Politik

Mehrheitsparteien N-VA, Open VLD und MR wollen die Wahlpflicht in Belgien abschaffen

Ein Wahlbüro bei den Wahlen von Mai 2014 in Eupen. Foto: Gerd Comouth

In Belgien gibt es die Wahlpflicht seit 1893. Sie ist bis heute umstritten. Jetzt haben Abgeordnete der Mehrheitsparteien N-VA, Open VLD und MR die Absicht, die Totenglocken für die Wahlpflicht zu läuten. Zwar kann der diesbezügliche Verfassungsartikel frühestens in der nächsten Legislaturperiode geändert werden, es gibt aber die Perspektive einer Zwischenlösung.

Bei jeder Wahl wird in der Öffentlichkeit über Sinn und Unsinn der Wahlpflicht diskutiert.

Schon vor den Kommunalwahlen im Oktober 2012 hatte die damalige Justizministerin Annemie Turtelboom (Open VLD) angekündigt, dass die Wahlberechtigten, die sich nicht zur Wahl begeben würden, nichts zu befürchten hätten.

„Wahlschwänzer“ werden nicht verfolgt

Vor den Wahlen vom 25. Mai 2014 war die Situation ähnlich. Andrea Tilgenkamp, Prokuratorin des Königs in Eupen, erklärte damals: „Stellen Sie sich mal vor, wir würden jeden Wähler, der nicht erschienen ist, verfolgen. Dann hätten wir zu viel zu tun. Die Wähler werden nicht verfolgt, weil es der Staatsanwaltschaft mit dem Personal, über das sie verfügt, nicht möglich ist, sie zu verfolgen.”

Wahlrecht statt Wahlpflicht? Foto: Gerd Comouth

Wahlrecht statt Wahlpflicht? Foto: Gerd Comouth

“Selbst wenn es eine Verfolgung gäbe”, so Tilgenkamp weiter, “müssten die verfolgten Wähler, die das Bußgeld nicht sofort bezahlt haben, einzeln vernommen werden. Die von ihnen dann gemachten Aussagen müssten überprüft werden. Und falls sie dann immer noch nicht gezahlt haben, müssten sie vor Gericht geladen werden. Das ist mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einfach nicht möglich. Wir sprechen ja hier nicht von fünf Wählern, die nicht zur Wahl erscheinen.”

Es ist also de facto heute schon so, dass die Missachtung der Wahlpflicht für den Wahlberechtigten in der Regel ohne Folgen bleibt. De jure ist das aber anders – noch.

Übergangsregelung ohne Sanktionen

Da die Wahlpflicht von einem Verfassungsartikel verordnet wird, kann man diesen nur abändern, wenn er in der Legislaturperiode zuvor vom Parlament für abänderbar erklärt wurde. Dies war aber bisher nicht der Fall. Deshalb wäre die gesetzliche Abschaffung der Wahlpflicht erst nach den nächsten Föderalwahlen (im Prinzip 2019) möglich.

Die Befürworter der Abschaffung der Wahlpflicht denken jedoch an eine Übergangsregelung. Diese würde darin bestehen, dass die Wahlpflicht zwar erst in der kommenden Legislaturperiode aus der Verfassung gestrichen wird, jedoch die Sanktionen für diejenigen, die sie missachten, jetzt schon entfallen.

Damit wäre das eigentliche Ziel erreicht: Wahlrecht statt Wahlplicht Die Wahlbeteiligung würde in Belgien natürlich sinken – um wie viel, bleibt offen.(cre)

34 Antworten auf “Mehrheitsparteien N-VA, Open VLD und MR wollen die Wahlpflicht in Belgien abschaffen”

  1. Politikus

    „Damit wäre das eigentliche Ziel erreicht: Wahlrecht statt Wahlplicht Die Wahlbeteiligung würde in Belgien natürlich sinken – um wie viel, bleibt offen.(cre)“

    Ganz im Sinne der NVA oder ?

    • Ich, als Wähler, freue mich stets über diejenigen, die mir ihre Stimme schenken, denn meine Stimme wiegt dann mehr. Also, vielen Dank an alle Wahlfaulen. Denn eines ist sicher, jeder Wahlfaule bekommt auf jeden Fall nicht das was er oder sie will.

    • Baudimont

      @ Jong Die Wahlpflicht besteht in Ägypten, Australien, Bolivien, Brasilien, Ecuador, Fidschi, Griechenland, Indonesien, Libanon, Libyen, Liechtenstein, Luxemburg, Nauru, Nordkorea, Peru, Schweiz, Singapur,Thailand, Türkei, Uruguay und Zypern.

  2. brf4ever

    Dem kann ich nur zustimmen, obwohl ich sonst dieser Regierung nicht viel Zustimmung zukommen lassen kann.

    Aber, dann soll auch keiner mehr motzen und stänkern, der nicht zur Wahl gegangen ist.

    Ich schätze bei der ersten „freien Wahl“, werden wir bei knappe 35 – 40 % Beteiligung liegen.

  3. Réalité

    -Eine richtige und vernünftige Wahl!

    -Jetzt sollte als nächstes eine Mindestprozentzahl eingeführt werden,ähnlich wie in der BRD!Damit nicht mehr Parteien mit ganz kl % z Bspl als Mehrheitsbeschaffer dienten!
    Ebenso sollten die Obergrenze der Mandate in der Politik strikte heruntergesetzt und begrenzt werden auf ein Minimum!

    -Überhaupt wäre DRINGENDST an zu raten alles an überflüssigen und überfälligen „Parkplätzen“ in der Politik ab zu schaffen!
    Angefangen bei der PROVINZ,da sowas von zuviel!

  4. Wenn die Wahlpflicht abgeschafft wird, muss man sich nicht wundern, dass nur 40-50 Prozent entscheiden, wer ins Parlament einzieht. Nicht wählen gehen und danach nur über die Politiker jammern, das ist zu einfach.

    • „Nicht wählen gehen und danach nur über die Politiker jammern, das ist zu einfach.“

      Und wählen gehen und danach über die gewählten Politiker jammern ändert auch nichts.So oder so ist es vergebene Liebesmüh‘.

  5. Heinz Günter Visé

    Wenn kaum noch Leute wählen gehen, dann sehe
    ich für die Frau Baudimont GUTE CHANCEN mehr Stimmen zu erhalten als bisher.
    Sie wird dann eher die Interessen aller Bürger,
    welche mit den tradionellen Parteien unzufrieden sind, vertreten können, denn ich traue ihr zu auch in der Politik zu, so emsig zu sein, wie sie es hier ist beim Leserbriefschreiben um ihre Meinung kund zu tun…. Sie hat ja zu allem etwas zu sagen !
    Und vielleicht kriegen wir dann auch schöne (?),
    ähnliche Verhältnisse wie in New Hampshire wo
    Abgeordnete aus Idealismus arbeiten und keine
    horrenden Gehälter beziehen. Sollte dies so sein,
    dann weiss ich jetzt schon wo ich mein Kreuz
    machen werde, in der Hoffnung dann auch nicht
    enttäuscht zu werden. Somit junge Menschen an
    die Macht (schon Herbert Groenemeyer sang : „Lasst die Kinder an die Macht „) Somit bleibe ich
    Wähler und Optimist : “ IN GOD WE TRUST “ ….

    • Herr Vise, wir wollen doch alle hoffe, dass es in Zukunft noch Idealisten werden gibt die unsere Welt verbessern im stande zu sein werden.
      Frau Baudimont entwickelt sich noch und wird Ostbelgiens Mutter Theresa für das kommende ….

  6. Wahlstreiker

    Wegen fehlendem Personal wird nicht verfolgt? Es ist also nicht möglich, irgendeiner Sekretärin eine Excel-Tabelle mit den Zuwiderhandelnden zu geben und sie einen Serienbrief mit dem Vorschlag eines Vergleiches aufstellen zu lassen? Da lachen ja die Hühner!
    Es wird deshalb nicht verfolgt, weil die oberen Etagen der Wahlorganisation nachweislich selbst nicht in der Lage sind, das Gesetz einzuhalten, das ist der springende Punkt! Glaubt denn irgendwer, dass das Personal der Gemeinden, die Friedensrichter, die Zwangsrekrutierten in den Wahlbüros, die Beamten in Namur oder Brüssel diese pseudodemokratische Witzveranstaltung ernster nimmt als der gemeine Bürger?

  7. Zaungast

    Was „Wahlpflicht“ genannt wird, war im Grunde immer nur die Pflicht, am Wahlsonntag zum Wahlbüro zu gehen, dort einen Zettel mit dem Kandidatenlisten in Empfang zu nehmen, in eine Wahlkabine zu gehen und danach den Zettel in eine Urne zu werfen.

    Was man in der Kabine anstellte, stand jedem frei: ein Kreuzchen machen oder aber einen weißen bzw. ungültig gemachten Wahlzettel abzugeben.

    Was allerdings die „Zwischenlösung“ angeht, Gesetzesübertretungen nicht mehr zu verfolgen und dies auch noch auf höchster Ebene anzukündigen, so offenbart das doch ein seltsames Verständnis von Recht und Rechtsstaat seitens der politischen Mandatsträger…

  8. Es reicht!

    Die Aussage von Frau Tilgenkamp kann ein normaler Mensch nicht nachvollziehen. Wahlschwänzer könnte man nicht verfolgen? Komischerweise kann man aber alle Verkehrsübertretungen sehr wohl verfolgen?

  9. Endlich , somit können oder gehen nur die Wählen , die Interesse zeigen und auch wissen was oder wem Sie wählen , und daher unsere Politiker mehr fordern und Ihnen nicht mehr die gewissheit geben das meine Oma immer nur die Christen wählt , da der liebe Gott ja alles sieht und mein Opa die roten da die ja für das Arbeitendevolk da sind .

  10. Jürgen Margraff

    Also mir gefällt das, sie müssen jetzt nur noch den „Panachage“ gesetzlich wieder erlauben, dann könnte ich mich sogar wieder mit den Wahlen befreunden – denn dann könnten wir den jeweils unseren Erachtens, nach besten Kandidaten Listenübergreifend auch unsere Stimme geben… Alleine auf den PdG Listen sind auf beinahe jeder Liste Kandidaten denen das Allgemeinwohl mehr am Herzen liegt als ihre eigene Karriere, aber die sind meist auf den mittleren Rängen & da ist die Aussicht auf ein positives Ergebnis ziemlich düster

    • Ja Herr Margraff, Sie haben recht. Wenn das Panachieren wieder eingeführt würde, wäre das ein Anreiz für mich, nach über 20 Jahren nochmals wählen zu gehen. Ich glaube mich zu erinnern, dass bei meiner ersten Wahl, damals noch bei einem Mindestalter von 21 Jahren, dieses sog.Panachieren noch exisierte, Seitdem die Parteien aber immer mehr an Einfluss in der Politik genommen haben , sind diese im Vordergrund bei den Wahlen. Ich glaube, dass das Panachieren
      aufgrund dessen nie mehr zur Anwendung kommen wird. Also nur noch Parteienklüngel mit dem einen oder anderen „Patriarchen“ an der Spitze.
      So sieht’s heute und auch in Zukunft
      in der Politik aus. Wir können ja nicht
      alle zur Schweiz auswandern. So eine bürgernahe Politik wie dort wird in unserer verseuchten Politiklandschaft nie zustande kommen!

  11. Historiker

    Es ist schon beschämend, wenn sich Demokraten dagegen sträuben zur Wahl zu gehen. Die Macht geht vom Volk aus und nicht nur von einigen Wenigen, die sich am Wahlsonntag mit Müh und Not aus dem Bett hieven. Unsere Vorfahren haben für das Erlangen des Wahlrechtes und die danach folgende Wahlpflicht ihr Leben aufs Spiel gesetzt und geopfert. Eine Abschaffung würde diesen historischen Einsatz mit Füßen treten.

    Außerdem ist bewiesen, dass keine Wahlpflicht vor allem die extremistischen Parteien stärken würde… also noch mehr NVA, noch mehr Abspaltung und Kleinkariertheit?!?

    Politiker, die mit solchen Gedanken spielen, gehören in die Klapse.

    • Réalité

      @Historiker

      dies ist alleine Ihre Ansicht,Historiker!

      Wenn man sieht was in der BRD passiert,da ist auch keine Wahlpflicht!

      Pflichten haben wir Bürger bereits mehr als genug!Vor allem die,die uns unser Geld kosten!

      Sogar deren viel mehr wie unsere gloreichen Politiker!

      Letzere sollten sich mal den Spies umdrehen…und sich selbst auch mal gewisse Pflichten auflegen und zu ordnen!

      Dann hätte zumindest die NVA bereits schon seit längerem ihren Schwanz ei gezogen und nie deren jetzige Stärke erreicht….wo gegen unsere so berühmten und ehemaligen Volksparteien beharrlich in ihren gemachten Nestern beharren und aussitzen…..

      Schon allein in unserer so winzig kleinen Ecke hören uns spüren wir viel zu oft den Wunsch nach noch mehr an Abspaltung und Kleinkariertheit und streben nach immer mehr an Selbstständigkeit,so wie erst vor ein paar Tagen noch!

      Das alles stinkt mir viel zu sehr nach noch mehr Machtgier und Eigensinn!So wie die Schotten,Basken,Katalanen usw!

      Wo ginge das denn hin….wenn das Schule machte….und jede in Europa noch so kleine Sprachengruppe dies verlangte und Selbstständig werden möchte….!?

      Wer da in die Klapse hin gehört….das wüsste ich mal gerne….??

    • Echte Demokratie ade

      Wenn ich nur die Wahl zwischen sehr schlecht und grottenschlecht habe, gehe ich lieber nicht wählen. Eine Schande, daß gewisse Parteien, „Couleurs“, nicht einmal zugelassen sind, oder, wenn eine andersdenkende Partei absahnt – wie in Antwerpen vor einigen Jahren- ein „cordon sanitaire“ gebildet wird und diese kleine Partei, die demokratisch gewählt wurde, vor die Tür gesetzt wird! Demokratie? Nein, die gibt es nicht, solange richtige Alternativen zugelassen sind. DAS wäre Demokratie.

  12. als äusserst motivierter Wähler bin ich seit sehr langer Zeit gegen die Wahlpflicht, weil sie in vielen Fällen das WahlRECHT verhindert? Wer auf Reisen ist, im Krankenhaus oder sonstwie verhindert hat NICHT die Möglichkeit zu wählen ! Bei Wahlrecht müssten sich die Politiker endlich mal was einfallen lassen, die Wähler zu motivieren und auch Briefwahl zuzulassen z.B.

  13. Guten Tag an alle: Endlich mal ein vernünftiges Wort. Ich hatte letztes Mal die “ Wahl “ mich stundenlang ins Wahlbüro zu setzen, obwohl ich krank war, aber finden Sie bitte mal Sonntags einen Arzt. Einen meiner Mitleidenden ging es noch schlechter als mir aber auch er durfte nicht gehen. Ich finde die Wahl sollte ach genau dieses werden, die Wahl gehe ich hin oder gehe ich nicht hin. Bitte schnell keine Wahlpflicht mehr.

  14. Jürgen Margraff

    Sauere Gurkenzeit?
    Ich hab‘ von keiner anderen Medienseite zu diesem Thema was vernommen.
    Und dabei wäre eine derartige Meldung an & für sich schlagzeilenträchtig, wo kann ich dafür eine Bestätigung finden?

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