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Protest im Netz: „Nicht Deltour ist der Schuldige, sondern Juncker“

Whistleblower Antoine Deltour (links) und Luxemburgs Ex-Finanzminister Jean- Claude Juncker, heute Präsident der EU-Kommission.

Wie kürzlich noch in einem Kommentar hier auf „Ostbelgien Direkt“ erwähnt, finden heutzutage Protestaktionen nicht mehr unbedingt auf der Straße statt, sondern im Internet. Das gilt derzeit auch für das Aufbegehren von Aktivisten aus ganz Europa gegen die Verurteilung in erster Instanz von Whistleblower Antoine Deltour, der einst den LuxLeaks-Skandal auffliegen ließ und dem jetzt deswegen der Knast droht.

Im Juni 2016 wurde der Franzose Antoine Deltour von einem Luxemburger Gericht zusammen mit Raphaël Halet, einem anderen ehemaligen Mitarbeiter der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC), zu Bewährungsstrafen verurteilt. Deltour erhielt 12 Monate auf Bewährung und 1.500 Euro Geldstrafe. Halet wurde zu 9 Monaten auf Bewährung und 1.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

Seit dem 12. Dezember 2016 läuft das Berufungsverfahren.

Der Flyer, der derzeit im Netz zirkuliert. (Zum Vergrößern Bild anklicken).

„Antoine Deltour steht vor Gericht, er riskiert 10 Jahre Gefängnis und 1 Million Geldstrafe – Jean-Claude Juncker ist Präsident von Europa, ist ein freier Mann und verdient monatlich 31.272 Euro“, steht auf dem Flyer, der in diesen Tagen im Netz die Runde macht.

Juncker steht weniger in seiner Eigenschaft als derzeitiger Vorsitzender der EU-Kommission in der Kritik, sondern als der Mann, der seinerzeit das System der Steuerhinterziehung, das Deltour enthüllte, als luxemburgischer Finanzminister zu verantworten hatte, ja es möglicherweise sogar „erfunden“ hat.

Die Vorwürfe gegen Deltour reichen von Diebstahl und Verletzung von Geschäftsgeheimnissen bis zur Verletzung des Berufsgeheimnisses. Der Ex-Mitarbeiter von PwC soll zusammen mit seinem Kollegen Tausende Dokumente über die dubiosen Steuerpraktiken multinationaler Konzerne in Luxemburg entwendet und an den Journalisten Edouard Perrin weitergegeben haben. Letzterer wurde im ersten Prozess freigesprochen.

Deltours Enthüllungen offenbarten, wie Luxemburg den Großkonzernen dabei half, Milliarden an Steuerzahlungen zu vermeiden, und lösten eine internationale Debatte aus. Sie zeigten zudem, wie auch andere EU-Staaten an einer Art Steuerwettbewerb um große Unternehmen teilnahmen.

Freispruch „einzig akzeptables“ Urteil

Nicht nur für Deltours Anwälte, sondern auch für Organisationen wie Oxfam oder Attac wäre ein glatter Freispruch für Deltour und die anderen beiden Angeklagten das „einzige akzeptable“ Urteil.

In Erwartung des Urteils in diesem Berufungsverfahrens geht der Protest im Netz weiter. Die Unterstützer von Antoine Deltour verfügen auch über eine eigene Website (auf Französisch und Englisch) unter https://support-antoine.org. Zudem sind diverse Petitionen für den Whistleblower Deltour im Umlauf.

Jean-Claude Juncker (Mitte) am 15. November 2016 im Triangel von St. Vith mit Pascal Arimont (links) und Oliver Paasch. Foto: Alfons Henkes

Im Mai 2012 berichtete der französische Journalist Edouard Perrin als Erster über die dubiosen Praktiken. Er war ebenfalls angeklagt, wurde aber freigesprochen.

Europaweit für Wirbel sorgten allerdings nicht Perrins Veröffentlichungen, sondern erst die LuxLeaks-Enthüllungen des internationalen Recherchenetzwerks ICIJ knapp zwei Jahre später.

Das Netzwerk hatte Ende 2014 aufgedeckt, dass rund 340 Unternehmen mit Luxemburg für sie teils extrem vorteilhafte Steuerabsprachen getroffen hatten. Damit konnten sie ihre Steuern in Luxemburg auf teils ein Prozent drücken. Zu den Konzernen gehörten unter anderem Apple, Ikea und Pepsi. Nach den Enthüllungen leitete die EU-Kommission Prüfverfahren zum Steuergebaren mehrerer Konzerne ein.

Ganz raus aus der LuxLeaks-Affäre ist Jean-Claude Juncker noch nicht. Vor allem linke EU-Abgeordnete erachten es als erwiesen, dass Juncker jahrelang verhindert habe, dass Luxemburg wegen seiner Steuertricks Probleme mit der EU-Kommssion bekam und deshalb als Präsident eben dieser Kommission sofort zurücktreten müsse. (cre)

38 Antworten auf “Protest im Netz: „Nicht Deltour ist der Schuldige, sondern Juncker“”

  1. Den Ahlen

    Danke, Herr Cremer, dass Sie darüber etwas berichten! Wenn Sie in diesem Bereich weiter aktiv sein wollen, dann berichten Sie doch auch mal was es in Punkto „Zensur“ der alternativen Medien an Neuigkeiten gibt. Gerade SOLCHE Fälle werden meist nur durch diese Medien bekannt und anfangs werden diese Berichte dann als „Fakenews“ abgetan.

    • Den Ahlen

      Hier übrigends der Wikipedia Eintrag zu diesem Thema: https://fr.wikipedia.org/wiki/Luxembourg_Leaks#cite_note-41.
      Fazit: Die Praktiken wurden offengelegt und alles sind empört ABER das ist alles LEGAL abgelaufen! MILLIARDEN an Steuern werden „umgangen“ und das alles mit dem Segen der höchsten Finanzbehörden! Wann entlich wird sich das Volk an diesen Leuten rächen? Wann werden die Staaten sich rächen, denn was da an Steuergeldern nicht eingenommen wird fehlt in der Kasse und muss an anderen Stellen eingespart/einkassiert werden!

  2. Pensionierter Bauer

    Typen wie Juncker sind die wahren Schurken, auch sie sind es,die die Rechten ua. Extreme groß werden lassen. Juncker isr ein großer, Lecerf ein kleiner Schurke im Nadelstreifenanzug. Es ist ein großes Glück, daß der Enthüllungsjournalismus denen auf den Fersen ist. Solche Typen beneiden im stillen Kämmerlein den „starken“ Erdogan und hassen Böhmermann.

  3. Ekel Alfred

    Wieso wird jemand verurteilt, der dem Volk dienlich ist, indem er dubiöse und illegale Geschäftspraktiken aufklärt?….Junker wurde vom VOLK abgewählt und das sollte er akzeptieren….scheinbar ist der Klüngel auch mittlerweile bei der Justiz angekommen….

  4. Joseph Meyer

    Herr Juncker hat bewirkt, dass die Mulinationalen Konzernen Steuern in Milliardenhöhe in den EU-Mitgliedstaaten und vor allem auch in Entwicklungsländern hinterziehen konnten. Damit ist er ein echter Verbrecher, denn er hat mit dieser Handlungsweise Armut, Elend, Hunger und Tod in diesen Ländern zu verantworten. Und auch hier in Europa sind viele Millionen Menschen mit kleinen Einkommen inzwischen Not leidend und sterben weil ihnen z.B. die korrekte medizinische Betreuung zu teuer ist – auch diese Armut in Europa ensteht durch die gleichen Tricks zur Vermeidung von korrekten Steuerzahlungen, sprich durch diese Steuerhinterziehungen … .
    Ja, richtig, und so Jemand wird von Oliver Paasch hoffiert! Und wer ihn und Juncker deshalb kritisiert, der ist ein „Populist“ …

  5. Anwaltskanzlei kuk-Lux

    @ Joseph Meyer
    „denn er hat mit dieser Handlungsweise Armut, Elend, Hunger und Tod in diesen Ländern zu verantworten“
    Also beschuldigen Sie Herrn Juncker des tausendfachen Totschlags, sozusagen des Völkertotschlags oder zumindest der tausendfachen, unterlassenen Hilfeleistung. Herr Meyer, wie haben uns erlaubt, Ihre Koordinaten zu speichern zwecks Erhebung einer Klage wegen Verleumdung und übler Nachrede in Tateinheit mit Rufmord zu Schaden unseres Klienten J._C. Juncker.
    Wenn Sie sich einsichtig zeigen und sich öffentlich entschuldigen, sehen wir von der Anklage ab und werden die Sache, gegen eine kleine Spende an bedürftige Politiker, zu den Akten legen. Die Spende möchten Sie bitte an unseren vertrauten, geheimen Mitarbeiter A. Lecerf , wohnhaft in Lontzen/Belgien überweisen. Straferleichternd sind schon Summen ab 139 Euro. Gänzlich straffrei gehen Sie aus bei Überweisung von insg. 67.198 Euro .Die Recherche der Kontonummer von Herrn Lecerf geht auf Ihr Konto.
    In Erwartung Ihrer Entscheidung, R.Omuh, Rechtsbeistand gestandener Politiker.

  6. Marcel Scholzen

    Man sollte nicht voreilig den Stab über Juncker brechen. Viele Staaten dieser Erde, auch Belgien, haben Großkonzernen Steuervorteile gewährt. Und die wären ganz schön blöd, solche Vorteile nicht zu nutzen. Jeder Mensch nutzt Vorteile, die ihm geboten werden. Wer Gegenteiliges behauptet, ist entweder ein Heiliger oder ein Heuschler.

    Es sollte nicht vergessen werden, dass dies alles aufgrund geltender Gesetze geschah.

    • de Fränz

      So ganz unrecht haben Sie ja nicht Herr Scholzen , auch Belgien unter Finanzminister Didier Reynders hat illegal hohe Steuerermässigungen an internationale Firmen gewährt . Wurde sogar vom europäischen Gerichtshof dazu verurteilt diese zurück zu verlangen ,was er aber nie getan hat . also wieder ein Beweis dafür das wir arbeitendes Volk von unseren Politikern ganz gehörig verarscht werden . aber wass solls wir lassen es uns ja gefallen

    • Den Ahlen!

      Herr Scholzen, ich kann es denen nicht verdenken die das System ausnutzen, MIR hat man leider einen ähnlichen Deal nicht vorgeschlagen denn ich hätte den auch gerne genutzt und genau darum geht es! Scherz bei Seite: Ich bin wirklich wütend über Leute, die uns vollmundig den Sinn und Zweck Europas beibringen wollen und selber WISSENTLICH alles tun um ein stabiles, friedliches Europa, wo JEDER Bürger gut leben kann, zu verhindern! Wie viel beinahe Staatsbankrotte hatten wir in Europa und wie viele haben noch Schulden über 100 % des BIP? Um wie viel sind die Steuern und Preise gestiegen seit Einführung des Euros, wo das ganze System ja noch extrem vereinfacht wurde weil alle die gleiche Währung hatten? Wie viel MILLIARDEN hat die EU schon den Banken ZINSFREI zur Verfügung gestellt während das Geld auf den Sparkonten der normalen Leute verschimmelt! Wenn das so weiter geht, dann wähle ich beim nächsten Mal mit Sicherheit eine „Alternative zur EU“ oder ich beteilige mich bei der nächsten Petition wo über ein Belxit abgestimmt wird. Entweder solche Leute werden aus der Politik entfernt und diese Machenschaften hören auf, oder wir wählen beim nächsten mal die, die nicht nur DAS sondern die gesamte EU „in Schutt und Asche“ legen wollen (ja, das ist mein Ernst!).

    • Josef Stoffels

      Dass all diese Machenschaften auch noch LEGAL waren, zeigt einmal mehr, zu wessen Gunsten solche Gesetze überhaupt gemacht werden. Unsere Staaten werden nur scheinbar von den gewählten Politikern regiert. In Wirklichkeit sind es die Bosse der finanzkräftigen Großkonzerne, die in Brüssel, Strassburg oder wo auch immer intensive Lobbyarbeit verrichten und den politisch Verantwortlichen diktieren, was sie zu tun haben. Wer GELD hat, hat auch MACHT, denn notfalls kann er sich die Gunst der Politiker sogar kaufen. So einfach ist das!

    • Hop Sing

      Juncker ist völlig unkompetent, stets betrunken und lebt in der Illusion, durch dumme Witzchen und anstössige Gestik Punkte sammeln zu können. Was haben Arimont und Paasch sich dabei gedacht, diesen Ritter der traurigen Gestalt einzuladen?

      Europa befindet sich in der schwersten Krise seiner Geschichte. Wir brauchen Kapitäne, Strategen und Visionäre und nicht einen faselnden, radebrechenden Trinker.

      Übrigens : was haben Churchill und Juncker gemeinsam und was nicht? Beide soffen. Churchill war intelligent.

      • Damien Francois

        Das haben Sie gemeinsam, lieber Hop Sing: „Ohne ein Vereinigtes Europa keine sichere Aussicht auf eine Weltregierung“ („Speeches of Winston Churchill“, 1990. London: Penguin – http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=325124 – vgl. auch Bayart, Jean-François: Le gouvernement du monde. Une critique politique de la globalisation, 2005, Paris: Fayard).
        Putin wehrt sich dagegen, und wird hier deshalb mit allen Mitteln bekämpft. Die EU, schlimmer als die denkbar schlimmste Mischung aus „1984“ und „Schöne neue Welt“. Der Schein der Demokratie läßt Platons „HÖLLEngleichnis“ :-)) blass aussehen. Mittendrin, statt nur dabei – sind wir. Und zudem noch das Trojanische Pferd, dessen Bauch mit ach so liebenswürdigen Arabern, Afrikanern und Musels gefüllt ist… , die sich ja immer Herdenweise auf Pilgerfahrt nach Kölle begeben, um dem europäischen 9/11 zu gedenken. Wahre Pilger – die eher nach Süd-Osten umsteuert sollten. Wetten, daß unsere hiesigen Weltretter, die, zugegeben, nicht zu beneiden sind, angesichts der schönen neuen Welt, und die mehr auf sich nehmen, als damals Siddharta Gautama selbst – wie blöd kann ein Mensch denn sein? The sky ist wohl ze limi -, jetzt gar nicht auf Churchills Zitat poltern, sondern auf… mich?! Na dann, hier noch etwas, das zeigt, wie toll unsere – nicht meine, hell, no! – EU uns fi… Jesus-Christus Junkie: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt“ („Die Brüsseler Republik“, in: Der Spiegel, 27. Dezember 1999, Hamburg.). Jean Monneten hatte es bereits 1950 so formuliert: „“Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden, ohne daß die Bevölkerung versteht, was geschieht. Dies muß schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand“ (http://www.focus.de/magazin/archiv/debatte-es-ist-zeit-fuer-deutschland-wieder aufzustehen_aid_544099.html.)
        Alles wir gut! Wir schaffen das! Yes, we can! I wish I was a neutron bomb, for once I could go off…
        Historisch gesehen müssen wir doch einsehen, daß wir die spannendesten Zeiten überhaupt erleben, oder? Wie die Realität ausgetauscht wird. Wow, life is good!

  7. Intipuca

    Junker und Öttinger versuchen nur ihre gut betuchten Positionen abzusichern, üben aber keinen Beruf aus, wofür sie eigentlich gewählt sind. Dies löst Zorn aus, weil man nur ohnmächtig zusehen kann. Vielleicht kann Verfofstadt wieder Laune auf Europa machen

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