Kultur

„Wer gut singt, kann auch turnen“: Musik soll nicht mehr ein Stiefkind im Schulunterricht sein

Vertreter von Hochschule und Födekam mit Unterrichtsminister Oliver Paasch (rechts). Foto: OD

Unterrichtsminister Oliver Paasch (ProDG) hat kürzlich mit Vertretern der Autonomen Hochschule (AHS) und des Musikverbandes Födekam Ostbelgien ein neues Kooperationsabkommen unterzeichnet. Ziel ist es, durch Musikanimationen in den Schulen und die Weiterbildung von Lehrern Kinder mehr als bisher für Musik zu begeistern. Denn Musik dient nicht nur der Musik.

„Viel zu lange ist die Musik in unseren Schulen stiefmütterlich behandelt worden“, sagte Unterrichtsminister Oliver Paasch (ProDG) bei der Unterzeichnung eines neuen Kooperationsabkommens: „In Sachen Musik besteht ein großer Nachholbedarf.“

Musik sei nicht nur für die Musik wichtig, sondern erweitere die geistige Lernfähigkeit des Kindes und sein Selbstwertgefühl. „Mit Musik kann man nicht früh genug anfangen“, so Paasch. Bis zum 1. Sekundarschuljahr ist der Musikunterricht ein Pflichtfach in den Schulen der DG.

Gerd Oly, Musikdozent an der Autonomen Hochschule. Foto: OD

Gerd Oly, Musikdozent an der Autonomen Hochschule. Foto: OD

In die gleiche Kerbe schlug Födekam-Sekretär Ewald Zanzen, der sogar auf den Spruch verwies: „Wer gut singt, kann auch turnen.“ Soll heißen: Musik ist nicht nur eine geistige, sondern auch eine körperliche Betätigung.

Das Abkommen zwischen der Regierung der DG, der Autonomen Hochschule und dem Musikverband Födekam gilt für fünf Jahre und sieht insgesamt 83.000 Euro an finanzieller Unterstützung vor. „Das gibt uns Planungssicherheit“, so Födekam-Sekretär Zanzen.

Die Vereinbarung hat zwei Schwerpunkte. Zum einen bietet Födekam im Rahmen des Projekts „Musik in den Schulen“ auch künftig in den Primarschulen der DG Musikanimationen an. Damit sollen Kinder für Musik interessiert, nach Möglichkeit sogar begeistert werden. Bis heute hat das Projekt „Musik in den Schulen“ 113 Mal stattgefunden und damit rund 50 Schulen bzw. rund 6700 Schüler erreicht.

Zudem organisiert Födekam Weiterbildungen für Lehrpersonen. Diese wissen oft nicht, wie Musik am besten im Unterricht vermittelt werden kann. Auch sind sie nicht unbedingt musikalisch begabt. Da kann Hilfe von Fachleuten nicht schaden.

„Es geht nicht mehr ums Abträllern von Volksliedern“

Zum Thema „Musik in der Schule“ unterhielt sich „Ostbelgien Direkt“ mit Marc Lemmens, Musiklehrer und Mitglied von Födekam. Lemmens dirigierte rund 20 Jahre den Raerener Kinderchor. An der Musikakademie unterrichtet er das Fach Klarinette.

OD: Herr Lemmens, es wurde bei der Unterzeichnung des Kooperationsabkommens zwischen DG-Regierung, Hochschule und Födekam gesagt, der Musikunterricht sei stiefmütterlich behandelt worden sei. Gilt dies auch heute noch?

V.l.n.r.: Ewald Zanzen, Marc Lemmens, Oliver Paasch, Stephan Boemer, Martha Kerst und Gerd Oly. Foto: OD

V.l.n.r.: Ewald Zanzen, Marc Lemmens, Oliver Paasch, Stephan Boemer, Martha Kerst und Gerd Oly. Foto: OD

Lemmens: Auf jeden Fall entsteht inzwischen immer mehr ein Bewusstsein für die Bedeutung des Musikunterrichts. Viele Lehrer sagen sich: „Ich selbst kann zwar nicht Musik unterrichten, aber es wäre toll, wenn es mehr Musik in der Schule gäbe.“ Diese Lehrer fragen nach Hilfen. Deshalb bieten wir seit einigen Jahren Weiterbildungen mit Dozenten aus dem Fach Musikpädagogik an. Wir hatten bei diesen Weiterbildungen Besucherzahlen von 60 bis 100 Lehrern. Das zeigt, wie groß das Interesse bei Lehrern ist, sich im Bereich Musik weiterzubilden und ihren Unterricht mehr mit Musik zu gestalten. Das ist eine sehr positive Entwicklung.

OD: Welche Art von Musik möchte das Lehrpersonal denn in den Unterricht einbringen?

Lemmens: Es geht heute nicht mehr um das Abträllern von Volksliedern, wie das früher einmal war. Heute hat der Musikunterricht viel mehr Rhythmik. Nicht jede Schule hat ein Schlagzeug zur Verfügung, aber mit Klatschen und anderen Bewegungsformen sowie mit den unterschiedlichsten Gegenständen kann man viel machen. Das begeistert die Kinder.

OD: Und die Kinder werden nicht zur Musik gezwungen, sie selbst wollen unbedingt mehr Musik?

Unterzeichnung des Kooperationsabkommens (v.l.n.r.): Födekam-Sekretär Ewald Zanzen, Minister Oliver Paasch und AHS-Direktor Stephan Boemer. Foto: OD

Unterzeichnung des Kooperationsabkommens (v.l.n.r.): Födekam-Sekretär Ewald Zanzen, Minister Oliver Paasch und AHS-Direktor Stephan Boemer. Foto: OD

Lemmens: Auf jeden Fall. Viel hängt aber vom Lehrer ab. Auch der Malunterricht ist nur schön, wenn der Lehrer gut malen kann. So ist das auch bei der Musik.

OD: Woran hapert es denn noch? Was könnte besser werden?

Lemmens: Es wäre schön, wenn alle Lehrer davon überzeugt wären, dass Musik sehr wichtig ist für die Entwicklung eines Kindes. Zum Beispiel lässt sich über die Musik die Motorik verbessern. Musik fördert auch die Disziplin und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Eine Klasse ist musikalisch nur dann sehr gut, wenn alle gut sind. Das Kind muss sich an das Tempo, das vorgegeben wird, anpassen. Da kann nicht jedes Kind machen, was es will.

OD: Von welcher Musik reden wir eigentlich? Von Klassik?

Lemmens: Nicht nur. Als ich ausgebildet wurde, zählte nur die klassische Musik. Heute ist man sich jedoch bewusst, dass es neben der klassischen Musik noch viele andere Strömungen gibt: Jazz, Weltmusik usw. Heute ist eigentlich alles wichtig, die Übergänge sind fließend. Wenn man Sting gut spielen möchte, muss man auch Mozart spielen können. Je besser man ausgebildet ist, desto einfacher hat man es, sich in den unterschiedlichsten Musikgenres zu Hause zu fühlen. (cre)

 

10 Antworten auf “„Wer gut singt, kann auch turnen“: Musik soll nicht mehr ein Stiefkind im Schulunterricht sein”

  1. Gerd Hennen

    Bravo! Ein lohnend- und erstrebenswertes Projekt.
    Vor allem die Musikvereine und Chöre in ländlichen Gebieten beklagen seit Jahren einen enormen Nachwuchsmangel… dass dies nicht aus Gründen des fehlenden Interesses bei Kindern und Jugendlichen so ist, belegen Beispiele von Dörfern, in denen der Musikunterricht exzellent gepflegt wird.
    Allerdings glaube ich nicht, dass Musik-, Kunst- und auch der Sportunterricht als „Beiwerk“ von Primarschullehrern unterrichtet werden soll. Nein, wie auch der Religionsunterricht sollten auch diese Unterrichtsinhalte von Fachkräften gegeben werden.
    Meiner Meinung nach muss die „musikalische Früherziehung“ wie sie von der Akademie in exzellenter Form von erstklassigen Musikpädagogen angeboten wird, in allen Primarschulen der DG unterrichtet werden und somit für jedes Kind zugänglich sein.
    Weshalb also diesen Teilbereich der Akademie nicht ganz in die Regelschule eingliedern? Beim Essen kommt bekanntlich der Appetit – so auch bei der Musik; wenn Kinder spielerisch mit Musik in Kontakt kommen, wächst unweigerlich die Möglichkeit, dass diese sich für das Erlernen eines Instrumentes an der Akademie entscheiden.
    Somit würde ich ein konsequenteres Handeln in dieser Frage begrüßen, denn alle anderen Maßnahmen sind aus meiner Sicht nur „Flickschusterei“ und somit für das Kind und den potenziellen Musiker wenig dienlich.
    Viele Dorfvereine würden diese Maßnahmen auch tatkräftig (gerne unterstützen.

    • Patricia

      Sie sprechen mir aus dem Herz! Selber gebe ich Unterricht im Fach Notenlehre und Musikalische Früherziehung und ich finde es sehr schade das nicht alle Kinder die Möglichkeit haben ,die so Vielfältig und für die Entwiklung so wichtige und schöne Welt der Musik entdecken zu dürfen. Allzu gerne würde ich meinen Unterricht auch in Primarschulen geben können . Mit Musik kann man so viel Erreichen, Musik entspannt, es kann die Kreativität in uns wecken, sie Fördert das Gedächtnis , und vieles mehr…..Hoffentlich wird der Musikunterricht eines Tages wieder eingeführt……Patricia

  2. Reiner Mattar

    Eine andere Alternative wäre, die Fächer Musik, Sport, Kunst ebenso als Zusatzausbildung in die AHS zu integrieren wie es schon mit Französisch oder Förderpädagogik geschehen ist.
    Fachlehrer für alle Bereiche wären aus fachlicher Sicht bestimmt ideal, ob eine weitere Zergliederung des Unterrichts durch Fachlehrer für die Kinder ideal wäre,steht auf einem anderen Blatt. Denn dass unser rigider 50-Minuten-Rhythmus alles andere als dem echten Lernrhythmus der Kinder entspricht, wissen wir auch! Und wenn wir für alles Fachlehrer haben, bleibt gar nichts anders übrig als rigide zu organisieren…
    Noch ein Wort zu „wer gut singt, kann auch gut turnen“: mal abgesehen davon, dass im Sportunterrricht wenig (leider oft gar nicht) geturnt wird, ist es meiner Meinung nach wenig hilfreich zu unterstellen, mit dem Musikunterrricht könne man den Sportunterrricht ersetzen oder andersherum. Beides,und dazu auch Kunst, ist für die Bildung der jungen Menschenkinder enorm wichtig; es wäre aus meiner Sicht fatal, das eine zu fördern, um das andere zu lassen!

    • „Wer abends vögelt kann morgens noch lange nicht fliegen.“

      Ich glaube , der Spruch heißt anders : „Wer vögelt muss auch fliegen können“.

      Angeblich noch zu“ Kaiserszeiten , geprägt durch den Kommentar eines Polizisten, welcher einen Ehebruch zu Protokoll nahm, bei welchen der Nebenbuhler beim unvorhergesehenen Erscheinen des gehörnten Ehemannes,
      sich durch einen beherzten Sprung durch das Schlafzimmerfenster( auf der ersten Etage ) zu retten versuchte und sich dabei
      leichte Verletzungen zuzog. Deswegen wahrscheinlich auch der Hinweis des Polizisten über die nicht gegebenen
      „Flugfähigkeiten“ des Liebhabers : wer v….. will, muss (sollte) auch fliegen können

  3. Hermanns

    Singen ist Schwingen, entspannt, befreit von negativen Energien zentriert die positiven Einergien und fördert ausderdem die Gesundheit. Wenn ich mein Wissen und meine Erfahrungen mit ihnen teilen darf, so lassen Sie es mich bitte wissen. Ich bin bereit.

    • cunibert

      Die gelangweilten Musikexperten vom Födekam und ostbelgischen Blechblasvereine wird’s vielleicht freuen.

      Ob die Kids alle singend, schwingend, entspannt und befreit überm Schulhof tänzeln, bleibt abzuwarten.

      Aber was plant der Olli denn die nächsten 5 Jahre, wenn er tatsächlich Unterrichtsminister bleiben sollte ?
      Faulheit kann man ihm tatsächlich nicht vorwerfen.

  4. Medienkompetenz

    Vielleicht sollte Olli P. sich mal Gedanken über den Informatikunterricht machen. Von Turnlehrer über Germanist bis zum Mathelehrer darf ja jeder den Informatikunterricht in der Sekundarstufe an die Schüler ‚abliefern‘.

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