Gesellschaft

Vor 20 Jahren – am 24. Juni 1995 – wurden die beiden Mädchen Julie und Mélissa entführt

Die Mütter von Mélissa Russo und Julie Lejeune 1996 mit den Fotos ihrer Kinder im Juni 2015. Foto: Belga

Vor 20 Jahren, am 24. Juni 1995, wurden Julie Lejeune und Mélissa Russo in Grâce-Hollogne bei Lüttich entführt. Die beiden achtjährigen Mädchen hatten einen Spaziergang in der Nähe ihrer Elternhäuser unternommen und verschwanden spurlos. Die Affäre um den Kindermörder Marc Dutroux nahm ihren Anfang.

Ein Augenzeuge will Julie und Mélissa an jenem 24. Juni 1995 noch gesehen haben, wie sie gegen 17 Uhr auf der Autobahnbrücke, die über die E42 Lüttich-Namur führt, die  vorbeifahrenden Autos beobachteten.

Die Mutter von Mélissa, Carine Russo, begab sich um 17.30 Uhr auf die Suche nach den beiden Mädchen. Später war auch die Mutter von Julie Lejeune dabei. Die Kinder wurden nicht mehr gesehen. Um 18.45 Uhr verständigten die Eltern die Gendarmerie.

Nach einer 10-tägigen Suche wandten sich die Eltern Russo und Lejeune an die Öffentlichkeit und vor allem an den oder die Entführer: „Wir flehen Sie an, geben Sie uns unsere Kinder zurück. Geben Sie uns ein Zeichen, dass sie leben und es ihnen gut geht. Wir versprechen Ihnen, dass wir Diskretion walten lassen und nichts tun, damit sie verfolgt werden. Unser einziges Ziel ist es, die Kinder wiederzusehen.“

In einem Versteck elendig verdurstet und verhungert

420 Tage nach ihrem Verschwinden, am 17. August 1996, wurden Julie Lejeune und Mélissa Russo in Sars-la-Buissière in einem Haus eines gewissen Marc Dutroux tot aufgefunden.

Fotos der beiden vermissten Mädchen mit Trauerflor. Foto: Belga

Fotos der beiden vermissten Mädchen mit Trauerflor. Foto: Belga

Dutroux war wenige Tage zuvor, am 12. August 1996, zusammen mit seiner Frau Michelle Martin und einem Komplizen namens Michel Lelièvre festgenommen worden.

Ob Dutroux selbst die beiden Mädchen am 24. Juni 1995 entführte oder sie von einem oder mehreren Komplizen kidnappen ließ, ist nie genau geklärt worden. Die Angaben dazu waren immer widersprüchlich. Jedenfalls hielt Dutroux die Kinder gefangen und missbrauchte sie.

Nach seiner Festnahme im Dezember 1995 wegen eines Lkw-Diebstahls überließ Dutroux die beiden Mädchen sich selbst. Seine Frau Michelle Martin wollte nicht das Kellerverlies in einem Haus in Marcinelle bei Charleroi betreten, um sich um die Kinder zu kümmern. Julie und Mélissa sind elendig verdurstet und verhungert.

Am 22. August 1996 fand unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Lüttich die Trauerfeier für die beiden Opfer der Kinderschänderbande um Marc Dutroux statt. Die Zeremonie in der Lütticher Basilika St. Martin wurde direkt über alle Fernsehkanäle des Landes übertragen. Vor der Kirche verfolgten Tausende ergriffen die Feier auf Videoleinwänden.

Schockwelle erfasst die belgische Öffentlichkeit

Am Vortag des Leichenfundes in Sars-la-Buissière wurden Laetitia Delhez und Sabine Dardenne befreit. Am 3. September wurden die Leichen von Eefje Lambrecks und Ann Marchal gefunden.

Ein früheres Fahndungsfoto des Kinderschänders marc Dutroux. Foto: Belga

Ein früheres Fahndungsfoto des Kinderschänders Marc Dutroux. Foto: Belga

Die belgische Öffentlichkeit wurde von einer Schockwelle erfasst, die heute noch spürbar ist. Im Oktober 1996 kam es in Brüssel zu einem „weißen Marsch“, an dem mehrere hunderttausend Menschen teilnahmen.

In der Folge wurden Polizei und Justiz reformiert. „Child Focus“, eine Stiftung für vermisste und sexuell ausgebeutete Kinder, wurde gegründet.

Acht Jahre nach dem Auffinden der Leichen von Julie und Mélissa sowie von Ann und Eefje wurde Kinderschänder Marc Dutroux, seiner Frau und seinen Komplizen in Arlon in Anwesenheit von Journalisten aus aller Welt der Prozess gemacht. Am 22. Juni 2004 wurde Dutroux zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Michelle Martin erhielt 30 Jahre Gefängnis. Ende Juli 2012 entschied die belgische Justiz, Martin wegen guter Führung auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig freizulassen. (cre)

41 Antworten auf “Vor 20 Jahren – am 24. Juni 1995 – wurden die beiden Mädchen Julie und Mélissa entführt”

  1. Eine Bankrotterklärung der Justiz und des damaligen Polizeiapparats (Gendarmerie-Lokalpolizei)! Selbst der Versuch, den Kinderschänder und -mörder „auf der Flucht zu erschießen“ scheiterte.

  2. Eastwind

    Nach dem Schock von damals hat sich in Belgien bei Polizei und Justiz viel geändert. Inzwischen hat man aber den Eindruck, als würden die Zustände von damals wieder zurückkehren. Die politische Klasse breitet sich immer mehr aus. Der Staat als Selbstbedienungsladen. Ein schleichendes Gift durchsetzt das demokratische Zusammenleben. In der Justiz regiert wieder öfter reine Willkür. Wenn es nicht so tragisch wäre, ist man fast geneigt zu sagen: Ein neuer Schock müsste das Land aufrütteln. Unabhängige Medien gibt es so gut wie nicht mehr.

      • Jockel Fernau

        Nichts. Aber natürlich auch gar nichts. Die mysteriösen Selbstmorde und Unfälle im Dustkreis des Falles Dutroux? Haben auch nichts damit zu tun. Dumme Zufälle, 20 an der Zahl. Die kryptischen Aussagen Dutroux‘ selbst und seine auffallend zuvorkommende Behandlung im Gefängnis? Alles Unsinn, Zufall, muss so. Die Behauptungen diverser wichtiger Zeugen, es gebe ein weltweites Netzwerk der Kinderpornographie, in das haufenweise bekannte Personen verstrickt sind? Dümmliche Verschwörungstheorie! Alles ist gut, der Marc ist im Knast und er war’s ganz allein. Nichts hat mit nichts etwas zu tun. Wünsche weiterhin wohl zu ruhen…

        • Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge: neben Marc Dutroux und Michèle Martin gab es doch außerdem noch Weinstein und Lelièvre in dieser kriminellen Vereinigung. Ach ja, und gab es da nicht auch noch einen Michel Nihoul (bin mir des Namens aber nicht mehr ganz sicher)? Hatte der nicht ausgesagt, er habe kinderpornographisches Material, das er von Marc Dutroux bezogen habe, „bis in höchste Kreise Belgiens“ verkauft und Kinder für Sexpartys dorthin vermittelt. Hatte der nicht auch mit Veröffentlichung der betroffenen Persönlichkeiten gedroht. Seine Verurteilung hielt sich in Grenzen und ging kaum über die Untersuchungshaft hinaus.
          Aber auch das ist kein Beweis für eine bestehende Verschwörung.
          Interessant jedoch, dass die Soziologie die Doktrin von der Nicht-Existenz der Verschwörungen erhebt (siehe der Ausdruck „Verschwörungstheoretiker“). Auch eine Methode der Volksverdummung!

  3. Zuschauer

    Der mit dem Fall beauftragte Staatsanwalt Michel Bourlet sagte damals auf einer Pressekonferenz „si on me laisse faire“. Kurz danach wurde er wegen der Teilnahme an einem Spaghetti-Essen vom Fall abgezogen.
    Wer mit „on“ gemeint war, weiss die Öffentlichkeit bis heute nicht.

  4. Der Rächer

    Zuschauer : an ihrer Stelle würde ich mich mal informieren, bevor ich so einen Quatsch schreibe. Herr Bourlet ist nicht von dem Fall abgezogen worden, sondern der Herr Untersuchungsrichter Connerotte. Und da ein Untersuchungsrichter unbedingt neutral bleiben muss, war es keine gute Idee gewesen, an dem besagten Spaghettiessen teilzunehmen.

    • Zuschauer

      Es ist richtig, dass Herr Connerotte abgezogen worden ist. Herr Bourlet war als Vertreter des Ministeriums bei besagtem Essen anwesend. Trotzdem steht seine Aussage „J’irai jusqu’au bout, si on me laisse faire“ weiterhin im Raum.

  5. Réalité

    @Der Rächer
    meines denkens war das mit den Nudeln durchaus Menschlich.Aber er durfte es eben nicht.Da sind noch ganz andere Dinger gegessen worden in den Etagen,bin ich überzeugt von.Jedenfalls sehr traurig für die Beteiligten Eltern und Familien.Eine Blamage für unsern Justizapparat sowieso.Und heute ist es nicht viel besser.Siehe besonders die Tueurs de Brabant Geschichte wo nach fast 25 Jahren noch immer tote Hose ist.Unfassbar!Da gibt’s keine Worte zu!

    • „Siehe besonders die Tueurs de Brabant Geschichte wo nach fast 25 Jahren noch immer tote Hose ist.Unfassbar!Da gibt’s keine Worte zu!“

      Werter „Réalité“, Ist sogar schon über 33 Jahre her (!), nämlich zwischen 1982 und 1985 trieben die sog. „Killer von Brabant“ ihr mörderisches Unwesen.Da kommt auch nichts mehr ans Tageslicht, vermutlich alles unter“ Verschluss“….

  6. Réalité

    Stimmt,Patriot!
    Da musste schon nach 6 Monaten der erste Verantwortliche bei der Polizeitruppe fliegen!Aber nein!man liess alles laufen wie es lief.
    Und dabei sind zig Leute umgekommen!
    Ungeheuerlich für die Verantwortlichen Minister,Staatsanwälte,Polizisten usw.
    Die armen Opferfamilien!

  7. Es reicht!

    Das die MARTIN jetzt bei einem Richter wohnt sagt ja schon alles? Schweinerei das MARTIN auf unsere Kosten JURA studiert anstatt die Entschädigungssummen herbei zu arbeiten.
    Ekelhaft.
    Dutroux und MARTIN gehören auf hingerichtet. Wie wäre es die beiden am Nationalfeiertag auf dem Grandplace in Brüssel frei zu lassen und der Bevölkerung einige Paletten Pflastersteine zur Verfügung zu stellen?

  8. Réalité

    Hoffentlich haben viele so wie ich gestern Abend die Sendung auf „La Une“ gesehen.
    Da kommen einem noch heute die Tränen.
    Vor Trauer,aber noch mehr vor Wut.Vor dem Unvermögen vieler Personen damals.Und einer schob die Sache weiter an den andern,keiner war es schuld!Haben wie heute noch öfters.
    Und dann noch verzeihen!???
    Für was wohl?Weil besonders die Martin die beiden Kleinen da verhungern liess??Und was hat deren Mann noch alles mit den beiden gemacht??
    Grausam ist noch ein gelindes Wort!
    Diese Frau durfte nie mehr wieder ans Tageslicht!
    Und unser Bischof sprach da von Nächstenliebe,bei deren Freigabe!?
    Solche Menschen sollten dasselbe spüren und erleiden was sie andern angetan haben.Nicht mehr und nicht weniger, „Punkt“.

    • Und was hat deren Mann noch alles mit den beiden gemacht??
      Nun, in den Zeitungen stand damals: sie hat die Video-Kamera bedient, während er die Kleinen f… . Das geilte Martin & Dutroux sicher auf.
      Und unser Bischof sprach da von Nächstenliebe bei deren Freigabe!? Das Thema geilt ihn vermutlich auf.
      Dass die MARTIN jetzt bei einem Richter wohnt sagt ja schon alles? Mme Martin geilt den alten Richter mit Sicherheit auf, und vielleicht sogar deren Kindermissbrauchvergangenheit.

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