren hat, würde nur zu neuer Verwirrung und unnötiger Komplexität führen. Wir müssen die institutionelle Realität akzeptieren. Diese Institution spielt in unserem politischen System keine relevante Rolle mehr und muss daher endgültig der Vergangenheit angehören.”

De Wever schilderte das (komplexe) Verfahren zur Abschaffung des Senats. So müssen eine Reihe von Verfassungsartikeln geändert werden. Die meisten davon wurden am Ende der letzten Legislaturperiode in die Liste der zur Revision erklärten Verfassungsartikel aufgenommen, die von der Kammer, dem Senat und der Föderalregierung gebilligt wurde. Allerdings fehlten fünf Verfassungsartikel.

Deshalb wird nun in Artikel 195, der das Verfahren zur Revision der Verfassung festlegt und auf der Liste der zu revidierenden Verfassungsartikel steht, eine Übergangsbestimmung hinzugefügt, um die Abschaffung des Senats vollständig zu realisieren.

Nachdem die verschiedenen Parteien am Montagnachmittag im Ausschuss für institutionelle Angelegenheiten das Wort ergriffen hatten, kam es noch nicht zu einer Abstimmung über den Vorschlag zur Änderung von Artikel 195.

Der Weg zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Abschaffung ist schwierig: Innerhalb der Mehrheit gibt es große Unterschiede in der Begeisterung für die Abschaffung.

Der Palast der Nation in Brüssel, Sitz der Abgeordnetenkammer und des Senats. Foto: Shutterstock

Die ostbelgische Senatorin Liesa Scholzen (ProDG) wies auf die Notwendigkeit einer garantierten Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf föderaler Ebene hin, wie sie derzeit durch den Senat gewährleistet werde.

Auch ist für eine Änderung der Verfassung die Unterstützung der PS notwendig, da die Regierung nicht auf die Stimmen der extremen Linken und Rechten zählen will. Die französischsprachigen Sozialisten unterstützen die Abschaffung, kritisierten jedoch den „abwertenden“ Ton des Premierministers: „ein völliger Mangel an Wertschätzung“. Die PS-Senatorin Anne Lambelin forderte außerdem Anhörungen von Experten. Die sei „eine nicht verhandelbare Bedingung für unsere Unterstützung”.

Es wurde beschlossen, die Debatte bei einer nächsten Sitzung fortzusetzen, erneut in Anwesenheit des Premierministers. Dabei sollen auch Änderungsanträge zum Vorschlag behandelt werden.

Wenn der Ausschuss schließlich zur Abstimmung übergeht, muss sich in einem nächsten Schritt auch der gesamte Senat dazu äußern, woraufhin das gesamte Verfahren in der Kammer wiederholt wird. Auch für die anderen Verfassungsartikel muss dieses Verfahren noch durchlaufen werden, bevor der Senat 2029 der Vergangenheit angehören könnte und diese Institution tatsächlich zu Grabe getragen wird. (cre)

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