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Pressestimmen zu Katalonien: „Madrid macht alles nur noch schlimmer“

Der katalanische Präsident der Regionalregierung, Carles Puigdemont (2.v.l), sein Vize Oriol Junqueres (l), die katalanische Parlamentspräsidentin, Carme Forcadell (2.v.r), und der ehemalige katalanische Präsident Artur Mas nehmen am 21.10.2017 in Barcelona an einer Demonstration gegen die Inhaftierung von zwei führenden Aktivisten der separatistischen Bewegung teil. Foto: Nicolas Carvalho Ochoa/dpa

Madrid fährt in Katalonien schwere Geschütze auf. Neben anderen Maßnahmen soll der separatistische Regierungschef Puigdemont abgesetzt werden. Aus Protest gehen Hunderttausende in Barcelona auf die Straße. Die Befürworter der Unabhängigkeit wollen weiterkämpfen.

Wie der Machtkampf in Spanien von der internationalen Presse bewertet wird, zeigen die nachfolgenden Pressestimmen.

Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ kommentiert die Krise in Katalonien:

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nimmt am 18.10.2017 in Madrid an einer Parlamentssitzung teil, bei der rund 50 Abgeordnete die Festnahme der zwei führenden Aktivisten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung anprangerten, in dem sie Plakate hochhielten. Foto: Francisco Seco/AP/dpa

„Spaniens Regierungschef gilt als Meister des Aussitzens, als Zauderer mit der Mentalität eines Beamten. Umso mehr überrascht die Härte, die Mariano Rajoy nun gegenüber den Separatisten in Katalonien ankündigt: Gleich die gesamte Regionalregierung in Barcelona will er absetzen und schnellstmöglich Neuwahlen ausrufen. Auf diese Weise werde Katalonien zur ‚Normalität‘ zurückkehren. Doch das ist Unsinn. Vielmehr hat Rajoy den bisherigen Torheiten im Umgang mit Barcelona eine weitere hinzugefügt – und dem Separatismus noch mehr Auftrieb verschafft. Seine plötzliche Härte zeigt, dass er ratlos ist. Denn nach wie vor sieht der Regierungschef lediglich ein juristisches Problem, nämlich eine Regionalregierung, die die Gesetze verletzt. Und nach der Logik des Chefbeamten Rajoy muss der Bürger nun einmal dem Gesetz dienen. Die politische Logik ist aber genau umgekehrt. Am Ende müssen die Gesetze dem Zusammenleben der Bürger dienen.“

Über die Ankündigung von Zwangsmaßnahmen gegen die separationswillige katalanische Regionalregierung schreibt die Budapester Tageszeitung „Nepszava“ in einem Kommentar:

„Wenn Madrid die Autonomie aufhebt und wenn die Katalanen die Unabhängigkeit ausrufen, gibt es endgültig keinen gemeinsamen Nenner mehr. Es ist schwer vorstellbar, dass es die aufgeputschten Katalanen zulassen werden, dass ihre autonomen Institutionen unter die Oberhoheit Madrids gelangen. Dem zu erwartenden Widerstand wird wiederum die spanische Regierung nicht tatenlos zusehen. Was wir bisher an Spannung und Gewalttätigkeit gesehen haben, ist erst der Anfang.“

Artikel 155 wie eine Falle

Zur Ankündigung der spanischen Regierung, die im Verfassungsartikel 155 vorgesehenen Schritte einzuleiten, um in Katalonien die Rechtmäßigkeit wiederherzustellen, schreibt die große französische Regionalzeitung „Ouest-France“:

„Die Bilder (…) von blutenden Wählern und Polizisten, die Urnen zerstören, haben den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen mehr gebracht als jahrelanger Aktivismus. Die Nationalisten bekamen, was sie brauchten: einen Feind und Märtyrer. Die Anwendung des Artikels 155 durch Mariano Rajoy ist deshalb so explosiv wie nie. Wie eine Falle.“

Menschen schwenken spanische Nationalfahnen bei einer Demonstration gegen die Unabhängigkeit von Katalonien am 07.10.2017 auf der Plaza Colon in Madrid. Foto: Carola Frentzen/dpa

Zur Katalonien-Krise meint die belgische Zeitung „De Standaard“:

„Madrid will den berüchtigten Verfassungsartikel 155 in Anwendung bringen. Diese extreme Option führt in einen administrativen Sumpf. Einen autonomen Teilstaat zu einer rebellischen Kolonie zu degradieren, ist das Dümmste, was Ministerpräsident Rajoy tun kann. Das kann in der Praxis nicht funktionieren und die letzten gemäßigten Kräfte werden dadurch in die Arme der Maximalisten getrieben. Eine Lösung kann nur auf dem Verhandlungsweg gefunden werden. Das Unvermögen Madrids, dies zu erkennen, hat dazu geführt, dass aus einer marginalen Bewegung für die Abspaltung eine reale Möglichkeit wurde – auch wenn bislang weder ein Referendum noch Wahlen gezeigt hätten, dass es dafür bei den Katalanen wirklich eine Mehrheit gibt. Je mehr Rajoy die Nationalisten in die von ihnen geliebte Opferrolle drängt, desto größer die Möglichkeit, dass sie beim nächsten Mal tatsächlich überzeugend gewinnen. Denkt Europa wirklich, dass es sich dann noch raushalten kann?“ (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf „Ostbelgien Direkt“:

 

11 Antworten auf “Pressestimmen zu Katalonien: „Madrid macht alles nur noch schlimmer“”

  1. Viel Glück Katalonien….raus aus der EU, Firmen ziehen sich zurück und Peseten statt Euro? Ihr seid am Ar…
    Wenns der Kuh zu gut geht, dann geht sie aufs Eis und das Eis ist in diesem Fall sehr dünn.

  2. Zaungast

    Ja, diese Katalanen, Mut haben sie. Harakiri ist nicht jedermanns Sache.

    Selbst wenn es zu keiner Sezession kommt, werden die nächsten Monate und vielleicht Jahre voller Unsicherheiten sein. Jede Firma, die dort investieren möchte, wird sich das zwei Mal überlegen, und wer schon dort ist, wird ernsthaft prüfen, ob er dort bleibt. Der Exodus, zumindest auf dem Papier, hat ja schon begonnen.

    Aber auch Spanien wird leiden. Ganz klar. Und die EU auch.

    Wenn man sich diese Hahnenkämpfe anschaut, kann man sich nur an den Kopf fassen.
    Vor ein paar Wochen lief auf arte eine Dokumentation über die chinesische „Neue Seidenstrasse“.

    https://www.youtube.com/watch?v=zIohEPWrdx8

    Da kann einem nur angst und bange werden. Das ist knallharte Machtpolitik um Einfluss, Energie, Bodenschätze, Handel.
    Was ist da Katalonien? Oder ein zurzeit viel beschworenes „Europa der Regionen“?

    • Den Bericht habe ich auch gesehen…..es hilft nur ein geeinigtes Europa indem die starken auch den schwachen Ländern helfen. Allerdings müssen die starken das wollen und die schwachen es auch zulassen.

      So nebenbei, kann es sein, dass es bei gewissen Politikern einen Zusammenhang zwischen Frisur und ihrem Denken gibt? Trump, Wilders, Johnsen und dieser Katalane.
      Wo um Gotteswillen gehen die zum Friseur und was sagen deren Ehefrauen dazu?

      • karlh1berens

        „Allerdings müssen die starken das wollen und die schwachen es auch zulassen.“
        Das errinnert mich an den Spruch „Die wollen nur unser Bestes – das kriegen sie aber nicht !“.

  3. Marcel. Scholzen eimerscheid

    Die Katalonien-Krise erinnert mich an die Abspaltung der Südstaaten. Diese haben dann auch in voller Selbstüberschätzung den Krieg gegen die Nordstaaten angefangen und letzten Endes verloren. Wie will Katalonien etwas erreichen, wenn es alleine steht?

  4. Es ist schon seltsam. Wenn Katalonien sich unabhängig erklärt, fliegt es aus der EU. Einem Erdogan zahlt man weiterhin Milliarden an Euros und mit ihm führt man Beitrittsverhandlungen. In Katalonien wird mit Euros bezahlt, es sind europäische Bürger, es gilt europäisches Recht … und in der Türkei?

    • @ Joseph

      Falsch, Katalonien ist kein Mitglied der EU. Es müsste daher eine Mitgliedschaft beantragen. Die Beitrittsverhandlungen würden sich aber sehr schwierig gestalten da Spanien ein Veto einlegen würde. Da in der EU das „Einstimmigkeitsprinzip“ gilt und Spanien einer Mitgliedschaft Kataloniens nie zustimmen würde sind solche Verhandlungen ohnehin aussichtslos.

      • Falsch ! Katalonien ist (als Region mit verfassungsmässigen Befugnissen) sehr wohl direkt oder indirekt Mitglied der EU und hat dort gewählte Vertreter (auch wenn diese als Spanier gelten). Nur als eigenständiger Staat wäre es nicht mehr (automatisch) Mitglied, obwohl sich eigentlich nichts ändern würde.
        Und man (Spanien und vielleicht andere Staaten) würden sich gegen eine Mitgliedschaft der Katalanen stemmen und stimmen gleichzeitig für Milliardenausgaben um die (hoffentlich nie zu erreichende) Beitrittsfähigkeit der Türkei zu unterstützen.

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