Zwischenruf

„Lecker, lecker!“: Wie die Medien heute um die Wette twittern

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Schon vor einigen Jahren hatte der Kabarettist Florian Schröder eine Nummer in seinem Programm, in der er sich über den Twitter-Wahn der Medien lustig machte. Er imitierte Journalisten, die sich schon auf Twitter meldeten, noch bevor sie irgendetwas erfahren hatten: „Wir wissen noch nichts, wir befinden uns noch auf dem Weg zum Tatort.“ Inzwischen sind einige Jahre vergangen, aber der Twitter-Wahn hat sich seitdem noch verschlimmert. Die Medien twittern heute regelrecht um die Wette – egal wann und egal was.

Nicht selten erlebt man auf Twitter, dass Journalisten noch vor dem Beginn einer Pressekonferenz über Twitter melden (natürlich in Englisch, damit die ganze Welt es versteht): „Waiting for the press conference“. Dazu ein Foto von leeren Stühlen und einem leeren Tisch mit einigen Mikrofonen. Informationswert für den Leser: 0,00!

Die Kollegen der Grenz-Echo-Redaktion scheint auch der Twitter-Wahn gepackt zu haben. Die Redaktion der Tageszeitung twitterte an diesem Freitagmorgen: „Lecker, lecker! Wir haben heute Vormittag erstmal schön gefrühstückt! #ausdemredaktionsalltag.“ Verrückte Welt.

Twitter ist ein toller Dienst, von dem früher Journalisten geträumt hätten. Natürlich nutzt auch „Ostbelgien Direkt“ Twitter oft und gerne. Es gibt aber Medien, die twittern so viel, dass man am Ende vor lauter Bäumen gar nicht mehr den Wald sieht.

Twitter-Meldung der Grenz-Echo-Redaktion von Freitag, dem 18. Drezember.

Twitter-Meldung der Grenz-Echo-Redaktion von Freitag, dem 18. Dezember 2015.

Seinerzeit bekamen Journalisten in der Ausbildung zwei Dinge ans Herz gelegt: Ein guter Journalist muss gut schreiben können, klar. Aber nicht nur das: Er muss vor allem eine Auswahl treffen und das Interessante vom Uninteressanten trennen können, das Wichtige vom Unwichtigen.

Bei Twitter aber posten inzwischen selbst führende Medien wie der „Spiegel“ praktisch jede Meldung und jeden Artikel – egal ob wichtig oder unwichtig.

In der traditionellen Medienwelt bekamen die Redaktionen von Zeitung, Hörfunk und Fernsehen über die Agenturen, an die sie angeschlossen waren, eine Fülle von Nachrichten übermittelt. Ihre Aufgabe bestand dann darin, die wichtigsten und lesenswertesten Meldungen auszuwählen und zu veröffentlichen. Das erwartete der Leser, Hörer oder Zuschauer von ihnen.

Heute gibt es diese Auswahl kaum noch, kübelweise wird alles ins Netz geschüttet. Am Ende sind alle dermaßen „vertwittert“, dass  niemand mehr weiß, wo ihm der Kopf steht…

GERARD CREMER

12 Antworten auf “„Lecker, lecker!“: Wie die Medien heute um die Wette twittern”

  1. R.A. Punzel

    Einfach lecker, also die Berichterstattung. Jedoch, wen interessiert die ganze Schweinskopf-Sülzeberichterstattung? 99,9 % der gezwitscherten Nachrichten interessieren keine hintebliebene Sau (s.o.) und der komische Vogel liest seinen geposteten Schwachsinn (99%) eh nicht mehr. Apopo G-E, nee, nicht was Sie denken; es eignet sich auch wunderbar um für Kaminfeuer anzuzünden….

    Frohe Feste allerseits :-))))))))))))))))))))))

    • Comidien Show

      „Apopo“ ist nicht schlecht, RA Punzel! Darauf müssten die Leute schon mal ,was drauf bekommen!? Ganz sicher wenn unsere Eltern heute sowas lesen oder sehen würden! Was für eine verrückte Welt wir doch haben? Alles, aber auch jeden Sch…….. wird „VERZWITTERT“! Nä was e Schrott! Wäre viel besser die Leute würden seriöse Arbeit abliefern, anstatt sich zu Sklaven von diesem Blödsinn verkommen zu lassen.
      Wo steuern wir noch hin!?

  2. Werter Herr Cremer,

    an diesem Standpunkt sieht man wie lange Sie schon aus dem Geschäft raus sind. „lecker,lecker………“ entspricht doch schon seit Jahrzehnten dem journalistischen Motto :“Wer nix arbeiten will soll wenigstens anständig essen.“ Schon in den 60er Jahren lernte jeder Kabarettist das die Vorpremiere für die Presse mit einem guten und reichhaltigen Buffet verbunden sein muß damit die Rezension positiv ausfällt. Also nichts neues. Spalten füllen ohne etwas zu sagen ist auch journalistisches Handwerk. Nach dem Zeitalter des „Zeilenhonorars“ kommt jetzt die Zeit der 160 Zeichen. Mehr würde wahrscheinlich die Kundschaft überfordern.

  3. Kerstges Angela

    Scherz Herr Cremer, ich hatte soeben ein „leckers“ Abendbrot, denke, es hilft mir beim kegeln, nicht zu viel in die Gosse zu werfen.

    Hoffe, Sie sind noch „IN“ dass Sie alle Kritik-Zeilen etwas als „stört mich nicht“ klassieren können

    • Sehn Sie AK, Twitter wäre das geeignete Medium für Sie. Dort können Sie unbeanstandet mitteilen:
      – ob und wann Sie Abendbrot zu sich nehmen
      – das was und warum
      – ihre nächste Beschäftigung (inklusive Zwischenständ)
      – alle Erlebnisse Ihrer Vergangenheit und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen
      – sowie alle geplanten Ankündigungen (mit Termin).
      Englisch oder die eine oder andere asiatische Sprache garantieren „global presence“.

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