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Luxemburg macht als erstes Land Bahn und Bus kostenlos

21.01.2019, Luxemburg: Personen steigen im Bankenviertel Kirchberg in Luxemburg aus der Tram. Seit dem 29. Februar 2020 können Bus- und Zugfahrten im Großherzogtum kostenlos genutzt werden. Foto: Harald Tittel/dpa

Mehr Wachstum, mehr Menschen, mehr Verkehr: Das kleine Luxemburg arbeitet an einer großen Verkehrswende. In Kürze können Menschen dort schon mal kostenlos Bus und Bahn fahren.

Im neuen Jahr gibt es in Luxemburg ein Geschenk: Genau 61 Tage nach dem Jahreswechsel wird der öffentliche Personennahverkehr im gesamten Großherzogtum kostenlos.

Vom 1. März 2020 an ist Luxemburg das erste Land der Welt, in dem man für Busse und Bahnen keine Fahrkarten mehr braucht. Nur die 1. Klasse der Bahn bleibt kostenpflichtig. Fahrkartenschalter werden geschlossen, Kontrolleure bekommen neue Service-Aufgaben.

Ein Zug passiert eine Brücke in Luxemburg-Stadt. Foto: Shutterstock

“Das steht uns einfach gut zu Gesicht und trägt enorm zum Image und zur Attraktivität Luxemburgs bei“, sagt der liberale Premierminister Xavier Bettel zum Gratis-Nahverkehr.

Die freie Fahrt im zweitkleinsten EU-Land mit gut 600.000 Einwohnern und 2.586 Quadratkilometern Fläche ist aber nur der besonders öffentlichkeitswirksame Teil eines größeren Bemühens um eine Verkehrswende. Denn Luxemburg platzt aus allen Nähten.

Großes Wirtschaftswachstum schafft auch Probleme – nicht nur auf einem völlig überhitzten Immobilien- und Wohnungsmarkt, der viele Bürger auf der Suche nach einem bezahlbaren Obdach über die Landesgrenzen hinaus in die Nachbarländer treibt.

In 20 Jahren hat die Bevölkerung um gut ein Drittel zugenommen, die Hälfte der Bürger sind Ausländer. Zusätzlich pendeln noch rund 200.000 Menschen aus Frankreich, Belgien und Deutschland täglich zur Arbeit nach Luxemburg: Ein Anstieg um 140 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. Morgens und abends herrscht Stau allerorten. Grenzenlos.

Sahnehäubchen auf einer multimodalen Verkehrsstrategie

Mobilitätsminister François Bausch von den Luxemburger Grünen hat wiederholt gesagt, er erwarte nicht, dass alleine wegen der Kostenfreiheit viele Autofahrer auf den öffentlichen Verkehr umsteigen werden. Die Kostenfreiheit sei ein „Sahnehäubchen auf einer umfassenden multimodalen Verkehrsstrategie“ – die den Nahverkehr so attraktiv machen will, dass die Menschen das ÖPNV-Angebot auch zuverlässig nutzen können.

21.01.2019, Luxemburg: Die Tram fährt im Bankenviertel Kirchberg in Luxemburg. Vom 1. März 2020 an ist Luxemburg das erste Land der Welt, in dem man für Busse und Bahnen keine Fahrkarten mehr braucht. Foto: Harald Tittel/dpa

Da der Steuerzahler des vergleichsweise reichen Großherzogtums schon bisher 90 Prozent der Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel in Höhe von 491 Millionen Euro getragen hatte, bedeutet der komplette Gratis-Verzicht „nur“ noch Mehrausgaben des Staates in Höhe von 41 Millionen Euro.

Seit sich die von Premier Bettel geführte Dreierkoalition mit Grünen und Sozialdemokraten für ein neues, nachhaltiges Verkehrskonzept namens „Modu 2.0“ entschieden hat, nimmt sie viel Geld in die Hand. Die Investitionen in die Mobilität steigen laut Plan von 501 Millionen Euro in 2018 auf 806 Millionen Euro im Jahr 2021. Die Hauptstadt – auf, neben und unter zerklüfteten Felsen gelegen – wird immer mehr mit einer hochmodernen Straßenbahn erschlossen. Im engen Stadtzentrum funktioniert sie ohne Oberleitung mit Batterie.

Neue Parkplätze und Bahnen sollen die Autopendler aus Lothringen, der Wallonie, dem Saarland und der Region Trier vor Erreichen der Stadt abfangen und auf Schienen schnell zur Arbeit bringen. Die Zahl der Park-and-Ride-Parkplätze wird laut Plan bis 2025 verdoppelt. Eigene Pendlerspuren werden gebaut, um Autos mit mindestens drei Insassen schneller vorankommen zu lassen. Derzeit seien täglich 250.000 unbesetzte Autositze in die Stadt unterwegs, bedauert Bausch.

Radwegenetz wird auf 1.100 Kilometer fast verdoppelt

In den kommenden fünf Jahren soll „Modu 2.0“ trotz einer erwarteten Zunahme der Berufspendler um 20 Prozent die Staus entschärfen. 22 statt bisher 19 Prozent sollen dann Bahnen und Busse benutzen.

Bisher sind 61 Prozent der Berufstätigen alleine im Auto unterwegs – 2025 sollen es nur noch 46 Prozent sein. Für die Berufspendler gibt es übrigens auch einen Vorteil: Bahn- und Busfahrkarten nach Luxemburg werden spürbar billiger.

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel (2.v.r., hier mit DG-Ministerpräsident Oliver Paasch, im November 2014). Foto: Kabinett Paasch

Zudem wird das Radwegenetz auf 1.100 Kilometer fast verdoppelt. Zwischen den beiden größten Städten Luxemburg und Esch-sur-Alzette entsteht ein 28 Kilometer lange Radschnellweg mit der angeblich längsten Radwegbrücke Europas (1,2 Kilometer).

Und auch das Busnetz soll reorganisiert werden, eine Schnell-Straßenbahn mit Spitzentempo 100 km/h wird bis 2035 als Verbindung der Ballungszentren Luxemburg und Esch angepeilt.

Trotz aller Verbesserungen – die neue Verkehrsstrategie ist nicht unumstritten. Luxemburg betreibe nach wie vor eine „ganz stark Auto-orientierte Verkehrspolitik“, sagt Verkehrsexperte und Stadtplaner Heiner Monheim in Trier. Vor allem das bessere Park-and-Ride-Angebot sieht er kritisch. „Das hilft dem öffentlichen Verkehr eigentlich nichts.“

Besser seien „minimaler Autoverkehr und maximaler öffentlicher Verkehr.“ Dazu bräuchte es bei der Bahn aber deutlich mehr Haltepunkte. Er gehe da von 50 bis 60 neuen Stopps aus: „dass aus dem Schienennetz etwas S-Bahn-ähnliches wird“. Sinnvoll seien auch 70 bis 80 Leihrad-Stationen in Luxemburg, um den Fahrradverkehr zu pushen. „Ein Tarifexperiment verändert noch nicht die Verkehrswelt als Ganzes“, sagt der Experte. (dpa)

35 Antworten auf “Luxemburg macht als erstes Land Bahn und Bus kostenlos”

  1. Pensionierter Bauer

    Fragt sich nur, mit welchen Geldern das kleine Luxemburg sich das leisten kann?
    War da nicht mal ein Skandal mit Großkonzernen?
    Auch finde ich es nicht normal, dass die EU es zulässt, dass mitten in ihr ein Mitgliedsstaat auf Kosten der Nachbarstaaten sich durch eine Niedrigsteuerpolitik die Gelder der Nachbarn aneignet.
    Der luxemburgische Staat ist nicht mein Freund.

    • Leisten kann man sich die 42 Millionen per annum, wenn man mit Steuergeldern vorsichtig umgeht.

      Skandale und Steuerskandale gibt es in BE (interêts notionnels, rulings), DE (Aufbau-Ost-Immobilien, Cum-Ex) und FR zu Hauf. Wenn Sie die Internetkonzerne meinen, sollten Sie mit Ihrer mutigen aber unterqualifizierten Aussage beachten, das es keine umsatzbezogene Besteuerung dieser Konzerne gab. Ergo wurde sich nicht Steuergeld der Nachbarn angeeignet.

      200.000 Grenzgänger betrachten den Luxemburgischen Staat und das wirtschaftliche Umfeld als so freundlich, dass sie sich jeden Tag dahin auf den Weg machen. Mehr als 300.000 Nicht-Luxemburger haben sich aus den gleichen Gründen – trotz wesentlich höherer Lebenshaltungskosten – gleich dort niedergelassen.

  2. Sehr gut gemacht, denn nur so ist die Verkehrswende möglich. Ich bin gespannt, wie sich diese Maßnahme auf die Umwelt, die Menschen und die Wirtschaft in Luxemburg auswirkt. Angesichts des rasanten Klimawandels sind solche radiokalen Schritte notwendig.

    • Ein klardenkender Bürger

      Bürger ll , warum kommen immer mehr Steuern oben drauf ? Weil hier immer mehr Profitören und Schleimern am Werke sind , die unseren maroden Staat und den Steuerzahler immer mehr abgezockt haben und noch tun . Ohne Rücksicht haben diese Völker sich an steuergeldern bereichert und obendrein noch alle Vorteile genossen , die es nur zu erhaschen gab . Das grauenhafte an dieser ganzen Sache ist , das diese Herrschaften sich bis zu dem heutigen Tage noch für etwas besonderes halten , aber weit gefehlt , der intelligente Bürger weiß ganz genau , wie er sich diesen Schleimern gegenüber zu verhalten hat .

      • karlh1berens

        Glauben Sie echt, die luxemburgischen Politiker würden weniger einsacken als die belgischen ?
        Das luxemburgische Modell funktioniert anders als Sie glauben zu wissen.
        Kollabieren wird’s aber genau so wie unseres – wahrscheinlich sogar vorher

        ( ͡° ͜ʖ ͡°)

        • Lassen wir den zweiten Teil deiner Prognose mal als tröstende Worte zum Jahresende stehen.
          Grundsätzlich gilt weiterhin: es geht mir nicht besser wenn es meinem Nachbarn schlechter als mir geht.

  3. Was meint ihr wohl wer die kosten tragen wird sind die mit den Autos Pkw Steuer und Spritt Preise teurer und mehr MwSt dann könnte és funktionieren…..!!!

    Wer soll die Löhne zahlen. Immer die Autó Fahrer und Steuerzahler. Aber ohne mich.

    • Ach Julietta, es klingt ganz schön wirr, was du da schreibst. Somst alles klar bei dir?

      Kattrin hat hier keine Zuständigkeit, aber Oliver, als Chef der Regierung und der Finanzen. Ich werde bei unserem nächsten Treffen mit ihm darüber sprechen. Vielleicht beim Neujahrsempfang.

  4. Friedrich Meyer

    Vielleicht ist das mit Bussen und Bahnen ein Ausgleich für die niedrigen Steuern auf Autos mit viel Hubraum und viel Dreckausstoß.

    Ich führe auch lieber mit einem 3 Liter – Auto in der Gegend herum ( und damit meine ich nicht den Verbrauch ), aber ich zahle meine Steuern darauf in Belgien.

  5. Bezahlt wodurch hörte ich? Ein Land das praktisch noch einmal soviel Arbeit bietet an Grenzgänger wie den eigenen einheimischen Erwerbstätigen kann sich das leisten. Wäre schön wenn wir das auch bei uns hätten aber solange das nix wird nimmt man halt weiter die N62.

    • Hirn Ein

      Die Rechnung ist einfach. Der Staat ist nicht abhängig von der Personensteuer. Das große Geld wird mit den wenigen Prozenten an Steuern gemacht, die solche Betriebe wie Amazon in Luxemburg abgeben müssen. Diese Unternhemen, Konzerne und vor allem die Banken wiegen um ein vielfaches schwerer als jede Personensteuer.

          • karlh1berens

            Dann muss ich wohl konkreter werden : Auch wenn sie nicht dem Gemeinwohl verpflichtet sind, bestreiten Amazon und Google und natürlich noch ein paar andere den luxemburgischen Haushalt aus der Portokase – leider zum Nachteil der Nachbarn.
            Obschon : Morgen krieg ich ein Stück vom Kuchen

            ( ͡° ͜ʖ ͡°)

            • Oh Kalle. Die Milliarde mit der Mehrwertsteuer war einmal.
              Auf die von der Kommission zugestandene Rückzahlung von 250 Mio wurde wie auch von Irland (13 Mia!) Einspruch eingelegt.
              Dann bleiben noch an die 800 Arbeitnehmer (eine indirekte Wohltat).
              Das Google Datenzenter steht auf dem Papier.

              Beim nächsten mal im Ratskeller müssen wir nicht über das Trampeltier diskutieren, geht auch mit ein paar Zahlen. LU stirbt nicht vor Hunger, doch über die Einnahmen des Ländchens sind noch viele Gerüchte und wenig Fakten im Umlauf.

      • Liebe Leute.
        Ganz einfach. Somit fördert man die öffentlichen Verkehrsmittel und senkt den Stau in den Innenstädten.
        Wer kann es denn nachahmen?
        Luxemburg ist und bleibt ein wirtschaftlich reiches und unantastbares Land welches über Mittel verfügt welches seines gleichen sucht. Enorm viele Ostbelgier schätzen das Land, es macht sie zu besserverdienenden und reichen Bürgern. Seien Sie alle nur neidisch, vergleichbares gab und wird es europaweit nicht geben. Bevor dort die Kassen leer sind spricht von Europa in finanzieller Sicht schon lange keiner mehr…. Was ist denn bitte Belgien im Verhältnis zu Luxemburg wirtschaftlich betrachtet…? Könnten alle Ostbelgier frei wählen und Luxemburger werden, wer würde verneinen oder zweifeln? Die DG wäre Geschichte.. . Als letztes denke man an die ostbelgischen Betriebe welche bisher noch keinen Sitz dort haben… Frohes neues Jahr allen.

      • Da war das Hirn wohl ausgeschaltet:
        – 20,3 Milliarden
        A) direkte Steuern 11,4 (56%)
        – davon wiederum Unternehmen 2,3 (sprich 11%), mit Vermögensteuer 0,7 hinzu (dann 15%)
        – auch mit der Gemeindesteuer oben drauf wird das nicht fetter
        – damit bleibt die grösste Einnahmequelle für direkte Steuern der Arbeitnehmer, Privatmann und Rentner (so an die 40%)
        B) indirekte Steuern 5,7 (33%)
        – davon TVA 4,1 (sprich 20% ) die letztendlich der Endverbraucher zahlt
        C) Zölle und Akzisen 1,8.

        Mit Sicherheit erlaubt es die Ansiedlung großer Firmen, die halbe Million Arbeitsplätze zu schaffen, die die grosse Steuerlast zahlen. Weder heute noch früher waren Banken die grossen Steuerzahler; Amazon hat ein paar hundert Leute in Luxemburg.

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