Gesellschaft

Kopftuch-Verbot: Frau setzt sich vor Straßburger Gericht durch – Belgien muss 1.000 Euro Entschädigung zahlen

Illustrationsfoto: Shutterstock

Mit der Entscheidung, einer Frau mit Kopftuch den Zutritt zu einem Gerichtssaal zu verwehren, hat Belgien deren Menschenrechte verletzt. Dieses Urteil veröffentlichte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag in Straßburg (3413/09).

Der Artikel Neun der Europäischen Menschenrechtskonvention, der die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit schützt, sei in diesem Fall verletzt worden. Belgien muss der Frau nun 1.000 Euro Entschädigung zahlen. Das Urteil kann aber noch innerhalb von drei Monaten angefochten werden.

Beschwert hatte sich eine 1986 in Belgien geborene Frau. Im Prozess um den gewaltsamen Tod ihres Bruders war sie auf richterliche Anordnung darauf hingewiesen worden, dass sie den Gerichtssaal nur ohne ihr Kopftuch betreten dürfe. Sie weigerte sich, das Tuch abzunehmen. Die Frau sah in der Anordnung ihr Recht auf Religionsfreiheit verletzt. (dpa)

47 Antworten auf “Kopftuch-Verbot: Frau setzt sich vor Straßburger Gericht durch – Belgien muss 1.000 Euro Entschädigung zahlen”

  1. Die Frau sah in der Anordnung ihr Recht auf Religionsfreiheit verletzt.
    ….
    Die Frau bezeichnet also ihr Kopftuch als religiöses Symbol. Es ist also kein Modeartikel, sie hat auch keine Ohrenschmerzen. Muss eine weltliche Justiz die Demonstration religiöser Symbole dulden? Ich denke nicht. Man stelle sich nur einmal einen Prozess um eine islamistisch motivierte Tat vor bei der die Angehörigen der Opfer mit einem Publikum konfrontiert wird welches seine Zugehörigkeit zum Islam derart offen propagiert. Es wäre so als wenn beim NSU Prozess den Angehörigen Zuschauer in SA-Uniform zugemutet würden – die können sich auch auf ihre Gedankenfreiheit berufen….

      • @ AvC

        Wäre die Frau mit Ganzkörperkondom aufgetreten würde ich ihm auch recht geben. Da man bei einem Kopftuch noch das Gesicht sieht, also nichts versteckt wird finde ich das Urteil richtig.
        Es ist eine Schande für unsere Gesellschaft Menschen die nichts tun ausser ihre Religionszugehörigkeit nach aussen zu zeigen zu diffamieren.
        Noch vor 50 Jahren war es undenkbar für gute Katholiken ohne Kopftuch in die Kirche zu gehen.

        • „…also nichts versteckt wird…“
          Warum trägt sie dann überhaupt ein Kopftuch?

          PS: Haare, Frisur tragen stark zum äußeren Erscheinungsbild bei. Legen Sie sich probeweise mal ein Kopftuch zu, anlässlich Ihrer nächsten Dusche…

        • Walter Keutgen

          Sie meinen wohl „… undenkbar für gute Katholikinnen …“. Ihre Aussage ist schlicht falsch. Zwar trugen Frauen hier oft eine Kopfbedeckung, meistens aber Hüte. Kopftücher bei der Land- oder Stallarbeit. Wo haben Sie Kopftücher in der Kirche gesehen? Männer trugen auch Hüte und Kappen, zogen sie aber in Gebäuden, auch Kirchen, ab.

          Im Übrigen war in der Türkei, einem islamischen Land, vor Erdoğan Kopftuch und Fez verboten.

        • Walter Keutgen

          Der Richterin ging es nicht um das Erkennen der Person, sondern darum, dass vor ihr alle Personen ohne Kopfbedeckung zu erscheinen haben. Da hat die Klägerin noch Glück gehabt, dass sie nur aus dem Saal ausgeschlossen worden ist. Oft haben belgische Richter eine schwere Hand: z.B. 6 Monate Gefängnis für Beamtenbeleidigung.

          Wenn die Klägerin als Zeugin ausgeschlossen worden ist, kann es auch sein, dass das Urteil kippt.

        • Kopftuch

          „Es ist eine Schande für unsere Gesellschaft Menschen die nichts tun ausser ihre Religionszugehörigkeit nach aussen zu zeigen zu diffamieren.“

          Sie sind ein Blaffer, EdiG. Das Kopftuch als Zeichen der „Religionszugehörigkeit“ soll man beispielsweise im Gerichtssaal zulassen, dafür werden, bzw.aber die Kreuze aus allen sog.
          „Öffentlichen Orten“ verbannt.

        • Nun muss man zuerst einmal wissen, das im Koran geschrieben steht das eine Frau ihre Brust und ihre Scham bedecken soll. Auch soll sie den Blick senken.
          Es steht aber nichts von einem Kopftuch drin.
          Also hätte das ablegen des Kopftuch, nichts mit einem Eingriff in die Religionsfreiheit zu tun.
          Das Kopftuch ist mehr kulturell und traditionell zu betrachten aber nicht religiös.
          Das es hier in den westlichen Ländern als religiös betrachtet wird haben wir früheren unwissenden, inkompetenten und rückgratlosen Politikern zu verdanken. Denn wenn in Belgien Staat und Religion getrennt sein sollen, hat das für jeden in allen öffentlichen Gebäuden zu gelten und zwar absolut ohne Ausnahme.
          Es kann nicht sein das die Kreuze in öffentlichen Gebäuden entfernt werden mussten aber Angehörige anderer Religionen in den gleichen Gebäuden ihre Religion offen kundtun dürfen.
          Wenn es ein europäisches Gesetz geben würde, welches jegliche sichtbaren Merkmale einer Religion und jegliche Art der kopfbedeckung in öffentlichen Gebäuden europaweit verbietet, hätte man viel weniger Probleme und weniger Diskussionen.

  2. Niemand hier scheint sich die Mühe gemacht zu haben, das mit 6:1 Richterstimmen ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu lesen.

    Tatsächlich bestimmt Artikel 759 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs (nach der offiziellen Übersetzung ins Deutsche): „Die Anwesenden wohnen der Sitzung ohne Kopfbedeckung, in Ehrfurcht und in Stille bei; alles, was der Richter zur Aufrechterhaltung der Ordnung anordnet, wird genau und unverzüglich ausgeführt.“

    Trotzdem bekam die Klagende Recht und erhält nun 1000 Euro vom beklagten Belgien, weil sie bei einer vorausgegangenen Verhandlung vor dem Kassationsgericht in derselben Angelegenheit nicht zum Ablegen ihres Kopftuchs aufgefordert worden war und es ihr deshalb nicht ersichtlich sein konnte, dass die Regelung wie in Artikel 9 § 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gefordert „gesetzlich vorgesehen“ ist und beim fraglichen Strafgerichtstermin geltendes Recht war. Zur Auslegung dieses „gesetzlich vorgesehen“ im Sinne der EMRK wird unter anderem eine Reihe vorausgegangener Urteile des EGMR herangezogen; es bindet nicht nur den Bürger, sondern auch die staatlichen Institutionen.

    https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-186245%22]}

    • EU-Kritiker

      „Niemand hier scheint sich die Mühe gemacht zu haben, das mit 6:1 Richterstimmen ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu lesen.“

      Was können die Briten froh sein, dass sie nach dem Brexit nichts mehr mit diesem islamisch angehauchten, EU-Bürger-feindlichen Europäischen Gerichtshof zu tun haben!

      • Zaungast

        Da muss ich Sie leider bitter enttäuschen.
        Auch nach einem „harten“ Brexit“ (bei einem „weichen“ müssten sie sich der Jurisdiktion des EuGH unterwerfen) werden die Briten weiterhin mit diesem „islamisch angehauchten (!!!) Gerichtshof zu tun haben.

        Es handelt sich nämlich nicht um ein Urteil des EuGH (Sitz: Luxemburg), der für die Auslegung des EU-Rechtes zuständig ist, sondern um den EGMR (EuropÄischer Gerichtshoh für Menschenrechte mit Sitz in Strassburg), der mit der EU rein gar nichts zu tun hat.

        Einfach mal zu diesen zwei Institutionen googeln. Bei Wikipedia zum Beispiel.

      • @Walter Keutgen:

        Nein, der Grundsatz ist nicht ausgesetzt, er bindet nur auch den Staat. Auch der darf nicht einmal das Gesetz unbeachtet lassen („ignorer“), dann aber wieder doch anwenden. Das führt erstens zur Ahndung vergleichbarer Taten mit unterschiedlichen Strafen und ist eine Verletzung des Grundsatzes „ius respicit aequitatem“, das Recht achtet die Gleichheit. Zweitens führt das dazu, dass der Bürger nicht mehr erkennen und wissen kann, welches Verhalten gesetzeskonform ist und welches nicht; das verletzt die Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz.

        • Walter Keutgen

          „Ignorer“ bedeutet in dem Zusammenhang nicht „unbeachtet lassen“, sondern „nicht kennen“. In Belgien kann man ein Jahr lang auf derselben Stelle falsch parken und plötzlich wird das Auto abgeschleppt und kriegt man eine saftige Strafe. Ob man da die zeitliche Ungleichbehandlung zur Straffreiheit anführen kann? Also, weil die Kassationsrichter nicht so pingelig oder nur zerstreut waren, müssen alle anderen Richter fortan gleich handeln.

          • Das ist richtig: „ignorer“ wird hier regelmäßig als „nicht kennen“ ausgelegt. Auf den Staat bezogen fand ich „unbeachtet lassen“ verständlicher, aber man kann es natürlich auch ein Nichtkennen nennen, wenn ein Richter in einer Verhandlung ein Gesetz pflichtwidrig nicht anwendet.

            In Artikel 9 § 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wird gefordert, dass anwendbares Recht „gesetzlich vorgesehen“ („prévu par la loi“) sein müsse. Das setzt voraus, dass die unter das Recht fallenden Tatbestände sowohl schon bei der Gesetzgebung als auch bei späterem tatsächlichen Auftreten „gesehen“ werden; das Übersehen eines vorgesehenen Tatbestands ist bestenfalls ein rechtlicher Formfehler, in Wirklichkeit aber viel mehr als das, da es unmittelbare Auswirkungen auf Rechtsgleichheit, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz hat – siehe meinen letzten Kommentar.

            Zu Ihrer Abschleppfrage: Wenn Sie beweisen könnten, dass ein Ordnungshüter sie immer falsch parken ließ und jetzt aufgrund einer persönlichen Willensänderung ihr Auto abschleppen lässt, wäre das ein interessanter Fall. Bei Gerichtsverhandlungen sind Beweise leicht anzutreten: alles was nicht im Protokoll steht, gilt in Abwesenheit von weiteren Beweisen als nicht geschehen, alles was drinsteht hat sich ereignet. So ist die Anwesenheit eines Richters, der Recht anzuwenden hat, nicht zu bestreiten, anders als vielleicht die Anwesenheit eines für Parksünder Zuständigen, der ihr Auto verschont hat. (Das Wissen, dass ein Auto nicht ohne menschliches Zutun abgeschleppt wird, darf ich voraussetzen. Deshalb ist eine Nichtabschleppen noch kein Beweis dafür, dass Recht ungleich verteilt wurde.)

            • Walter Keutgen

              Sie scheinen ja eine Rechtsgelehrte zu sein. Wir Nichtjuristen hier unten müssen uns an das praktische Recht halten. Für das Parken: Es liegt an das, was wir hier unten die Jahresknöllchenmeisterschaft nennen, im Dezember müssen wir mehr aufpassen. Das Nichtkennen bezog ich auch auf uns hier unten, willentliches Nichtbeachten wäre ja das letzte. Sie haben aber nicht auf das deutsche Zitat geantwortet, das unzweideutig ist.

              Wenn ich auf Ihre Ausführungen und den Fall zurückkomme, muss ich verstehen, dass die Dame mit dem Argument ihrer Religion sich vor dem Kassationshof geweigert hat, das Kopftuch abzuziehen, dieser zugestimmt hat und das protokolliert worden ist. Wie hätte denn sonst der EMGR davon gewusst?

              • Nein, vor dem Kassationshof hat sie sich nicht geweigert. Dort war trotz Artikel 759 Gerichtsgesetzbuch versäumt worden, sie aufzufordern, die Kopfbedeckung abzulegen. Deshalb durfte sie später beim Strafgerichtstermin, wo sie fruchtlos dazu aufgefordert wurde, davon ausgehen, dass eine solche Regelung nicht besteht; die Rechtssicherheit, nach der sie ihr Verhalten gesetzeskonform hätte ausrichten können, war zerstört. Das heißt, ihr war nicht ersichtlich, welcher der beiden Richter belgisches Recht korrekt anwendete und welcher nicht, sondern nur, dass einer der beiden nicht korrekt handelte.

                Um die Art der Kopfbedeckung oder ihre Religionszugehörigkeit geht es hierbei nicht.

                • Hartmut Schulz

                  Nachdem ich das Gerichtsurteil gelesen habe muss ich feststellen, dass sie entweder selbst das Urteil nicht gelesen oder nicht verstanden haben. Die Gerichtsverhandlung vor dem Kassationshof fand 2008 statt. Die Verhandlung vor dem Brüsseler Gericht, bei der die Frau aufgefordert wurde, ihre Kopftuch abzulegen war jedoch 2007. Ihre Argumentation ist deshalb völlig sinnfrei.
                  Tatsächlich argumentiert das Gericht mit Artikel 9 der Erklärung der Menschenrechte und mit dem Recht der Klägerin auf freie Religionsausübung.
                  Auch wenn es sich in ihren Ausführungen so anhört, als hätten sie juristische Kenntnisse, verbreiten sie völlig falsche Informationen. Bedauerlich!

                  • Walter Keutgen

                    Was Sie schreiben Herr Schulz, stimmt. Die Argumentation Lionnes oben erklärt die Jurisprudenz um die Wendung „prévu par la loi“, die in Artikel 9 steht. Der Gerichtshof hat aber darauf verzichtet, diese Jurisprudenz in dem Fall gegen Belgien anzuwenden. Der Gerichtshof hat einzig und allein keinen triftigen, in Artikel 9 aufgezählten Grund gesehen, die Religionsfreiheit einzuschränken. Nur die Richter VUČINIĆ und GRIŢCO haben zusätzlich zu den anderen vier die Rechtsunsicherheit bemängelt.

                    Interessant ist, dass der Klägerin nur 1.000 Euro statt der geforderten 12.000 zugesprochen wurden.

    • Hartmut Schulz

      Wenn dies so ist, wie sie erläutern, ist der OD-DPA Artikel aber auch alle anderen Artikel hierzu falsch. Denn es wurde immer darauf verwiesen, dass das Belgische Gericht gegen Artikel 9 der Menschenrechtskonvention vetstoßen habe. Und dieser Artikel betrifft das Recht auf freie Religionsausübung.

      • Artikel 9 EMRK behandelt Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit („liberté de pensée, de conscience et de religion“), in genau dieser Reihenfolge. Als viertes wird auch noch die Freiheit der Weltanschauung genannt. Hauptsächlich die Gedanken- und die Weltanschauungsfreiheit werden in diesem Forum ja reichlich bemüht.

    • Hartmut Schulz

      @Lionne
      Nochmal:
      Die Verhandlung vor dem Kassationshof fand 2008 statt, die vor dem Strafgerichtshof 2007.
      Ihre Argumentation ist deshalb in zweierlei Hinsicht falsch. Sowohl was den Inhalt des Urteils als auch dessen Begründung betrifft.
      Zumindest sollten sie ihre Fehlbeurteilung einsehen.

  3. Es reicht!

    Belgien schafft sich definitiv ab? Zu den Integration gehört auch sich den Sitten des Landes anzupassen. Versuchen Sie mal in der Türkei als Frau im Short und Bikini in eine Mosche zu gehen und beharren auf der sellbigen Argumentation wie die Muslima vor dem Europäischen Gerichtshof, dann schauen Sie mal was mit ihnen passiert?
    Hier werden in Belgien doch nur Privilegien eingeführt die für hiesige nicht zählen. So darf ein Belgier auf seinen Passfotos nur ohne Kopfbedeckung gezeigt werden ganz im Gegenteil zu den Moslems deren Frauen auch mit Kopftuch auf dem Passbild abgelichtet werden kann? Rechte für die Gäste und Pflichte für die Einheimischen? Das nennt man dann Integration? Armseliges Belgien?

    • Schön, dass Sie mit Ihren Fragezeichen infrage stellen, dass Belgien sich definitiv abschaffen würde oder ein armseliges Land sei. Da haben Sie natürlich Recht: Dem ist nicht so.

      Ich möchte Sie dazu ermuntern, in Bikini oder Badehose den Kölner Dom zu besuchen. Echt toll da, besonders für jemand, der so vielseitig interessiert ist wie Sie. Wenn Sie die Treppe hinaufgehen, können Sie den meilenweiten Ausblick über die ganze Stadt genießen. Vergessen Sie auch nicht, die Schatzkammern im Keller zu besichtigen, so viel Reichtum haben Sie bestimmt noch nicht gesehen. Und: Nach dem Besuch kennen Sie auch den Unterschied zwischen den weltberühmten Kölner Domschweizern und den Ordnungshütern in Moscheen in der Türkei aus eigener Erfahrung und können Ihre Kommentare noch überzeugender vortragen.

      • Zaungast

        Sie haben Recht, ‚Lionne‘, auch für den Petersdom in Rom gibt es solche Kleidervorschriften.

        Aber noch toller: In den belgischen Küstenorten darf man noch nicht mal im Badeanzug über die Deichpromenade flanieren:

        http://www.dhnet.be/actu/societe/se-promener-torse-nu-sur-la-digue-c-est-interdit-578bbd8235705dcbd701ab09

        So weit ist also die islamistische Unterdrückung unserer Sitten schon fortgeschritten. Was kommt als Nächstes?

        • Es gibt Sachen, die muss man seinen Mitmenschen nicht überall zumuten. Manche Leute begreifen nicht, dass sie nicht die Figur für Bikini oder knappe Badehose haben. Ach ja, ich bin selber dick.

        • Walter Keutgen

          Die Vorschriften, die Sie erwähnen, sind doch keine islamistischen. Das gab es seit jeher an der belgischen Küste und andernorts. Im Urteil geht es darum, das im Ort „Gericht“ der belgische Staat nicht das Recht hat, zu verlangen, das Koptuch abzulegen. Im Übrigen würdigte der EMRG im Urteil auch eine Studie der Universität Gent, dass besagter Artikel 759 nicht nur von 80% der Richter nicht angewandt wird, sondern schon im 19. Jahrhundert in der Praxis nicht verlangt wurde, das christliche Ordensschwestern ihren Schleier oder Kippaträger ihre Kippa ablegen.

          Interessant sind auch im Urteil die Bezüge auf andere Urteile des EMRG. Einige sind gegen den türkischen Staat. Mir dämmert, dass nicht Erdoğan das türkische Kopftuchverbot abgeschafft hat, wenngleich bei allen seinen Ansprachen die Damen in den ersten Reihen eins tragen, sondern der EMGR.

        • Kleiderordner

          @Zaungast
          Dies hat nichts mit Rücksicht auf Muslime zu tun sondern mit Ästhetik bzw. einem Mindestmaß an Stil und Form. Wie fänden sie es, wenn die Leute in anderen als Küstenstädten in Badeanzug oder Badehose rumlaufen würden? Stimmt: Unpassend.

  4. Zaungast

    @ ‚Kleiderordner‘
    Es ging mir darum, folgenden Satz ad absurdum zu führen: „Versuchen Sie mal in der Türkei als Frau im Short und Bikini in eine Mosche (?) zu gehen.“
    ‚Lionne‘ und ich haben darauf hingewiesen, dass man auch christliche Gotteshäuser nicht im Bikini besucht. Das gilt auch für andere Gelegenheiten. Wer würde z.B. im Badeanzug einen Beileidsbesuch machen oder in die Oper gehen?

    Dann habe ich gezeigt, dass die Toleranz sogar in den belgischen Küstenstädten ihre Grenzen hat, wo man nicht mal auf der Uferpromenade, also in unmittelbarer Nähe des Badestrandes, im Badeanzug flanieren darf und bei Zuwiderhandlung sogar eine Geldstrafe droht.

    Mein Zusatz: „So weit ist also die islamistische Unterdrückung unserer Sitten schon fortgeschritten. Was kommt als Nächstes?“ war ironisch gemeint. Ich dachte wohl zu Unrecht, dass sei für den, der meine Beiträge liest, auch offensichtlich. Aber Sie sind wohl ein Neuling hier, jedenfalls ist Ihr Nickname bisher noch nie aufgefallen.

    Zurück zum Urteil:
    Artikel 759 der StPO wurde zu einer Zeit verfasst, als die Frauen gerade dabei waren, ihre Gleichberechtigung zu erreichen. Er geht zurück auf eine reine Männergesellschaft. Für den Mann war es üblich, seine Kopfbedeckung beim Eintritt ein einen Raum (Kirche, Gericht, Restaurant, Wohnung) als Zeichen des Respektsabzunehmen. Das galt auch beim einfachen Begrüßen auf der Straße, wo der Gentleman den Zylinder lüftete.

    Frauen durften ihre Kopfbedeckungen anbehalten. Siehe Marlene Dietrich in „Zeugin der Anklage“, dagegen der Würde des Gerichts eher abträglich Charles Laughton mit seiner lächerlichen Perücke.

    Es ging nun um die Frage, ob das Recht auf die freie Ausübung einer Religion, d.h. konkret hier als Frau im Gerichtssaal ein Kopftuch – keine Vollverschleierung! – zu tragen, höher bewertet werden muss als eine simple Kleidervorschrift, zumal die Betreffende ja in keiner Weise als ein Organ der Staatsgewalt auftrat und die Neutralität des Gerichtes selber nicht berührt war.

    Der EGMR hat nach ausführlicher Begründung mit Ja geantwortet.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern