Ein Moment der Poesie mitten in den blutigen Protesten im Sudan ist zum World Press Photo 2020 gewählt worden. Das Siegerbild „Straight Voice“ (Gerade heraus gesprochen) zeigt einen jungen Mann, der im Juni 2019 mitten in einer Gruppe von Demonstranten und im Schein vieler Handy-Lampen, Gedichte rezitiert.
Der japanische Fotograf Yasuyoshi Chiba ist damit Sieger des renommierten Wettbewerbes und erhält den mit 10.000 Euro dotierten Preis, wie die Jury am Donnerstag in Amsterdam mitteilte.
Jury-Vorsitzender Lekgetho Makola sprach von einem hoffnungsvollen Foto. „Vor allem in diesen Zeiten, in denen wir viel Gewalt und viele Konflikte erleben, ist es wichtig, dass wir ein Bild haben, das Menschen inspiriert.“
Jury-Mitglied Chris McGrath sagte: „Es ist einfach ein sehr schönes, ruhiges Foto, das all die Unruhe auf der Welt und das Verlangen der Menschen nach Veränderung zusammenfasst.“
Chiba hatte das Foto für die französische Nachrichtenagentur AFP in der Hauptstadt Khartoum aufgenommen. „Dieser Moment war der einzige friedliche Gruppen-Protest, den ich in dieser Zeit miterlebt hatte“, sagte er. Präsident Omar al-Baschir war nach fast 30 Jahren an der Macht vom Militär gestürzt worden. Nach heftigen Protesten einigten sich im Juni Streitkräfte und Oppositionsbewegung auf eine Übergangsregierung.
Die Jury zeichnete außerdem eine Serie über die Unruhen in Algerien des französischen Fotografen Romain Laurendeau als beste World Press Photo-Story des Jahres aus. Die Serie „Kho, die Entstehung einer Revolte“ zeige das tiefe Unbehagen der Jugend, erklärte die Jury.
Auch zwei Fotografen der Deutschen Presse-Agentur wurden ausgezeichnet. Der Algerier Farouk Batiche, der die Studentenproteste in Algerien festgehalten hatte, gewann den ersten Preis in der Kategorie Spot News Singles. Und Oliver Weiken erhielt den dritten Preis für eine Serie über einen Terroranschlag in Kairo in der Kategorie Spot News Stories.
Esther Horvath, Fotografin am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI), erhielt die Auszeichnung in der Kategorie „Umwelt“. Das Foto zeigt eine der ersten Eisbärensichtungen während der Expedition in der zentralen Arktis: Eine Mutter und ihr Jungtier erkunden im Scheinwerferlicht des Eisbrechers „Polarstern“ das auf einer Eisscholle aufgebaute Forschungscamp.
Rund 4.300 Fotografen aus 24 Ländern hatten sich mit fast 74.000 Fotos beteiligt. Die Jury vergab 44 Preise in mehreren Kategorien. Die Fotos sollen in einer großen Ausstellung in zahlreichen Ländern zu sehen sein. Wegen der Corona-Krise wurden in diesem Jahr alle Gewinner nur online benachrichtigt. Die traditionelle zentrale Feier in Amsterdam fiel aus. (dpa)