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Das Risiko von Pedelec-Fahrern: Ihr Tempo wird sehr oft unterschätzt

Ältere Menschen bauen körperlich ab und rüsten technisch auf, deswegen richtet sich das Pedelec-Sicherheitstraining vor allem an die Älternen. Foto: Shutterstock

Pedelecs sehen aus wie ganz normale Fahrräder – doch der Motor macht sie schnell. Das wird auch von Autofahrern unterschätzt, sagen Experten in Nordrhein-Westfalen. Die Unfallzahlen steigen.

Für ihr Alter ist die Frau auf dem Rad recht flott unterwegs. 20 Kilometer pro Stunde. Unangestrengt. Bei jedem Tritt in die Pedale geht es gut vorwärts, unterstützt vom Elektromotor.

Der Polizist Jörg Nitschke erklärt in Voerde (Nordrhein-Westfalen) am Pedelec-Fahrsimulator die Gefahren des Fahrzeugs. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Plötzlich fährt kurz vor ihr ein Auto rückwärts auf die Straße. Die Frau prallt in den Wagen, ungebremst. Zerknautscht ist aber nur der Smiley, der auf der Leinwand vor ihr erscheint.

„Mir hat der Rücktritt gefehlt“, beklagt sie im Pedelec-Simulationstraining der Polizei Wesel – der Rücktritt wie bei ihrem ganz normalen Fahrrad.

Die Polizei Wesel hat den landesweit ersten „E-Bike-Simulator“ angeschafft, nachdem es immer mehr Pedelec-Unfälle gab – auch mit Toten: Bei dem Simulator ist das fest installierte Fahrrad mit der Leinwand gekoppelt, auf der dann verschiedene Fahrszenarien erscheinen.

Schneller bei gleicher Anstrengung

Nach einem landesweiten Rekordwert bei Pedelec-Unfällen von knapp 1070 im Jahr 2016 zeichnet sich laut NRW-Innenministerium im laufenden Jahr ein weiterer Anstieg ab. 16 der in diesem Jahr bisher 19 getöteten Pedelec-Fahrer waren demnach 65 Jahre oder älter.

Der Polizist Adolf Grill erklärt in Voerde (Nordrhein-Westfalen) Seniorin Lore Spriestersbach die Besonderheiten im Umgang mit einem Pedelec. Foto: Roland Weihrauch/dpa

„Ältere Menschen bauen körperlich ab und rüsten technisch auf“, beobachtet der Leiter der Polizei-Unfallprävention in der Rad-Region Wesel, Uwe Melchiors. Mit dem Elektro-Motor seien sie bei gleicher Anstrengung viel schneller unterwegs als auf dem herkömmlichen Fahrrad. „Wenn man auf einem Pedelec zu bremsen beginnt, steht man mit einem anderen Fahrrad schon“, nennt er einen Unterschied.

Senioren müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie im Laufe der Jahre langsamer auf dem Fahrrad werden, sagt Christoph Becker von der Verkehrswacht Münster. „Die haben sich ans langsame Fahren gewöhnt, haben eine tolle Routine, können alles gut einschätzen. Plötzlich setze ich mich auf das Pedelec, trete genauso wie vorher und erreiche plötzlich 22 km/h.“ Das unterschätzten sehr viele, sagt der Geschäftsführer der Verkehrswacht Münster, der seit Jahrzehnten auch Polizeibeamter ist.

Fahrsicherheitstraining

Die NRW-Polizei rät grundsätzlich zur Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining, das unter anderem auch der Fahrradclub ADFC in Pedelec-Fahrschulen in Münster, Bonn, Gütersloh und im Kreis Lippe anbietet.

Auch die Verkehrswacht Münster hat auf steigende Unfallzahlen reagiert und wie die Polizei Wesel ein Simulationsgerät für Präventionskampagnen gekauft. Im nächsten Jahr soll es auch erste Pedelec-Kurse für Senioren geben. Aber streng genommen müssten auch die Autofahrer etwas über die Pedelec-Fahrer lernen, meint Becker.

Seniorin Renate Diederichs übt in Voerde (Nordrhein-Westfalen) auf einem Trainingsparcours mit dem Pedelec. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Autofahrer unterschätzten die Geschwindigkeit der Pedelec-Fahrer, meint er und beschreibt eine klassische Situation: „Ich befahre eine Hauptverkehrsstraße in Münster. Rechts nehme ich einen Radfahrer wahr und der Radfahrer hat graue Haare, dann denke ich: Der fährt 14 km/h, da kann ich noch bequem abbiegen. Und das klappt nicht, weil der ein Pedelec fährt und schneller ist. Dann ist der Radfahrer da beim Abbiegen und der Autofahrer hat ihn auf der Haube liegen.“

Der Risiko-Faktor Autofahrer zeigt sich im Kreis Wesel in den Unfallzahlen: Nach Polizeiangaben sind dort bei Unfällen mit Pedelec-Fahrern in rund 65 Prozent der Fälle die Autofahrer schuld. Man müsse den Autofahrern und den Radfahrern gleichermaßen beibringen, dass Pedelecs unterschätzt werden, sagt Becker.

Die 74-jährige Karin Brauer unterschätzt gar nichts. Beim Training am Simulationsgerät der Polizei Wesel hat sie gut reagiert und keinen Crash gebaut. Und draußen auf dem aufgebauten Parcours ist sie gut Slalom gefahren. Aber ein Pedelec will sie trotzdem nicht. „Ich fahre mein Fahrrad, solange es geht. Und dann sehen wir weiter“, sagt sie. (dpa)

5 Antworten auf “Das Risiko von Pedelec-Fahrern: Ihr Tempo wird sehr oft unterschätzt”

  1. Ein Riesenproblem. Inzwischen sitzen hunderte Omas nach über 40 jahren wieder auf einem Fahrrad, aber diesmal ein E-Fahrrad, können aber gar nicht mehr Fahrad fahren!! Mir sind schon ganze Senior*Innen Schwärme auf E-Bikes zwischen Raeren, Eupen und Roetgen entgegen gekommen, ich habe angehalten, die Omas eierten dermaßen über die gesamte Straßenbreite, man bekam die Krise!
    Und das ist jetzt keine Einbildung, die Statistik zeigt es:
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Statistisches-Bundesamt-Zahl-der-Unfaelle-mit-Pedelecs-steigt-deutlich-3592511.html

  2. Peter Müller

    Entweder Fahrrad fahren, oder man soll es sein lassen. Diese Dinger gehören auf die Strasse. Mit einem Mofa,was das gleiche ist, fährt man auch nicht auf dem Fahrradweg. Die Dinger sind eine Gefahr,. gerade für Eltern und Kinder

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